Diese Art einer Wertschätzung alter Grenzzeichen sucht ihresgleichen in Deutschland: In einem eigens angelegten Grenzstein-garten, in dessen Mitte eine Fläche in Form der Euerbacher Gemarkung farbig gepflastert wurde, haben über 50 historische Grenzsteine eine neue Aufgabe erhalten: Das Interesse an Heimatgeschichte, an Flurnamen, der Arbeit von Feldgeschworenen, Landwirtschaft und Flurbereinigung zu wecken.
An der „historischen Ecke“ Euerbachs, neben dem Weihersbrunnen und dem Ziehbrunnen der Freiherrn von Bibra, legen Männer letzte Hand am Grenzstein-Garten an. Am 6. Juni wird er eröffnet. „Wir haben gerade noch zwei Steine geschenkt bekommen“, freut sich der „Siebener“ Horst Spiegel. Mit seinem Feldgeschworenen-Kollegen Willi Spiegel setzt er den Sandstein mit dem Zeichen „VM“ an eine Ecke des ehemaligen Kleingarten-Grundstücks, auf dem das ungewöhnliche „Denkmal“ zum Abschluss der Flurbereinigung Euerbach II liegt.
VM wie „Von Münster“, jener Freiherren-Familie, die jahrhundertelang im Ort wohnte und als Dorfherr fungierte. Auch typisch: „SGS“ auf den Steinen für „Steinau genannt Steinrück“, ein anderes Dorf prägendes Adelsgeschlecht, oder „VB“ für „Von Bobenhausen“, Dorfherren von Obbach. Ungeklärt dagegen ein Ober- und Unterarm auf dem Stein oder die Zeichen „JS“ und „ZF“.
Viele solcher Grenzsteine waren bereits im Zuge der ersten Flurbereinigung in Euerbach überflüssig geworden, als die Äcker 1933 neu verteilt wurden. Damals hatte der Vater des Altbürgermeisters Willy Zirkel etwa 30 Steine aufbewahrt. Und sein Sohn hatte bereits vor zehn Jahren Gemeinderat Johannes Krüger, beruflich am Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken, angesprochen: Ob ihm nicht „was Gescheites“ einfalle, wie man die Steine ausstellen könne, erinnert sich Krüger.
Er entwickelte eine Idee, die über die Jahre und mit dem nahenden Ende der zweiten Flurbereinigung, die seit 1999 läuft und bei der 2007 zugeteilt wurde, reifte. Wieder wurden Grenzsteine überflüssig, die Bauern nahmen sie zum Teil mit nach Hause. Dann erwarb die Gemeinde ein brach liegendes Gartengrundstück, auf der jetzt die 535 Hektar große Gemarkung von Euerbach im Maßstab 1 zu 333 1/3 abgebildet wurde: Knapp elf auf sieben Meter misst die Pflasterfläche.
„Das wurde alles in über 500 Stunden Eigenleistung von den Siebenern, von den Bauern der Flurbereinigungsteilnehmergemeinschaft und vom Gemeindebauhof erledigt“, weist Krüger auf die eindrucksvolle Fläche, an deren Grenzen die abgerundeten historischen Steine einen neuen Platz gefunden haben: Beispielsweise „VB“ Richtung Obbach, der älteste Stein von 1603 mit dem Wappen des Würzburger Domkapitels am Würzburger Weg im Süden des Dorfes oder das „G“ Richtung Geldersheim. Krüger selbst arbeitete in seiner Freizeit mit, sieht seinen Part als „Berater“, der die vermessungstechnischen Angelegenheiten erledigen konnte.
„Dem ist immer wieder was Neues eingefallen“, grinst Horst Dünisch, der gerade eine rote Sandsteinplatte – symbolisch für die roten Dächer des Dorfes mit schwarzen Basaltsteinen verfugt; Zeichen für befestigte Wege. Felder sind in rotem, Gewässer in weißem Granit dargestellt. Der Wald des Euerbacher Steigholzes ist mit grünem Sandstein gepflastert. „Da haben die TGler den historischen Brunnen verewigt“, zeigt Krüger auf einen kleinen grauen Stein dazwischen. Eins von vielen „Selbstläufer“-Produkten beim Gestalten der Fläche, wie auch der gespendete schwarze Marmor für das Friedhofsgrundstück.
Krüger verteilt 58 Alu-Plättchen mit ehemaligen und noch gültigen Flurnamen sowie mundartlichen Bezeichnungen auf die entsprechende Stellen, an denen die Helfer sie ins Pflaster schrauben: Namen wie „Blaue Leite“, was auf die blaue Farbe des Keuperbodens hinweist, oder „Dörrofen“, wo einst Flachs getrocknet wurde, oder auch das jiddische „Psoulum“ für den jüdischen Friedhof. Nachzulesen sind solche Flurnamen auf einer der fünf Erläuterungstafeln, die am Grenzstein-Garten aufgestellt werden. Dazu eine Bank, gestiftet von den Landfrauen, damit sich Besucher des „Lapidariums“, so der lateinische Name, vielleicht auf ihrer Tour am künftigen kulturhistorischen Wanderweg um Euerbach, dem „Kulturachter“, ausruhen können.
Grenzsteingarten
Einzigartig: Das deutschlandweit einmalige Projekt, eine Gemeinschaftsaktion von Gemeinde, Feldgeschworenen und Flurbereinigung Euerbach II, wurde finanziell unterstützt vom Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken. Die veranschlagten Gesamtkosten von 10 000 Euro werden voraussichtlich, dank hoher Eigenleistung, weit unterschritten, so Ideengeber Johannes Krüger.
Eröffnet und gesegnet wird der Grenzstein-Garten am Sonntag, 6. Juni, am Weihersbrunnen, um 13.30 Uhr. 16 Uhr und 17 Uhr: Führungen. Daneben gibt es eine Landmaschinen-, eine Bilder-Ausstellung und Festbetrieb