Auf den Wirtschaftswegen westlich von Herlheim rollen im Fünf-Minuten-Takt Lastkraftwagen. Kalte Regenschauer peitschen über das flache Land, die Temperatur liegt um den Gefrierpunkt. Felder und Wege sind nass und schlammig. Dann kommt auch noch der frühe Schnee. Jetzt, zur unwirtlichsten Zeit draußen, geht die Zuckerrübenkampagne ihrem Höhepunkt entgegen.
Überall im Steigerwaldvorland liegen noch hoch aufgetürmte Rübenmieten auf den Feldern. Doch von Tag zu Tag werden sie weniger. Denn die riesigen Lademäuse sind jetzt unterwegs, um die Zuckerrüben vom Acker hinauf auf die grünen 25-Tonner-Laster zu schaufeln, die alle nur ein Ziel haben: die Zuckerfabrik in Ochsenfurt.
Der Weg der Zuckerrübe vom Feld in die Fabrik hat sich radikal geändert. Den Landwirt, der im Spätherbst bei Nebel und Dunkelheit seine Rüben mit dem oft schlecht beleuchteten Traktor mit zwei Hängern nach Ochsenfurt oder noch früher nach Zeil kutschierte, gibt es seit zwei Jahren nicht mehr. Viele Landwirte haben sich jetzt Genossenschaften angeschlossen, die sich die für den Abtransport nötigen Maschinen und Fahrzeuge selbst gemeinschaftlich zulegen oder mieten.
Von Hof bis zum Main
Eine solche Organisation ist die Landwirtschaftliche Maschinengemeinschaft für Zuckerrübenanbauer Zeil-Ost (LMZ), deren Vorsitzender Michael Glos jun. aus Neuses am Sand ist. Schon im August fragt die Südzucker AG die Landwirte reihum ab, wo ihre Felder mit Zuckerrüben liegen. Aus diesen Daten erstellt der Abnehmer dann einen minutiösen Plan für die Lademaus, die pro Rübensaison sich zweimal durch das ganze LMZ-Gebiet arbeitet, um die Mieten einzusammeln. Das Gebiet der LMZ reicht von Hof über Altdorf bei Nürnberg bis in den Landkreis Haßberge und im Westen in die Region zwischen Main und Steigerwald.
Der Landwirt wird über den Abfuhrtermin informiert und rodet seine Rüben zwei bis vier Tage davor. Ab Mitte Oktober wird auf Vorrat gerodet. Die Mieten liegen dann maximal acht bis zehn Wochen draußen.
Seit dem 18. September, so Ernst Merz, der Leiter der Rübenabteilung bei Südzucker, dampft der weithin sichtbare Schlot der Ochsenfurter Zuckerfabrik wieder. Bis zum 2. Januar soll die Kampagne 2010 dann gelaufen sein.
Zuckerrübenreinigungslader
Einen großen Fortschritt bei der Rübenernte bringt die Lademaus. Im „Amtsdeutsch“ ist ihre Bezeichnung genauso monströs wie ihre Erscheinung: Zuckerrübenreinigungslader heißt sie offiziell. Das heißt, die Maschine lädt nicht nur, sondern reinigt die Rübe auch von Erdklumpen. Maximal acht Prozent Erde hängt noch an den Rüben, wenn sie in Ochsenfurt ankommen. „Vor 20 Jahren waren es noch 15“, sagt Merz. Das erspart nicht nur Zusatzarbeit in der Fabrik, sondern es bleibt auch der wertvolle Ackerboden dort, wo er hingehört: auf dem Feld.
Die LMZ stellt die 25-Tonner für den Transport, den der Landwirt in der Region über den Maschinenring Gerolzhofen oder Haßgau bucht. Dazu gehört auch der geschulte Fahrer. Die Maschinenringe übernehmen zusätzlich die Abrechnung mit den Landwirten, berichtet Michael Mikus seitens des Maschinenrings Gerolzhofen. Dort kann der Landwirt auch seine Sorgen und Nöte anbringen, wenn etwas mal nicht klappt. Mikus schmunzelt: „Wir werden schon als Rübenseelsorger tituliert.“
Sieben Lkw pro Stunde
Zurzeit sind 20 Auflieger für den Rübentransport im Einsatz. Einige davon hat die LMZ selbst angemietet. Die Technik gehört zwar der Genossenschaft LMZ, aber im Grunde transportiert der Bauer seine Rüben noch selber, denn er mietet das Fahrzeug ja nur, erklärt Michael Glos. Rund 70 Prozent der Rübenbauer, das sind etwa 1100, nutzen den gemeinschaftlichen Fuhrpark.
„Das funktioniert sehr gut“, lobt Ernst Merz. Die große, gelbe Lademaus schafft sechs bis sieben Lkw-Fuhren mit je 25 Tonnen in der Stunde. Die Maus ist rund um die Uhr unterwegs, denn die Zuckerfabrik braucht während der Kampagne jeden Tag 24 Stunden lang „Futter“. Wenn die Rüben dort ankommen, wird erst einmal der Zuckergehalt und die „innere Qualität“ gemessen, erzählt Ernst Merz. Den Preis, den die Bauern bekommen, setzt die EU-Marktordnung fest. Er richtet sich zu 70 Prozent nach der Masse, zu 30 Prozent nach der Qualität.
Von der Menge her, so berichtet Ernst Merz, war 2010 nach 2009 das ertragreichste Jahr überhaupt. 76,6 Tonnen pro Hektar betrug der durchschnittliche Ertrag in Franken. Dafür war der Zuckergehalt niedriger: Während der langjährige Durchschnitt bei 18,4 Prozent liegt, brachte es der Rüben-Jahrgang 2010 nur auf 17,5 Prozent. Merz führt das auf den verregneten August zurück, als die Zuckerbildung stagnierte.
Behinderungen im Straßenverkehr
Heuer wird die LMZ rund 300 000 Tonnen Rüben abtransportieren, schätzt Michael Glos. Auch für ihn ist klar, dass dadurch im Straßenverkehr Einschränkungen für andere Verkehrsteilnehmer entstehen. So gab es bereits Proteste gegen die durchrollenden Transporte auf der B 22 in Stadelschwarzach (wir berichteten). „Die Leute sollten sich mal überlegen, wie es früher war, als noch ganze Kolonnen von Traktoren Richtung Zeil und Ochsenfurt unterwegs waren“, bittet Glos hier um etwas mehr Verständnis.