Der Gehstock bleibt in der Ecke. Erich Mezger steht auf und begrüßt mit Handschlag seine Gäste in seinem Büro. Ganz die alte Schule? Nein. Erich Mezger lebt hier und heute und in keiner Vergangenheit.
Im Wohnstift Augustinum fühlt er sich wohl, hat es noch nie bequemer gehabt, sagt der Firmengründer, der vor 100 Jahren am 28. Januar 1913 in Stuttgart das viel zitierte Licht der Welt erblickt hat. Erich Mezger ist zudem in der Werner-von-Siemens-Straße daheim, in seinem Büro, zu dem die Sekretärin gewiesen hatte, als nach dem Seniorchef gefragt wurde, obwohl es korrekt wohl zum Senior unter den Seniorchefs hätte heißen müssen.
Mit in das Büro kommt Sohn Georg Denzer-Mezger, der die Daten der Firmengeschichte dabei hat. Vater Erich braucht die Gedächtnisstütze nicht. Doch sicher ist sicher. Und so schaut Georg Denzer-Mezger bisweilen nach, muss nichts korrigieren, nichts ergänzen. Als Erich Mezger gefragt wird, wie man so fit bleibt, zuckt er mit den Achseln, sagt, dass er nur wenig Sport gemacht hat und viel gewandert ist, dass er liest, vier Zeitungen täglich, und Bücher, die unterhalten. Bestens bekomme ihm das Kulturprogramm im Augustinum, wo ihn am Vorabend ein Vortrag über die Grettstädter Wiesen begeistert hat.
Doch wie gesagt, Erich Mezger steht voll im Leben, kommt in Sachen Geburtstag auf das Wesentliche, auf sein Lebenswerk – auf die Firma zu sprechen. Er erzählt nicht, er berichtet, sachlich, kurz – und doch ist eine halbe Stunde flugs vorbei.
Der Vater war Optiker, die Mutter von vier Kindern Hausfrau. Dem Schulbesuch folgte die kaufmännische Lehre bei Bosch in Stuttgart. Erich Mezger blieb bei Bosch, ging in die Filiale in München, übernahm die Leitung der Buchhaltung. Dann 1936 – das Jahr der Olympischen Spiele – Bosch brauchte in Berlin Verstärkung. Erich Mezger ging in die Reichshauptstadt.
Ziel: Schweinfurt
„Das friedliche Leben“ endete 1939. Der Jubilar wurde Soldat, ging als Infanterist nach Frankreich, danach und bis Kriegsende nach Russland. Wieder daheim meldete sich Mezger, der seit 1940 mit Elli-Ingeborg verheiratet war, bei Bosch in Stuttgart, bekam Arbeit in der Verkaufsleitung. Als er hörte, dass es bald neue Bosch-Dienste geben werde, interessierte er sich, bekam Schweinfurt zugeteilt.
Der Zug brachte Erich Mezger nach Schweinfurt, in einen „Trümmerhaufen“, in eine Stadt, die für ihn bislang ein weißer Fleck auf der Landkarte war. Im Rathaus traf er mit Oberbürgermeister Ignaz Schön zusammen, der ihm das ehemalige HJ-Heim in der Wilhelmstraße (später DGB-Haus) vermittelte. Im Hof wurde gearbeitet. Dort wurden die Ziegelsteine aus dem Schutt sauber geklopft und vermauert. Nach sechs Monaten stand das erste Betriebsgebäude im Jahr 1946. „Alles war kaputt – Laster, Autos und Motorräder“, erinnert sich der 100-Jährige.
Ende der 50er Jahre war das Gelände zu klein. Erneut sprach Erich Mezger mit dem Oberbürgermeister, diesmal mit Georg Wichtermann. Ein Grundstück wurde am Marienbach gefunden, wo heute der Nahkauf steht. Beschäftigt waren bis zu 50 Mitarbeiter.
Elf Jahre später wurden 36 000 Quadratmeter an der Werner-von-Siemens-Straße gekauft – noch heute Firmensitz. Damals – 1970 – gehörte die Verkaufsniederlassung in Bamberg seit fünf Jahren zum Unternehmen. 1979 kam ein auf den Zweiradbereich spezialisiertes Tochterunternehmen dazu, 1985 ein Neubau in Bamberg. Ab 1988 wurde das Verkaufsgebiet immer größer, auch durch die Fusion mit der Würzburger Firma Schlag. Filialen in Leipzig, Dresden und Suhl wurden nach der Grenzöffnung eröffnet. 1992 eröffnete der Kommunikationsbereich. Die Mezger GmbH & Co wuchs auf 500 Mitarbeiter.
Waren es in den 60er Jahren noch fast 100 Bosch-Großhändler, die in Westdeutschland agierten, fiel die Anzahl im Laufe der Jahre durch Strukturwandel auf sieben nach dem Mauerfall. 2008 zog sich die Firma Mezger aus dem Großhandelsgeschäft zurück und verkaufte den Großhandel mit Kfz-Teilen an KSM, die im Zuge einer Fusion in der Firma Trost aufging. Die Bosch-Service Werkstatt blieb. Heute hat die Zentrale in Schweinfurt mit den Filialen in Kitzingen, Bamberg, Halle, Leipzig, Dresden, Suhl, Würzburg/Höchberg, Würzburg/Sanderau und Ochsenfurt 165 Beschäftigte. Stolz ist Erich Mezger auf den guten Ruf des Unternehmens, was mehrere Preise belegen.
In der Unternehmenspolitik hat Erich Mezger weiterhin Gewicht. Die Geschäfte führt längst Enkel Ralph Denzer. Doch an jedem Mittwochmorgen holt Sohn Georg den Firmengründer, der mitunter täglich über Entwicklungen informiert wird, im Augustinum ab. Dann geht es in die Siemens-Straße, wo Entscheidungen zu fällen sind.
Etwa auch über die Ausgaben der Stiftung, die Erich Mezger nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1992 ins Leben gerufen hat. Alleine in den letzten zehn Jahren half die Stiftung mit über 100 000 Euro. Unterstützt werden Mitarbeiter und Ehemalige, die in Not geraten, die bedürftig sind.