Theaterpädagogik als unterstützendes Element in der modernen Krankenpflege – das gibt es schon. Umgekehrt ist das Thema Pflege als Handlungsinhalt auf der Bühne noch so gut wie nicht angekommen. Das wird jetzt anders. „Nach der Stille – oder was geschah, als Frau Rosenthal starb?“ heißt der dramatische Erstling, den die Gerolzhöfer Schauspielerin Amelie E. T. Auer geschrieben hat. Und nicht nur das: Die 27-Jährige setzt ihr Stück im Theater Sommerhaus in Sommerhausen als Regisseurin auch selbst in Szene.
Der Ablauf ist so faszinierend wie skurril. Eine Enkelin lebt mit ihrer dementen Oma zusammen, die ständige Pflege braucht. Nach vielen weiblichen kommt zum ersten Mal ein männlicher Pfleger ans Krankenbett. Enkelin und Pfleger mühen sich redlich um Frau Rosenthal und kommen sich dabei näher. Wie nahe, verrät die Autorin nicht, es ist auch nicht so wichtig. Der Realismus schlägt unversehens ins Skurrile um: Als die alte Dame stirbt, pflegen die beiden sie trotzdem weiter. Die Tote ist das Bindeglied, das Enkelin und Pfleger über den Tod hinaus zusammenhält.
Am Anfang waren Bilder
Die Entstehung des Stücks fing mit Bildern an. Aus Bildern wurden einzelne Szenen, Charaktere kamen dazu. Die Bilder kreisten lange im Kopf von Amelie Auer. Dann quartierte sie sich bei ihrer Mutter Petra Auer in Gerolzhofen ein und schrieb das Stück in einem Zug herunter. Das dauerte nur zwei Wochen. Eine Schreibblockade hat es dabei nie gegeben.
Das Gastspiel bei der Mutter hat seinen Grund. Petra Auer betreibt nämlich einen Pflegedienst in Gerolzhofen und die Autorin holte sich viele Anregungen bei ihr, um die Pflege der alten Dame im Stück möglichst authentisch erscheinen zu lassen. „Menschen pflegen zu dürfen, ist etwas Besonderes, Intimes, auch Ehrliches und Gefühlvolles“, sagt Amelie Auer zu ihrer Themenwahl. Sie selbst hat schon einige Erfahrung im Umgang mit Behinderten gesammelt.
Die Rollen haben sich schon während des Schreibens dauernd geändert. Und nicht nur da, sondern auch bei der Umsetzung auf der Bühne. Amelie Auer ist den Rollen sozusagen hinterhergelaufen. Die Charaktere entstanden dreimal – erst im Kopf, dann auf dem Papier, schließlich während der intensiven Proben auf der Bühne. Dann galt es Schauspieler auszuwählen, die diese Rollen spielen können. Jens Gärtner wird den Pfleger, Katharina Ries die Enkelin spielen. Den leichtesten Part hat Franziska Wirth. Sie muss nur im Bett liegen und braucht kein einziges Wort zu sagen.
Bei der Inszenierung hat Amelie Auer großen Wert darauf gelegt, dass es keine Blacks, keine Unterbrechungen ohne Inhalt gibt. So fließen zwischen die szenischen Übergänge choreografische Teile mit Musik, die das Thema wachhalten sollen. „Der Zuschauer ist immer da, er soll nicht abschalten.“ Amelie Auer schreibt und liest grundsätzlich viel. Sie liebt die Klassiker, die in metrisch gebundener Sprache schreiben. Sprache ist für sie gar nicht hoch genug einzuschätzen. „Für mich ist es das Schrecklichste, wenn Sprache unbedacht benutzt wird“, sagt die junge Frau.
Was Amelie Auer bis jetzt literarisch produzierte, blieb immer nur ihrem Bruder Christoph zum Lesen vorbehalten. Der hat ihr auch beim Bühnenbild und bei der Gestaltung des Flyers geholfen. „Nun gehe ich zum ersten Mal raus mit dem, was ich schreibe“, sagt die Autorin. Natürlich ist sie gespannt auf Reaktionen.
Sommerhaus–Leiterin Brigitte Obermeier hat die Nachwuchs-Autorin schon immer gefördert. So ist Amelie Auer jetzt auch ist die erste, die sich und ihr Stück im neu gegründeten Sommerhaus-Labor ausprobieren darf.
Zu sehen ist „Nach der Stille“ noch am Dienstag, 20., Donnerstag, 22., Dienstag, 27., und Donnerstag, 29. November. Infos/Karten: Tel. (0 93 33) 904 98 67.