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SCHWEINFURT: Die Erinnerung wach halten

SCHWEINFURT

Die Erinnerung wach halten

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    Leonardo Calossi (96) war von 1943 bis 1945 Zwangsarbeiter bei Kugelfischer in Schweinfurt und davor im Kugelfischer-Auslagerungswerk Landeshut in Schlesien. Im Frühjahr 2003 sind seine „Anmerkungen zu einer Internierung in Deutschland“ von 1987 auch in deutscher Fassung erschienen. Sein und das Schicksal vieler Leidensgenossen sind Kern des Buches. Neben seinem Lebensbericht enthält es Aufsätze, die sich beispielsweise mit dem Grund für die gezielte Bombardierung von Schweinfurt, der daraus resultierenden Auslagerungen der Wälzlagerproduktion und der Rolle der italienischen Militär-Internierten beschäftigen. In Schweinfurt weilte Calossi bei der Buchpräsentation im Jahr 2003 auf Einladung der Initiative gegen das Vergessen, die auch die Buchveröffentlichung ermöglicht hatte. Initiativensprecher Klaus Hofmann hat Calossi jetzt in Florenz besucht und im Auftrag dieser Zeitung die Fragen gestellt.

    Wie geht es Ihnen, Herr Calossi. Immerhin sind Sie bereits 96 Jahre alt?

    Calossi: Gesundheitlich hatte ich letztes Jahr stark mit Arthritis zu kämpfen, was zwar etwas besser geworden ist, mich aber weiter stark belastet. Geistig geht es mir gut und ich beschäftige mich mit vielen Dingen.

    Sie betätigen sich immer noch als Schriftsteller. Ist Ihr geplanter Roman über die Geschichte der Familie schon fertig?

    Calossi: Ich schreibe parallel verschiedene Sachen. Ich habe zwei Romane angefangen, bin an zwei Erzählungen aus der Gegend meines Heimatdorfes und schreibe Gedichte, die ich in einem Gedichtband veröffentlichten möchte. Die Gedichte handeln vor allem über Natur und das Erleben in der Natur. Ich schreibe aber nicht jeden Tag, sondern ab und zu, wenn mir etwas eingefallen ist oder ich Anregungen habe. Die Veröffentlichung ist abhängig davon, ob ich einen Verleger finde.

    Die Initiative gegen das Vergessen will an einigen Standorten in Schweinfurt, an denen sich Zwangsarbeiterlager befanden, Hinweistafeln aufzustellen. Eine davon soll Informationen über Ihr Schicksal beinhalten. Dazu will die Initiative ehemalige Zwangsarbeiter einladen. Würden Sie noch einmal nach Schweinfurt kommen?

    Calossi: Das kommt auf meinen Gesundheitszustand an. Wenn ich dazu eingeladen werde und es mir möglich ist, würde ich mich sehr geehrt fühlen und gerne kommen. In ein paar Jahren werden Menschen wie ich, die die Grausamkeiten und Verbrechen der Nazis erleben mussten, ja nicht mehr leben.

    Sollte diese Zeit als Episode in der Geschichte nun zu den Akten gelegt werden wie andere Zeitereignisse?

    Calossi: Nein. Ich finde es ganz wichtig, die Erinnerung weiterhin wach zu halten. Es ist wichtig, dass man Orte der Erinnerung hat, auch wenn die Betroffenen nicht mehr leben. Dazu ist es nötig, dass sich Menschen engagieren, wie zum Beispiel die Schweinfurter Initiative.

    Was ist die Botschaft eines 96-Jährigen mit diesem Schicksal?

    Calossi: Der Mensch hat in 2000 Jahren trotz der Friedensbotschaft keine bessere Situation geschaffen. Im Gegenteil: Was täglich auf der Welt passiert, wird immer schlimmer. Das Schlimmste ist der Krieg, der Menschen zerstört und in Not und Elend drückt. Mein Wunsch wäre, endlich friedliche Zustände zu erreichen. In meinem Leben habe ich auch in Bezug auf die schlimmen Jahre in Deutschland nie Bitternis oder Hass gespürt. Dafür bin ich nicht der Mensch. Aber die Menschen müssen dafür eintreten, friedlich miteinander auszukommen und ein besseres Leben zu erreichen. Gerade, weil heutzutage wieder neue nationalsozialistische Gruppen existieren, ist fortlaufende Erinnerung an diese schlimme Zeit notwendig.

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