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Der Herr der Nähmaschinen

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Der Herr der Nähmaschinen

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    Im dafür umgebauten Wohnzimmerschrank stehen die Schönen eng in Reih und Glied, die 1887 gebaute Scherennähmaschine aus den USA neben der drei Jahre später entstandenen "Tabitha" aus England, die winzige "Hancock" neben der "Singer", das Modell von Sieper mit den Jugendstilornamenten neben dem aus der gleichen Werkstatt mit dem Weihnachtsdekor. Die um 1890 in London gefertigte "kleinste Doppelsteppstich-Nähmaschine der Welt" nimmt das Auge ebenso gefangen wie die eleganten "Berninas" aus der Schweiz. Alle sind voll funktionsfähig und stehen top im Lack. Man muss nicht Technik- oder Nähmaschinen-Freak sein, um sich für diesen musealen Schatz zu begeistern.

    Otto Landgraf hat ihn zusammengetragen und ergänzt ihn immer noch, obwohl er sich, platzbedingt, nach Umzug von seinem Bungalow in Dittelbrunn von vielen Stücken trennen musste. "Für mich", sagt der Rentner, "bedeutet meine Sammlung mehr als Aufspüren und Erwerben von Kindernähmaschinen. Das Reparieren, Komplettieren, Pflegen und Bewahren ist für mich ein Lebenselexier, sinnvolle Tätigkeit, die auch geistig beweglich hält. Eine durch Fleiß, Sachkenntnis und etwas Glück gewonnene Bandbreite einer Sammlung bringt eine Fülle von Erlebnissen, Fachwissen - und schöne Erinnerungen mit sich."

    Landgraf ist gebürtiger Schweinfurter. Er hat (bei "Star") Werkzeugmacher gelernt und war 27 Jahre Betriebsleiter bei den zuerst von Husqvarna übernommenen und später in den schwedischen Elektrolux-Konzern eingegliederten "Meister-Werken". Von 1949 bis 1984 wurden bei ihnen Nähmaschinen sowie das dazugehörende Mobiliar gebaut und verkauft. Das Ladengeschäft in der Oberen Straße, wo früher auch der Werkzeugbau von "Meister" untergebracht war, gibt es heute noch. Die ehemalige Produktion in der Niederwerrner Straße ist durch McDonalds ersetzt. Die "deutschen" Nähmaschinen werden längst in Tschechien gebaut. In Schweinfurt waren es mal 50 000 pro Jahr!

    Kindernähmaschinen hat Husqvarna-Meister übrigens nur 50 hergestellt, im Jahr 1982 mit der Seriennummer 106. Eine sehr große Rarität also.

    1000 Euro und mehr muss man für wertvolle Stücke schon hinblättern, erzählt der Sammler Landgraf. 1924 waren sie mit etwa 24 Reichsmark auch nicht eben billig. 1912 kostete eine einfache Kindernähmaschine 3,25 Mark; bei einem Stundenlohn von 40 Pfennig. Sie war eine wertvolle Anschaffung, die sich in der Regel nur "Betuchte" leisten konnten.

    Laut der Recherche Landgrafs hat es von 1880 bis 1976 in Deutschland 32 Hersteller solcher Kindernähmaschinen gegeben. Vor 1900 gebaute Exemplare sind relativ selten. Danach wurden von den großen Fabriken wie F. W. Müller in Berlin und Carl Sieper, Geroldsberg, jährlich Millionen produziert, nicht zuletzt für den Export in die USA.

    Dort werden sie gesammelt wie in Deutschland, wo es einen Verein der "Sammlerfreunde historischer Nähmaschinen." gibt. Die alle drei Monate erscheinende Zeitschrift "Der Schlingenfänger" veröffentlicht regelmäßig auch Beiträge über Kindernähmaschinen; die Sammler treffen sich einmal im Jahr zum Austausch.

    Otto Landgraf hält Vorträge und stellt seine Schätzchen, wie unlängst im Wohnstift Augustinum, erfolgreich aus. Die Frage, was aus seiner Sammlung einmal werden soll, beantwortet er mit dem Hinweis auf das Museum in Gerolzhofen, dem er bereits 200 große Nähmaschinen geschenkt hat, weil die Stadt Schweinfurt daran absolut uninteressiert gewesen sei.

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