Als Fahrschüler – ich fuhr täglich mit dem „Steigerwaldexpress“ nach Schweinfurt – kam ich immer stärker mit der Technik in Berührung. Bei Ankunft hielt fast zeitgleich auf dem Gegengleis der D-Zug Würzburg-Bamberg. Dieser wurde gezogen von einer Lokomotive der Baureihe 01 – ein ästhetischer Genuss.
Die über zwei Meter hohen Räder, deren Lager nach dem Halt vom Lokführer geölt oder geschmiert wurden, waren ein weihevoller Anblick, der seinen Höhepunkt erreichte, wenn sich das Gefährt dann mit viel Dampf wieder in Bewegung setzte. Das Spiel der Gestänge, die unter anderem die wechselseitige Dampfzufuhr in die Zylinder regelten und die Kraft auf die Räder übertrugen, waren „Technik – ganz anschaulich“. Von dieser Anschaulichkeit blieb bei den später eingesetzten Diesellokomotiven und heutigen E-Loks herzlich wenig übrig.
Offener Aufzug im „Kroneneck“
Ein weiterer technischer Anziehungspunkt waren für uns Schüler zum einen der offene Aufzug im Kaufhaus „Kroneneck“, den wir gar nicht oft genug hinauf und hinunter fahren konnten, und zum anderen die erste Rolltreppe in Schweinfurt im Kaufhaus „Kretzschmar“. Da ging's die Rolltreppe hinauf und die Normaltreppe wieder hinunter, und dies so oft wie möglich.
Vor allem bei der Bautechnik gab es viel zu bestaunen. Da war das Glasfenster der St.-Kilianskirche – damals das größte Fenster Europas – das nicht nur aufgrund seiner Konstruktion, sondern auch wegen seiner künstlerischen Gestaltung sehr beeindruckend war. Da war die Großbaustelle neue Maxbrücke, die sich im Freivorbau stückweise auf die Auflager an den beiden Ufern zuschob. Und schließlich machte sich langsam der neue Rhein-Main-Donau-Kanal durch seine ersten Tiefbauarbeiten bemerkbar. Dieser Kanalbau ließ Trommelwehr und Floßgasse leider verschwinden. Heute noch gibt es für mich fast nichts Anschaulicheres als Bautechnik. Sie ist faszinierend und spielt sich vor großem Publikum ab.
Kegelaufsteller und Hilfskellner
Um das immer knappe Taschengeld etwas aufzubessern, ging ich während dieser Zeit verschiedenen Tätigkeiten nach. Ich arbeitete als Kegelaufsteller – automatische Kegelanlagen gab es damals Gott sei Dank noch nicht –, als Aushilfskellner bei Dorffesten und als Verkehrszähler, wenn wieder einmal die wachsende Verkehrsdichte ermittelt und eine Prognose erstellt werden sollte. Mit zunehmendem Alter und Schulwissen gab ich dann in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern Nachhilfeunterricht.
Zur Person
Anton Bayer Bayer kam 1946 als Sechsjähriger mit seiner Mutter aus Klemensdorf (Tschechien) nach Gochsheim. Dort besuchte er die Volksschule, dann die Oberrealschule in Schweinfurt, studierte nach dem Abitur Physik, promovierte, wurde Professor an der Uni Karlsruhe. Er ist verheiratet, Vater zweier Kinder und heute im Ruhestand. In unserer siebenteiligen Serie erinnert er sich an „Mein Leben neben der Schule“ – in den Fünfzigerjahren.