Wer normalerweise in einen Linienbusbus steigen will, kennt den Fahrplan und wartet an der Haltestelle, man steigt ein und der Bus klappert die anderen Stopps an, bis man am Ziel angelangt ist. In der Kreisstadt Günzburg dagegen funktioniert das ganz anders: Wer aus dem Umland dorthin fahren will, ruft in der Zentrale an, dann kommt der Bus zum verabredeten Zeitpunkt zum verabredeten Ort. Flexibus heißt die Erfindung aus dem bayerischen Schwabenland. Sie könnte eine Lösung sein für die Mobilität auf dem „flachen Land“ bei schrumpfender Bevölkerungszahl und gleichzeitiger Überalterung. Eine Delegation aus dem Kreis Schweinfurt war bei einer Präsentation vor Ort ganz angetan.
Es ist die Umkehrung des bisherigen Prinzips des Öffentlichen Nahverkehrs: Kein Liniennetz, kein Fahrplan, sondern Fahrten „ausschließlich auf Zuruf“, wie Busunternehmer Josef Brandner formuliert. Gemäß den Fahrtwünschen werden dann die Touren zusammengestellt. Alle 30 Minuten zwischen 5 und 21 Uhr. Und dafür gibt es ein engmaschiges Netz von Haltestellen. Allein in der 12 500-Einwohner-Stadt Krumbach sind es laut Brandner 95. Was die meisten Kommunalpolitiker aus Schweinfurt überrascht hat: Das neue Angebot sei keine Konkurrenz zum herkömmlichen Linienverkehr, wie Brandner die Bedenken der Kreisräte Hans Mock und Kilian Hartmann zerstreute. Es sei als Ergänzung gedacht: „Wir haben Fahrgäste dazugewonnen.“ Denn 70 Prozent des ÖPNV beträfen ohnehin die Schülerbeförderung. Und die hat mit dem Flexibus nichts zu tun. Er soll vielmehr eine Alternative sein etwa für ältere Menschen, die auf dem Dorf leben und zum Beispiel zum Einkaufen oder zum Arztbesuch in den nächst größeren Ort fahren wollen. Solche Dörfer würden in vielen Netzen gar nicht oder nur schlecht erfasst.
Laut Brandners Zahlen steigt die Beliebtheit des 2009 eingeführten Flexibusses stetig. Fünf Prozent der Landkreisbevölkerung im Kreis Günzburg seien bereits als Kunden registriert; in Krumbach sind es 15 Prozent. 120 000 Menschen befördern die Kleinbusse pro Jahr. Die Kosten: 360 000 Euro. Würde man dieses Angebot im normalen Linienbetrieb organisieren, bräuchte man den zehnfachen Aufwand, rechnete der Busunternehmer vor.
Allerdings gibt es für das Pilotprojekt Vorbedingungen: Der Flexibus müsse in den normalen ÖPNV eingebunden werden. Zudem brauche es eine enge Zusammenarbeit zwischen Transportunternehmen, Gemeinden und dem Landkreis. Dies setze den Willen voraus, ein solches Projekt anzugehen: „Sie werden die Mobilität verbessern“, sagt Brandner voraus.
Wichtig: Der Freistaat subventioniert das Günzburger Modell mit 70 Prozent, was in anderen Regionen derzeit kaum vorstellbar ist. Die restlichen 30 Prozent teilen sich Kommunen und Kreis. Die Fahrgelderlöse decken demnach die Kosten zwischen 30 und 55 Prozent. Für Brandner ist der Flexibus dennoch „eine der wirtschaftlichsten Lösungen für den ÖPNV“, auch wenn sie defizitär bleibt. Und nach seiner Einschätzung würde sich das System auch ohne die hohe staatliche Förderung noch rechnen, wenn alle Kommunen gemeinsam zahlen: „Die Beträge lassen sich schultern.“ Außerdem liegt der Fahrpreis für den Flexibus etwas höher als bei Linienfahrten.
Eine Option, der vor allem der Schweinfurter Landrat Florian Töpper Charme abgewinnen kann: Man muss den Flexibus nicht flächendeckend einsetzen, sondern könnte ihn auch auf Regionen eines Landkreises begrenzen. Beispiel Schweinfurt: Dort sind die stadtnahen Gemeinden gut ans Netz angebunden, Bereiche wie Wasserlosen und Stadtlauringen dagegen nicht. Für Kreisrat Hartmut Bräuer wäre ein solches Modell eine Möglichkeit, kleingliedrige Landesteile zu fördern bei einem gleichzeitigen Signal für den Einzelhandel. Wie Brandner berichtet, gibt es in Krumbach und Günzburg das Angebot von Geschäftsleuten, den Flexibus für ihre Kunden zu buchen. Davon würden vor allem ältere Menschen Gebrauch machen.
Ein weiterer Punkt lässt Landrat Florian Töpper, auf dessen Agenda der ÖPNV ganz weit oben steht, mit vorsichtigem Optimismus nach vorne schauen: Das Modell ist auch als „Bürgerbus“ denkbar, also mit der Beteiligung von Ehrenamtlichen, was sich kostensenkend auswirken würde. Für ihn sei der Flexibus „eher ein mittelfristiges System“ für Bereiche, in denen die Gemeinden mitmachen, so Töpper. In jedem Fall nehme er es als Anstoß mit, wie er gegenüber dieser Zeitung sagte: „Darüber wird diskutiert werden müssen.“ Das zuständige Sachgebiet für Kreisentwicklung soll sich nun näher damit befassen.