Fr., 2. Oktober, 19.30 Uhr, Halle 410 Karten: 45 und 36 Euro im Vorverkauf Clemens Lukas, verantwortlich für das Nachsommer-Programm, nennt ihn den Gott des Crossover, der große Glenn Gould hat ihn mit dem Lob „Play Bach is a good way to play Bach“ geadelt: Jacques Loussier. Unter dem Titel „Play Bach“ präsentierte Jacques Loussier seine verjazzten Bach-Interpretationen 1959 zum ersten Mal. Als Pionier riss der damals 25-Jährige Genregrenzen nieder, an die sich bis dahin keiner gewagt hatte. Play Bach gilt heute als eines der erfolgreichsten und tragfähigsten Experimente der jüngeren Musikgeschichte.
Mit dem improvisierenden Umgang mit jahrhundertealten Kompositionen, prägte er wesentlich das Musikgeschehen der jüngsten Zeit. Schwerpunkte im Play-Bach-Programm mit André Arpino (Schlagzeug) und Benoît Dunoyer de Segonzac (Bass) sind Interpretationen der Brandenburgischen Konzerte und des Wohltemperierten Klaviers.
Mit einem Präludium aus Johann Sebastian Bachs „Notenbüchlein für Anna Magdalena“ soll der zehnjährige Jacques Loussier seine Familie schier in den Wahnsinn getrieben haben. Bis zu fünfzigmal hintereinander spielte er das Bach-Stück auf dem Klavier – täglich! –, wobei sich schnell Abweichungen vom Original einschlichen: „Ich habe kleine Änderungen ausprobiert, das Thema umspielt“, erinnert sich Loussier.
Als er dann am Pariser Konservatorium bei Yves Nat studierte hieß es bald, der 15-Jährige besäße alles, um als Starpianist herauszuragen, wenn da nicht diese „Schwäche“ wäre, sich selbst bei Prüfungen nicht hundertprozentig an die Notenvorlage zu halten. Die Not („Ich hatte 100 Francs pro Monat, das Zimmer kostete 40, und eine Mahlzeit in der Mensa einen Franc“) zwang Loussier, in Tanzlokalen wie in Existentialistenkellern in Paris, aber auch auf Tourneen bis in die Türkei, den Nahen Osten, Südamerika und sogar ein Jahr in Kuba, Chansonsänger (darunter Charles Aznavour und Catherine Chauvage), Zigeuner- sowie Schlagerkapellen zu begleiten.
Ein Konzert des Modern Jazz Quartet in Paris, dessen Pianist John Lewis sich gerne an der europäischen Musik des 18. Jahrhunderts orientierte, gab Jacques Loussier die Bestätigung für den Weg, den er bereits eingeschlagen hatte. Während viele Jazz-Größen sich gerne von Bach inspirieren ließen, verankerte er, der aus der Klassik kommt, das Jazzidiom in seinem Bach-Spiel und hielt weitgehend an der Originalvorlage fest – ein wesentliches Merkmal Loussiers bis heute, das häufig zu Missverständnis bei den Jazzern führte.
Aus seiner kindlichen Lust am Variieren ist bald eine Passion, dann eine Profession und letztlich eine beispiellose Erfolgsgeschichte geworden. Es war im Jahr 1959, als ein junger Mann von 25 Jahren Puristen schockierte und die Jugend begeisterte: Er formte die Klangwelt Johann Sebastian Bachs und die Rhythmen des Jazz zu einer neuen Einheit. „Play Bach“ war geboren – und damit die Idee des Crossover, der Mischung verschiedener Genres, die heute längst Alltag im Musikgeschäft geworden ist.
Jacques Loussier genießt seither den Ruf eines Musikers, dessen vielseitiges Talent nicht einzuordnen ist, ein Talent, das auch zahlreiche Filmmusiken und andere Kompositionen hervorbrachte, bevor der Künstler zu seinem Trio zurückkehrte, um seine internationale Konzerttätigkeit wieder aufzunehmen. Heute, 50 Jahre nach seiner Gründung, ist das Jacques Loussier Trio weltweit in den internationalen Musikzentren zu Gast. Mehr als 3000 Konzerte und fast sieben Millionen verkaufte Tonträger machten „Play Bach“ zu einem musikalischen Phänomen, das an so unterschiedlichen Schauplätzen wie Rio, London, Berlin, Seoul, Bogota oder San Diego zu hören ist.
Nach den Adaptionen der Musik Bachs begegnet Jacques Loussier seit 1996 auch anderen Komponisten mit dieser Technik: Vivaldi, Debussy, Ravel, Satie, Beethoven und Händel standen im Mittelpunkt der Arbeit des Trios.