Der Mann ist eine Wundertüte. Wer Larry Schuba (60) reduziert auf sein Dasein als Frontmann der deutschen Countryband „Western Union“, tut ihm Unrecht. Wer glaubt, sein musikalisches Repertoire beginne bei „Auf der Autobahn“ und ende bei „Ich möcht so gerne mal nach Nashville“, hat ihn noch nicht live erlebt.
Am Dienstagabend hat der Mann aus Berlin, der 13 Jahre lang eine wöchentliche Countrysendung im RBB moderierte, seine Visitenkarte in Sennfeld abgebeben. Im Pfarrheim. Auf der privaten Geburtstagsfeier von Kunstglaser Günther Mergner. Und er hat mit einer Mischung aus „Stand-up-Comedy“ und gekonntem Covergesang einen bleibenden Eindruck bei den rund 100 Geburtstagsgästen hinterlassen.
Das Schmale, Bescheidene, ist nicht sein Ding. Larry Schuba liebt es breit, groß, laut. Schon die Bühnendeko ist ein greller Ausbund an Geschmacklosigkeit und zaubert doch einen Hauch von Las-Vegas-Atmosphäre in die katholische Pfarre. „The fantastic Larry Schuba Goodtime Show“ steht dort unter anderem in breiten Lettern zu lesen.
Der selbst ernannte „King of Jukebox“ steht nur mit einem Laptop voller Playbacks und Notenständer vor der bunten Pappfaltwand, vor sich ein sehr heterogenes Publikum – von der Vierjährigen bis zum 84-Jährigen, sitzend an langen Tischreihen, vor Flaschenbier oder Limo. „Es ist schwer, wenn der Deutsche nüchtern ist“, stellt er trocken fest, wohlwissend, dass ihm eine Herkules-Aufgabe vorsteht: Er soll dieses Pfarrheim rocken...
Aber Schuba ist ein alter Hase, steht nicht nur alljährlich mit seiner Countryformation „Western Union“ – zu Glanzzeiten hinter „Truck Stop“ die klare Nummer zwei der deutschen Countryszene – alljährlich vor 60 000 Leuten auf der Bühne beim Truck Grand Prix am Nürburgring. Er hat auch das Genre der „Couchkonzerte“ erfunden, lässt sich buchen für Auftritte im heimischen Wohnzimmer, vor zehn, 15 Zuhörern. Dort kommt er mit Gitarre und kleiner Musikanlage, setzt sich an den familiären Kaffeetisch, plaudert, singt, reißt seine Witze.
So ähnlich macht er das auch in Sennfeld, nur größer. Seinem Fan Günther Mergner, der die Show von Gattin Monika zum 65. geschenkt bekam, hat er schon vor dem Auftritt erklärt, dass dies kein piefiger Countryabend wird. Die geliebten Songs aus den frühen 1980ern hat er zwar auch im Programm, aber– so Schuba – „damit bringst Du so einen Saal nicht zum Kochen“. Wie man das macht, weiß er. „Delilah“ ist so ein Song, mit dem er Stimmung in die Bude bringt.
Er, der 108 Kilogramm schwere „Womanizer“, Typ „Bierbauch mit Glatze“ (einer seiner frühen Hits hieß denn auch „Ein Mann mit Bauch tut's doch auch“). Er will „Weiber kreischen hören“ und sagt ihnen auch genau, an welcher Stelle. Und er will am Ende wissen, wer den Song besser rüberbringt: Larry Schuba oder Tom Jones.
Natürlich kann er es besser. Alle sagen das, und nicht nur aus dem momentanen Überschwang heraus. „Der Typ hat's drauf“, bekennt Shades-Frontmann Ebbo Grebner, der an diesem Abend auch zu Gast ist und – von Kollege zu Kollege – aufrichtigen Respekt zollt. Schuba hat eine sonore Elmar-Gunsch-Stimme, kann aber auch hoch hinauf, etwa ganz am Ende bei der Elvis-Nummer „It's now or never“; den Sonderapplaus hierfür fordert er stante pede ein: „Als Elvis das gesungen hat, war er 23. Ich bin fast 61!“
Dass man ihm seine 60 Lenze nicht ansieht, kann man nicht behaupten. Er hat „aus dem Vollen“ gelebt, auch wenn er nicht den ganz großen Durchbruch geschafft hat. Die Ohrwürmer von „Western Union“ entstammen alle seiner Feder und lassen heute noch die GEMA-Kasse klingeln. Mit seinen Shows und auch mit der Band, die er vor zwei Jahren vorübergehend aufgelöst und Anfang 2012 wieder ins Leben gerufen hat, ist er gut gebucht, heuer an 120 Terminen.
Radio macht er nicht mehr, er kann die Regelmäßigkeit nicht gewährleisten. Südlich von Berlin hat er sich einen Bauernhof gekauft, ihn „mit viel Liebe und persönlichem Einsatz“ restauriert.
„Ich will die Weiber kreischen hören!“
Larry Schuba, Countrysänger und Entertainer
Dort verbringt er seine Freizeit mit Ehefrau Nummer vier („...ich hoffe, dabei bleibt es jetzt“) und dem 17-jährigen Sohn, einem Nachwuchs-Rapper.
Die Musik ist Larry Schubas Leben. Nicht die, die heute synthetisch am Computer produziert wird, wo „jeder seinen Schweiß ausschwitzt“, weshalb es gerade in Deutschland seiner Meinung nach „viel zu viel schlechtes Zeugs“ gibt. Sondern die der 60er und 70er Jahre, die für ihn authentisch war, handgemacht. Eines seiner musikalischen Projekte ist deshalb auch eine akustische Aufarbeitung des Lebens und Werkes von John Denver. Mit Andreas David und Torsten Puls hat er eine ernsthafte Unplugged-Session aufgenommen, tourt auch mit dieser Nummer und erinnert dabei im Stile eines Conférenciers an den 1997 verstorbenen US-amerikanischen Folk-Star. Von dieser Seriosität ist er im Sennfelder Pfarrheim weit entfernt.
Es darf ruhig mal etwas schlüpfrig sein, bei seinen Witzen, er knutscht ab, wen er vor die Lippen bekommt, flirtet offensiv mit der Gastgeberin und zieht den eben reingeschneiten Bürgermeister Emil Heinemann böse durch den Kakao: „Sie seh'n ja aus wie Günther“, spielt er auf dessen Halbglatze an und fordert ihn auf, sein „ganzes Gewicht, diese geschätzten 180 Kilo“, für Sennfeld in die Waagschale zu werfen. So wie Heinemann, so sähen eben Bürgermeister in Bayern aus; ganz anders in Berlin: „Unser Bürgermeister ist zwar auch gut drauf, hat aber nicht Deine Statur. Bei Dir kommt die Würde des Amtes viel besser rüber...“
Dreimal eine halbe Stunde wollte Larry Schuba für Günther Mergner spielen, dazwischen für seine männlichen Alterskollegen „Pullerpausen“ machen. Dreimal eine Dreiviertelstunde ist es geworden, der Mann hat alles gegeben für sein Geld. Bei seinen Witzen lag er geschmacklich manchmal daneben, aber das kümmerte ihn nicht. Er ist eine Rampensau, der nichts peinlich ist.
Deshalb hat er auch die etwas delikate Geschichte seiner Magenband-Operation ins Internet gestellt, mit deren Hilfe er vor zwei Jahren von 154 auf 108 Kilo Lebendgewicht herunterkam. Seitdem findet er sich „auch optisch richtig geil“, sein Körper „schreit nach Bewegung“, auf der Bühne macht er nicht nur stimmliche, sondern auch physische Verrenkungen. Der Mann ist – ganz ohne Zweifel – ein Gesamtkunstwerk. Und als solches auch über jeden Geschmack erhaben.