Als Jerry Shoemaker noch ein Kind war, träumte er von Deutschland, von dem Land, aus dem, so erzählte sein Vater, seine Vorfahren stammten. Nach dem Studium bewarb er sich bei der Army, die ihm die Reise ins Land seiner Träume finanzieren sollte. Im August 1980 kam Jerry als Soldat in Schweinfurt an, schon im Dezember hatte er seine Maria kennengelernt, mit der er bis heute verheiratet ist. Jetzt, im Alter von 52 Jahren und mit dem Damoklesschwert Hartz IV im Nacken, wagt er noch einmal einen Schritt, der für ihn ein großer ist: Er macht sich selbstständig und hat in der Neutorstraße seine kleine Computer Clinic eröffnet.
Jerry Shoemaker fühlt sich längst mehr als Deutscher denn als Amerikaner. Aber dieser Wille, ganz klein anzufangen, trotz etlicher Widerstände an sein eigenes Produkt zu glauben und den Gedanken an ein Scheitern zu begraben, das hat doch etwas vom alten amerikanischen Mythos, man könne Millionär werden, wenn man es nur will und fleißig Teller wäscht – und es hat auch etwas von der jetzt wieder spürbaren Aufbruchstimmung in den USA.
Jerry war zwölf Jahre Soldat in Schweinfurt. Aus dieser Zeit stammt auch sein Rückenleiden, das ihm eine Anerkennung als „disabled“, also behindert, einbringt. Nach seinem Ausscheiden 1992 versuchte er erst einmal, in den USA Fuß zu fassen, arbeitete bei einer Zulieferfirma für Baumärkte, für die er nachts die Computer bediente. Aber das Einkommen reichte nicht aus. Weil er selbst keine festen Wurzeln hatte – seine Familie lebt weit verstreut zwischen Mexiko und Arizona – wohl aber seine Maria, die aus Obbach stammt, zog die Familie wieder nach Deutschland.
Die ersten Jahre ging es gut, Jerry Shoemaker arbeitete sich hoch vom Paketdienstfahrer zum Angestellten einer amerikanischen Firma. Als der Vertrag auslief, wurde er arbeitslos und fand, trotz vieler Versuche und einer Umschulung zum Speditionskaufmann, seit 1997 keinen festen Job mehr. Aber er habe die Zeit genutzt, um sich im Computerbereich fortzubilden, sagt er, und schlägt einen dicken Ordner auf, in dem er alle Diplome und Zertifikate abgeheftet hat. Das neueste von 2008 weist ihn als Netzwerkbetreuer aus, er nennt sich Certified IT Technician.
Natürlich hätte der 52-Jährige lieber einen festen Job gefunden. Die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, war keine leichte. Aber die Alternativen wären Hartz IV oder eine mickrige Erwerbsminderungsrente gewesen. Also machte er sich auf den Weg in die Existenzgründung, unterstützt von seiner Beraterin beim Arbeitsamt, der Shoemaker ein ganz dickes Lob ausspricht. Auch das zweiwöchige Existenzgründer-Seminar habe ihm viel gebracht. Aber dann kamen doch einige unangenehme Überraschungen: Wie sollte er einen Finanzplan erstellen, wie ihn IHK und Banken fordern, ohne leiseste Ahnung, mit wie vielen Kunden er rechnen könnte. Kaum angemeldet, stufte das Finanzamt den Kleinunternehmer erst einmal mit einer saftigen Vorsteuer ein, die Stadtwerke wollten 155 Euro für Gas und Strom im Monat, von der Miete gar nicht zu reden. „Jeder wollte ein Stück vom Kuchen, den ich noch gar nicht gebacken habe“, formuliert es Jerry Shoemaker. Das alles zu klären und manches Problem zu lösen, und das auch noch auf Deutsch, erforderte viel Zeit, und so kam es, dass die Computer Clinic erst Ende anstatt wie geplant Anfang Januar öffnete.
Hier können Privatleute und Firmen ihre Computer warten und reparieren und sich schulen lassen. Shoemaker hofft auf möglichst viele Wartungsverträge und bietet einen Vor-Ort-Service an. Dass er seinen Laden auch als „A Disabled American Veteran Owned Business“ kennzeichnet, also das Geschäft eines behinderten amerikanischen Veteranen, sagt Deutschen reichlich wenig. Wohl aber den amerikanischen Soldaten. Wer einmal Soldat war, bleibe es für immer, auch für die aktiven. Und die würden sich außerdem freuen, endlich ohne Sprachprobleme mit jemandem Geschäfte machen zu können. „Das ist mein Ass“, sagt Jerry Shoemaker. Wenn alles gut geht, soll Sohn Daniel, der jetzt seinen Abschluss als IT-System-Kaufmann macht, mit einsteigen.