"So halte ich es für die Pflicht des Erziehers, das aufstrebende Genie des Mädchens zurückzudrücken und auf alle Weise zu verhindern, dass es selbst die Größe seiner Anlage nicht bemerke." So steht es in einer Anleitung für Hauslehrer aus dem 18. Jahrhundert und so widerfuhr es vielen Frauen. Dennoch lässt sich Genie nicht "zurückdrücken".
Dass Frauen auch als Komponistinnen durchaus Genie bewiesen, zeigt ein Dokumentarfilm, der im KuK lief und nach dem eine kleine Zuschauerschar sehr angeregt und ausführlich mit den beiden Regisseuren diskutierte. Es war die Pianistin Kyra Steckeweh, der eines Tages auffiel, dass sie eigentlich immer nur klassische Musik von Männern spielte. Sie begann nach Stücken von Komponistinnen zu suchen und war schier erschlagen von der Anzahl der Kompositionen, die es da gab.
Stücke von Komponistinnen werden selten gespielt
"Die Musikforschung hatte die Komponistinnen längst auf dem Schirm, aber deren Musik hat es nicht in die Konzertsäle geschafft", erklärte sie. Mit der Qualität der Stücke habe dies allerdings nichts zu tun, eher mit dem Publikum, das gerade bei Klassik eher konservativ sei und immer das Altbekannte hören wolle. Und so sei unter den meistgespielten einhundert Komponisten keine einzige Frau.
Steckeweh wollte aber mehr als nur die Stücke spielen, sie wollte den Frauen ein Gesicht geben und fand im Filmemacher Tim van Beverem den richtigen Partner. Der dachte zunächst nur an fünfminütige Videoclips. "Aber dann kam der Journalist in mir zu Tage, ich merkte, da ist viel mehr drin, tolle Frauen, tolle Schicksale", erzählte van Beverem. Gemeinsam entstand der Film "Komponistinnen", der die Lebenswege von Mel Bonis (1858-1937), Lili Boulanger (1893-1918), Fanny Hensel (1805-1847) und Emilie Mayer (1812-1883) nachzeichnet.
Ein beeindruckender Film, der Einblick auch in die Zeit des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gibt. Die beiden begaben sich auf Spurensuche und verknüpften immer wieder die Schicksale der Musikerinnen miteinander und mit dem Zeitgeschehen, so dass keine Minute Langeweile aufkam. Zudem spiegelten sich die Befindlichkeiten der Komponistinnen in deren immer wieder zu hörenden Musikstücken, mit denen Steckeweh am Flügel den Film bereicherte. Die Klavieraufnahmen für diesen Film entstanden im Kloster Wechterswinkel bei Bad Neustadt.
Widerstände erlebt, nur weil sie Frauen waren
Alle diese Frauen erlebten Widerstände, nur weil sie Frauen waren, stellten die Filmemacher fest. Steckeweh selbst baut inzwischen in jedes ihrer Konzerte Stücke von Komponistinnen ein. Es sei das Thema unserer Zeit, patriarchale Strukturen aufzubrechen, betonte sie. Und auch van Beverem erklärte: "Durch die Beschäftigung mit den Biografien dieser vier höchst unterschiedlichen Frauen wurde mir schlagartig klar, wie sehr doch bis heute unsere Wahrnehmung immer noch patriarchal geprägt ist."
"Faszinierend" fand eine Zuschauerin, dass Steckeweh den Frauen nicht nur musikalisch ein Denkmal setzte, sondern den Weg des Films gegangen ist. "Die Musik geht ans Innerste", stellte sie fest. Aber auch die Dokumentation über die vier Komponistinnen berührt. Ein sehenswertes Werk, das am kommenden Sonntag 14. April um 14.30 Uhr noch einmal im KuK zu sehen sein wird. Chefin Diana Schmelzer bietet auch Schulvorstellungen an.
Steckeweh und van Beverem aber wollen weitermachen. Ihr nächstes Filmprojekt widmet sich einer Zeitgenossin Mozarts und der ersten Kapellmeisterin.