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SCHWEINFURT: Die allerletzte Performance

SCHWEINFURT

Die allerletzte Performance

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    Albert Birkle, „Einzug in Österreich“, 1940, aus der Sammlung Hierling. Über Hitler schwebt der Tod.
    Albert Birkle, „Einzug in Österreich“, 1940, aus der Sammlung Hierling. Über Hitler schwebt der Tod. Foto: Foto: Museen und Galerien der Stadt

    Marina Abramovic plant selbst ihre eigene Beerdigung als Performance: Zeitgleich mit ihrem Leichnam sollen zwei Verstorbene bestattet werden, in Belgrad, Amsterdam und New York. Niemand soll wissen, in welchem Grab die Performancekünstlerin liegt. Dagegen mutet der Spazierstock mit Totenkopf-Knauf von Maler Markus Lüpertz geradezu normal an, vor allem in Zeiten, in denen es Baby-Schlafanzüge mit Totenkopf-Muster gibt. Mit Lüpertz und Abramovic stieg Erich Schneider, Leiter der Kunsthalle, in seinen Vortrag über „Leben und Tod in der bildenden Kunst“ ein.

    Etwa eine Stunde dauerte sein spannender Ritt durch die Kunstgeschichte vom Mittelalter bis heute – mit Schwerpunkt auf Werken aus der Sammlung Joseph Hierling im Tiefparterre der Kunsthalle, wo der Vortrag auch stattfand. Bei vielen Bildern – per Projektion an die Wand geworfen – hätte sich ein längeres Verweilen gelohnt, aber Schneider nahm sich den Musikphilosophen Reger zu Herzen, der behauptet hatte, „Kunsthistoriker schwätzen so lange über die Kunst, bis sie sie zu Tode geschwätzt haben“.

    „Wie alt schätzen Sie diese Frau“, fragte Schneider und zeigte „Dürers Mutter“ von 1514, eine sehr ehrliche und berührende Porträtzeichnung der 63-jährigen, verhärmten Frau, die sehr viel älter aussieht als Frauen in diesem Alter heute. Bei Hans Baldung, genannt Grien, begehrt der Tod von einer reifen Schönheit den letzten Kuss, auf einem anderen Gemälde zerrt er ein junges nacktes Mädchen an den Haaren in den Abgrund. Der Tod also als schrecklicher Liebhaber, sagte Schneider und verwies auf Novalis, der von des „Todes Entzückungen“ sprach und damit auf die volkstümliche Vorstellung vom Orgasmus als dem kleinen Tod anspielte.

    Überspringen wir die Barockzeit und machen weiter bei Francisco de Goya und seinen extrem grausamen und detaillierten Darstellungen vom Sterben. Eine Zeichnung aus den späten 1770er Jahren zeigt einen mit dem Würgeeisen „Erdrosselten“, dessen nackte Füße sich im Todeskampf verkrampft haben. Wer einmal Géricaults „Floß der Medusa“ gesehen hat, vergisst nicht die Verzweiflung und Todesangst in den Gesichtern der Überlebenden eines Schiffbruchs. Natürlich durfte Arnold Böcklins „Toteninsel“ nicht fehlen, bevor sich Erich Schneider einigen Bildern aus der Sammlung Hierling zuwandte.

    „Die Künstler haben mindestens einen Weltkrieg, meist als Soldat, erlebt und dabei dem Tod mehr als einmal ins Auge gesehen“, schickte der Kunsthistoriker voraus. Sehr beeindruckend Albert Birkles Zeichnung „Einzug in Österreich“, entstanden zwischen 1940 und 1944. Von jubelnden Massen begrüßt, fährt Hitler im offenen Wagen. Keiner bemerkt offenbar den stahlhelmbewehrten Tod auf seiner Schindmähre. Die tiefen Spuren, die die beiden Weltkriege bei den Überlebenden hinterließen, zeigen sich in einigen Selbstbildnissen. Adolf Büger beispielsweise war von den Nazis verfemt, sein Atelier wurde zerstört. 1947 entstand sein „Selbstbildnis mit Stirnverband“. Bei Emil Scheibe scheint die „Alte Frau in der Küche“ leise mit dem Raum verschmelzend aus dem Leben zu verschwinden.

    Erich Schneider erinnerte daran, dass in der Barockzeit der Tod Teil des Alltags war. Mit Darstellungen in Miniaturformat, so genannten Tödlein, erinnerte man sich an die eigene Vergänglichkeit. Heute habe der Jugendwahn die Auseinandersetzung mit Alter, Krankheit und Tod weitgehend aus dem Alltag verbannt. Die Palliativstation von St. Josef bringt mit einem umfangreichen Begleitprogramm zum zehnjährigen Bestehen, zu dem auch dieser Vortrag gehörte, das Thema in die Öffentlichkeit.

    Zehn Jahre Palliativstation

    Noch sechs weitere Veranstaltungen stehen im Begleitprogramm aus Anlass „Zehn Jahre Palliativstation“ in St. Josef.

    5. Februar, 17 Uhr, Improvisationstheater WildWechsel, Disharmonie.

    8. Februar, 18 Uhr, „Sterben ganzheitlich begleiten zuhause“, Vortrag von Dr. Christine Freitag, Bürgerhaus Schwebheim.

    9. Februar, 18 Uhr, Gesprächsrunde zum Umgang mit Krankheit und Sterben, Cafeteria St. Josef.

    1. März, 17 Uhr, Eröffnung der Ausstellung „Gemeinsam gehen“, Rathausdiele mit Buchausstellung in der Stadtbücherei.

    5. März, 19 Uhr, Perspektiven der Palliativmedizin, Vortrag von Dr. Susanne Röder, Palliativstation.

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