Runde Jubiläen sind Merkpunkte im Leben, an denen gerne Bilanz gezogen wird. Der Abiturjahrgang 1991 des Schweinfurter Olympia-Morata-Gymnasiums (OMG) nutzte das vollendete 25. Jahr nach dem erfolgreichen Schulabgang, um sich wiederzusehen, zu erinnern und zu resümieren: Wohin führte der Weg mit der Allgemeinen Hochschulreife in der Tasche?
Den jungen Frauen und Männern, die in diesen Wochen mitten in den Abiturprüfungen stecken, könnten die 43 Wiedergekehrten den Facettenreichtum des Lebens aufzeigen. Aber es genügte schon, dies einen ganzen Nachmittag und Abend lang gegenseitig zu tun: Über berufliche und familiäre Werdegänge gab es nicht weniger auszutauschen als über die gemeinsam am OMG verbrachten neun Jahre.
„Kommt die Grieser auch?“, hörte Abitreff-Organisatorin Gabi Kriese mehrfach am Samstag. Für die Alt-OMGler ist die 69-Jährige nicht die Alt-OB, sondern bleibt ihre unprominente Grieser: ihre langjährige Lehrerin für Geschichte und Englisch, die 1991 vom Gymnasium abging, um in die Politik zu gehen.
Unterricht bei der späteren OB
Im Bewusstsein, dass die Oberstudienrätin um ihre Beliebtheit wusste und souverän mit Gegenwind umgehen konnte, ging ihr Geschichte-Kurs im süffisant überspitzten Abi-zeitungs-Jargon mit ihr ins Gericht: „Sie hielt uns jedenfalls für unmündige Kinder und ,drohte' uns mehrmals damit, uns das Wahlrecht zu entziehen. Zu ihrem Bedauern fehlte ihr dazu der nötige Einfluss.“
Sie war „hart, aber fair“, lautet das Gesamturteil, mit dem ihre Schüler von damals die diskussionsfreudige Blondine bis heute etikettieren. Ihr missionarischer Eifer als Pädagogin wie ihre menschelnde Geradlinigkeit rang den 94 Abiturienten gleichsam Ehrfurcht wie Sympathie ab.
Und nein, sie kam nicht: Die Alt-OB entschuldigte ihre Abwesenheit beim Abitreffen schriftlich. Ebenso wie vier andere der 60 eingeladenen Lehrkräfte, von denen die Mehrheit längst in Pension ist. Immerhin zwei waren zur Jubiläums-Abifeier erschienen und wurden mit großem Hallo begrüßt.
Gute Vorbilder müssen die Lehrer wohl gewesen sein, denn der Lehrer- und Pädagogen-Anteil unter den '91er-Abiturienten ist beachtlich. Die akademische Laufbahn war schließlich vorgezeichnet und eröffnet.
Die Berufsvielfalt der einst 90 Frauen und vier Männer zieht sich durch diverse Branchen: Aus dem des Abi-Jahrgang 1991 gingen Ärzte, Apotheker, Architekten, Grafik-Designer, Journalisten, Rechtsanwälte, IT-Fachleute, Pferdetrainer, Fremdsprachen-Korrespondenten, Dolmetscher, Bibliothekare und Krankenschwestern hervor. In Zahnmedizin und Psychologie wurde promoviert. Eine Handvoll Auswanderer zog es in europäische Nachbarländer (Österreich, Schweiz, Belgien) und sogar bis in die USA und nach Chile. Liebevoll gedachte man auch der beiden Mitschülerinnen, die zwischenzeitlich der Tod durch Unfall beziehungsweise Krebs ereilt hatte.
Über 90 Kinder bekommen
Konsequent vermehrt hat sich der Jahrgang 1991 durch seine Kinder: Über 90 sind es mittlerweile. Eine der ältesten wurde 1996 geboren, war am OMG und studiert – ganz wie die Mama – Lehramt. Das jüngste Jahrgangsbaby ist noch keine Woche alt: Architekt Markus Stürzenberger freut sich seit Freitag über Stammhalter Elias.
Dazwischen rangieren jene, die gerade über den G8-Abiprüfungen sitzen oder auch erst in die Gymnasial-Laufbahn einschwenken: Für Viertklässler ist gerade Anmeldewoche an ihren künftigen Lehranstalten. Deren Eltern durchleben ihre Gymnasialzeit in der Erinnerung wohl ebenso wieder wie die 43 OMGler am Samstag: Schulleiterin Edith Kaminski lud zur Schulhausführung ein.
Überraschend viel ist „noch genauso wie damals“, war aus dem Geschnatter der Truppe ein ums andere Mal herauszuhören. Markante Gerüche in der Schulküche, das Interieur der Toiletten und der holzdominierte Musiksaal zum Beispiel. Die Veränderungen wurden durchweg gelobt: modernisierte Fenster, Türen und Böden, die digitale Ausstattung, Bibliothek, Mensa, der Essensverkauf sowie die freundlichere und kindgerechtere Raumgestaltung.
Wieder mal die Schulbank drücken: Mehrfach entwickelte die Schulhausführung Eigendynamik. So wurde das Probesitzen auf den alten Holzklappstuhl-Reihen des Physiksaals zum Gruppenfoto-Motiv. Der magnetischen Anziehungskraft „ihres“ einstigen Übungsschlagzeugs erlag eine der Rundgängerinnen und haute ein paar Takte Rhythmus ins Trommelfell.
Ja, im OMG saßen die Damen an den Drums, zupften den Bass, schrubbten die Gitarrensaiten. Die 1991-er Abiturienten waren erst der zweite Jahrgang, in dem die einstige Mädchenschule auch Burschen hatte.
Zweiter Jahrgang mit Jungs
Warum, warum nur bist Du als Junge ausgerechnet ans OMG gegangen? „Ich wollte schlichtweg der ,Hahn im Korb' sein“, gibt einer der „Hähne“ zwinkernd zu.
Markus Stürzenberger war der großen Schwester ans Lyzeum gefolgt: „Zunächst war ich natürlich nervös und skeptisch: sooo viele Mädchen auf einem Haufen, jeden Tag! Das legte sich aber schnell. Wir Jungs genossen unser Exoten-Dasein. Wie an jeder Schule bildeten sich Cliquen – bei uns waren diese allerdings ausschließlich Mädchencliquen und pro Jahrgang eben eine gemischte mit Jungs. Der Neid der benachbarten Rathenau-Jungs war offensichtlich.
Unser Hausmeister kannte natürlich jeden seiner Jungs und verwies Externe augenblicklich des Geländes. Das hatte schon was Elitäres, zumindest für das männliche Geschlecht.“ Vorzugsbehandlung für die Jungen habe es aber nicht gegeben, schwört der 44-Jährige.
Das Klischee Mädchenschule hat das OMG übrigens bis heute nicht wirklich abschütteln können: Im ersten Facebook-Post zur Abifeier amüsiert sich der Wirt, bei dem die Feier am Samstag ihren kulinarischen Höhepunkt und Ausklang erlebte, auf seiner Fanpage über den eklatant hohen Anteil an Saftschorle-Bestellungen. Nur die „coolen Mädchen“ hätten Aperol bestellt – und der Lehrer „ein Helles“.
Über die neuen Kommunikationswege wurden auch schnell alte Kontakte neu geknüpft, und so wimmelte es wenig später im WorldWideWeb von Handyfotos und Selfies des Abi‘91-Wiedersehens.