Frauen an die Macht! Nach der Kreishandwerkerschaft mit Margit Rosentritt Ende vergangenen Jahres hat sich nun auch die Bäckerinnung Schweinfurt-Haßberge eine weibliche Führung gegeben. Die Schweinfurter Bäckermeisterin und Konditorin Heike Drescher-Ursin (47) folgt dem seit 1997 amtierenden Edgar Bernhard (72) in der Position des Obermeisters. Der muss nun wohl Obermeisterin heißen. Bei der Frühjahrsversammlung der Innung wurde Drescher-Ursin einstimmig – bei ihrer eigenen Enthaltung – gewählt.
Ihrem Vorgänger versagte am Ende seines letzten Rechenschaftsberichts die Stimme, Tränen traten in seine Augen. Die Versammlung verspürte die Besonderheit des Moments, stand geschlossen auf und applaudierte dem verdienten Funktionär. Bernhard hatte das Amt vor 15 Jahren von Otto Wirth übernommen und dessen auch schon große Fußstapfen nicht nur ausgefüllt, sondern zusätzliche Akzente gesetzt. Auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt gab es seither öffentliche Stollenwiege-Aktionen mit Prominenten (rund 120 Kilogramm Weihnachtsgebäck wurden dabei alljährlich für mildtätige Zwecke gesponsert), außerdem rief Bernhard im Jahr seines Amtsantritts auch den beliebten Herbstball der Bäckerinnung ins Leben – ein inzwischen etabliertes und hochrangiges gesellschaftliches Ereignis für Schweinfurt.
„Vielleicht werde ich das eine oder andere mal noch gebraucht; es würde mich freuen“, schloss Bernhard seinen Bericht. Er darf wohl davon ausgehen, dass ihn seine Nachfolgerin in die Pflicht nehmen wird. Denn Heike Drescher-Ursin hatte sich nicht nach dem Amt gedrängt. Vielmehr war sie erst nach einer Satzungsänderung mit Verkürzung der Amtszeit auf zwei Jahre (beschlossen bei der Herbstversammlung) bereit, die Hauptverantwortung für die Innung und deren zurzeit 61 Mitglieder zu übernehmen. Bis dato stand sie – seit 15 Jahren – als Schriftführerin ihre Frau.
Drescher-Ursins erste Amtshandlung war die Herbeiführung eines Beschlusses für die Ernennung ihres Vorgängers zum Ehrenobermeisters. Einstimmig, versteht sich: „Ich freue mich, dass ihr die Arbeit vom Edgar damit öffentlich anerkennt“, so die „Chefin“. Bernhard hatte seine ehrenamtliche Karriere bei der Innung 1960 mit der Berufung in den Gesellenprüfungsausschuss begonnen und war seither ununterbrochen für die Kollegen engagiert.
Neben der Obermeisterin wurde auch die übrige Vorstandschaft – wegen der rückläufigen Mitgliederzahl verkleinert von zwölf auf neun Vertreter – neu gewählt. Stellevertretende Obermeister sind Michael Oppel (Untersteinbach) für den Bereich Haßberge und Robert Gürsching (Gerolzhofen) für Stadt und Landkreis Schweinfurt. Inhaltlich beschäftigten sich die Bäcker – und ihr scheidender Obermeister – in der Versammlung insbesondere mit der Nachwuchsproblematik.
Die Ausbildungszahlen sind in den letzten drei Jahren extrem rückläufig (in der Schweinfurter Berufsschulklasse waren früher je Jahrgang über 20 Bäcker-Azubis, heute sind es jeweils um die zehn), die Abbrecherquote ist stark gestiegen. Die Innung ist deshalb bei Ausbildungsbörsen präsent und nimmt an der Nachwuchswerbekampagne des Bäckerhandwerks (Motto 2012: „Back dem Land ein Brot“) teil.
Leider sei die Resonanz der Schulen gering. Von über 40 angeschriebenen Bildungseinrichtungen im Innungsgebiet hätten nur sechs die kostenlosen Unterrichtsmaterialien der Bäcker angefordert. Künftig will man hier das Schulamt einschalten.
Bäckerinnung Schweinfurt-Haßberge
Neu gewählt: Obermeisterin Heike Drescher-Ursin (Schweinfurt), Stellvertreter Michael Oppel (Untersteinbach), Robert Gürsching (Gerolzhofen), Lehrlingswart Dieter Hauptmann (Schweinfurt), Schriftführer Peter Gagel (Maroldsweisach), Kassier Gerhard Götz (Schweinfurt), Beisitzer Jürgen Röhner (Aidhausen), Horst Ruß (Schweinfurt), Elisabeth Neuhäuser (Neubrunn).
Finanzen: Der Haushalt der Bäckerinnung war im Geschäftsjahr 2011 annähernd ausgeglichen. Seit Jahren wird ein Überschuss von ca. 20 000 Euro weitergereicht, das Geldvermögen beläuft sich auf ca. 50 000 Euro.
Ausbildung: Derzeit lernen in der Bäckerinnung 43 Auszubildende das Bäckerhandwerk, 78 den Beruf der Bäckereifachverkäuferin.
Betriebe: Mit 61 Bäckereien im Innungsbereich liegt der Organisationsgrad bei 90 Prozent. Neu hinzu kam im Januar Thomas Fischer (Zeil a. Main).