Was Peer da gerade auf dem Computerbildschirm konstruiert, sieht wie ein Schiff, nein, eher schon wie ein Flugzeugträger aus. Bei Lukas entsteht eine gelbbraune Rakete samt Startrampe, Konrad hat sich für einen Hot-Dog entschieden. Die Siebtklässler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums sind Teilnehmer des Wahlkurses 3D-Druck, den das AvH seit diesem Schuljahr anbietet.
Wer den Schülerinnen und Schülern bei ihren kreativen Entwürfen über die Schulter schaut, muss sie nicht mal nach ihren Namen Fragen, denn sie arbeiten gerade an Namensschildern. Demzufolge wird die Rakete Lukas heißen, der Mini-Flugzeugträger "Peer" wird im 3D-Drucker entstehen, und zwischen zwei Plastik-Brötchenhälften wird demnächst Konrad zu lesen sein.

Studienrat Benedikt Friedrich, für Mathe und Physik zuständig, betreut die Wahlkurse, die für die teilnehmenden Siebtklässler jeweils ein halbes Jahr dauern und zwei Wochenstunden umfassen. Rund 20 Schüler – auch drei Mädchen sind dabei – haben sich an diesem Montagnachmittag im Computerraum eingefunden, um sich in die Grundlagen der 3D-Drucktechnik einführen zu lassen.
Erfahrungen als "Lehrer in der Industrie"
Schon seit 2015 besitzt das Humboldt einen 3D-Drucker. Der wurde hin und wieder genutzt, um zum Beispiel Bauteilchen herzustellen, die für das Formel 1-in der Schule-Projekt gebraucht wurden. Seit Studienrat Benedikt Friedrich die Gelegenheit hatte als "Lehrer in der Industrie" ein Jahr bei ZF mitzuarbeiten, werden die 3D-Drucker – ein zweiter im Wert von etwa 2500 Euro wurde inzwischen angeschafft – zielgerichtet eingesetzt. Als "Lehrer in der Industrie " für ein Jahr freigestellt, ein Privileg das nur zehn Lehrkräften pro Jahr und nur in Bayern gewährt wird, hat Friedrich reichlich Erfahrungen sammeln können mit der Industrie 4.0 und ihrer ständig wachsenden Bedeutung für die Arbeitswelt.
Neue Erfahrungen dank kreativer Experimente
Zurück aus dem Zentrallabor bei ZF wurde die Idee, dieses Wissen den Schülern zugänglich zu machen, durch die Wahlkurse 3D-Druck, in die Tat umgesetzt. Noch steckt der 3D-Druck sozusagen in den Kinderschuhen, aber beinahe täglich erschließen sich neue Anwendungsbereiche. Noch sind es Namensschilder, Handy- und Brillenhalterungen oder kleine Plastikautos, die man auch in ein "Überraschungs-Ei" stecken könnte. Doch die Industrie experimentiert mit wachsendem Erfolg an hochkomplexen Bauteilen zum Beispiel für den medizinischen Bereich.

Mussten Architekten einst mit viel Zeitaufwand Modelle per Hand fertigen, könnten diese schon bald als 3D-Modelle entstehen. In Maschinenbau und Fertigung, Medizin und Forschung oder ganz einfach im Konsumgüterbereich werden die leichten und gleichzeitig hochfesten 3D-Produkte schon bald eine wichtige Rolle spielen.
3D-Druck wird in vielen Berufen zu finden sein
Nicht nur jene Siebtklässler von heute, die sich einst der vielfältigen Welt der Ingenieurberufe zuwenden werden, dürften also in ihrem Berufsleben Kontakt mit dem 3D-Druck haben. Der 3D-Druck kehrt sozusagen die Verhältnisse um. Wurde bisher von einem Werkstück immer mittels Fräsen, Drehen oder Schaben Material abgenommen, entsteht nun ein Teil, indem es passgenau und ohne Materialverlust Schicht für Schicht aufeinandergelegt wird. 0,1 Millimeter dick ist so eine Schicht, eine 0,3 Millimeter-Düse spritzt das auf 200 Grad erhitzte PLA (so heißt der Kunststoff) auf das Werkstück.
Konstruktion im Koordinatensystem
Was die Schüler auf ihren Rechnern entwerfen, wird mittels moderner CAD-Konstruktionsprogramme für den Drucker lesbar gemacht und dann als Druckauftrag auf den Weg gebracht. Mathematisch gesehen simuliert der Bildschirm ein Koordinatensystem, das 1:1 übertragen so auch im 3D-Drucker angelegt ist. Durch die Positionierung auf dem Bildschirm wird also genau festgelegt, wo der Drucker mit seiner Arbeit beginnt, wo er welche Form entstehen lässt.

So eine gut 20 Zentimeter hohe Halterung für eine Spielkonsole, auch die Erfahrung hat man schon gemacht, dauert dann schon ein paar Stunden bis sie vom Abbild auf dem Monitor zum 3D-Objekt zum Anfassen geworden ist, aber auch hier gilt "Der Weg ist das Ziel". Der Weg, das bedeutet für die Schüler, die sich mit den Grundlagen des 3D-Drucks vertraut gemacht haben auch, dass sie den 3D-Drucker in ihrem weiteren Schülerleben nutzen können, wenn sie zum Beispiel spezielle Bauteile für Versuchsanordnungen oder Projekte brauchen.
Auf den Bildschirmen der Siebtklässler sind inzwischen weitere Details an den künftigen Namensschildern entstanden. "Hauptsache keine Hohlräume von unten", gibt Benedikt Friedrich zu bedenken. Einen Tisch mit Beinen zum Beispiel, das kann der Drucker noch nicht. In dem Fall müssten eine kleine Tischplatte und vier Tischbeine getrennt gedruckt werden, die dann zusammengeklebt werden. Aber auch solche Hürden wird der 3D-Druck sicher bald genommen haben, denn ständig werden neue Möglichkeiten hinsichtlich Form, Farbe und Materialzusammensetzung erkundet.