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SCHWEINFURT: Eine Schicht in der Großküche: Cordon Bleu am Fließband

SCHWEINFURT

Eine Schicht in der Großküche: Cordon Bleu am Fließband

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    Mit dem Fleischklopfer werden die Fleischstücke für die Cordon Bleu in Form gebracht. Es muss schnell gehen, an der Panierstraße herrscht hohes Tempo.
    Mit dem Fleischklopfer werden die Fleischstücke für die Cordon Bleu in Form gebracht. Es muss schnell gehen, an der Panierstraße herrscht hohes Tempo.

    Wälzen, andrücken, abklopfen, ablegen, wälzen, andrücken, abklopfen, ablegen – im Paniermehl vor mir türmen sich die Cordon Bleu, es werden immer mehr. Die beiden Köche Günther Eller am Fleischklopfer und Thomas Prapolinat am verquirlten Ei legen kräftig nach. „Normalerweise geht das noch schneller“, lachen sie und ich weiß nicht, ob ich das glauben kann. Statt in die Tasten zu hauen, klopfe ich heute Fleisch in der Großküche des Leopoldina Krankenhauses. Es ist 6.30 Uhr, der Dienst hat gerade begonnen. Was wir noch nicht wissen: Die Cordon Bleu werden nicht reichen.

    „So bis um halb elf ist richtig Action“, sagt Günther Eller. Bequeme Schuhe solle ich mitbringen, hatte man mir gesagt. Sitzen gehört nämlich nicht zur Jobbeschreibung. Fast 1900 Essen kochen sie hier am Tag, gut 1000 davon sind für Patienten und Personal. Mehr als 800 Portionen gehen außer Haus, vor allem in Schulen und Kindergärten. Diese 800 werden ab 10 Uhr abgeholt. Also keine Zeit verlieren.

    Während die Kollegen die frischen Cordon Bleu braten, koche ich mit Eller Tomaten-Zucchini-Gemüse. Die Gemüsestücke sind tiefgefroren und vorgeschnitten, „anders wäre das nicht zu schaffen“, sagt der Koch. Auch wenn sie hier das meiste frisch schnibbeln und zubereiten, ganz ohne Fertigprodukte geht es nicht.

    Ein Pfannenwender so groß wie ein Paddel

    In einer riesigen Bratwanne schwitzen wir Zwiebeln und Zucchini an, literweise Sahne kommt hinzu. Der Pfannenwender ist groß wie ein Paddel, in die Schöpfkelle würde ein Kinderkopf passen und wenn ich im Gemüse rühre, muss ich beide Arme nehmen und mir das Prinzip der Hebelwirkung ins Gedächtnis rufen. Eller gibt die Gewürzmischung hinzu. Früher hat er in einer Schiffskombüse gearbeitet, „da haben wir die Mischung ,Maria hilf‘ genannt“, sagt er und lacht.

    Durchschnittlich sechs Köche, etwa 25 Küchenhilfen, zwei Diätassistentinnen und zwei Lageristen stemmen täglich den Betrieb. Krankheitsausfälle sind gefürchtet, kommen aber häufig vor, weil man aus hygienischen Gründen etwa bei Magen-Darm-Infekten wochenlang nicht mit Lebensmitteln arbeiten darf. Auch ich musste mich vor meinem Einsatz bei der Hygienebelehrung beim Amt verpflichten, mich an diese Regeln zu halten.

    Nach vier Stunden der erste Bissen

    Am Hintereingang der Küche fahren die Transporter vor, ich schiebe Rollwagen für Rollwagen mit Warmhaltebehältern zur Verladeplattform. Dann ist Zeit für ein schnelles Frühstück. Eller und Prapolinat essen jetzt, nach vier Stunden im Dienst, ihren ersten Happen des Tages. Ich bin froh, dass ich mir auf der frühmorgendlichen Autofahrt vorhin eine Scheibe Brot reingezwängt habe.

    Neben dem Cordon Bleu und dem Tomaten-Zucchini-Gemüse gibt es heute zu Mittag noch Rinderschmorbraten „Esterhazy“ und Pfirsich „Melba“. Cordon Bleu gehört zu den Favoriten von Patienten und Personal. Weitere Top-Hits? „Wie in jeder Kantine: Schnitzel und Bratwurst“, sagt die leitende Diätassistentin Simone Schoregge. Zwei Mal haben sie sich hier an einem Veggie-Day versucht – mit mäßigem Erfolg. Um die Revolte abzuwenden, ließen sie es wieder bleiben. „80 Prozent wollen ein gescheites Stück Fleisch.“

    Wie Recht sie hat, merke ich am Mittag: Die Cordon Bleu für die Personalcafeteria sind ausgegangen. Eilig reaktiviert die Küchencrew die Panierstation, Nachproduktion. Vor der Theke draußen drängen hungrige Ärzte unter Zeitdruck. Also fünf Personen an die Panierstraße. Küchenchef Alfons Walter schneidet unter Stress bemerkenswert gleichmäßige Scheiben, ich greife zum schweren Fleischklopfer. Der Nachschub für die Meute ist gesichert.

    Extra-Menü für Privatpatienten

    Alle vier Wochen wiederholt sich der Speiseplan. Privatpatienten haben mehr Auswahl, heute zum Beispiel noch das Zanderfilet mit mediterranem Gemüse. Die Kladde mit der Extra-Liste sieht aus wie eine Menükarte im Restaurant. Jeder Patient kann sich sein Essen individuell zusammenstellen, Menüberaterinnen wandern durchs Haus und notieren elektronisch, welches Essen der Patient will – oder welches er wollen sollte.

    Bei der Schonkost ist zum Beispiel nichts Blähendes dabei, Patienten nach Magen-Darm-OPs sollten sich zunächst an Haferschleim und Zwieback halten. Wer Unverträglichkeiten hat, bekommt das dann von Diätköchin Caro Wolf extra zubereitet. Oder wer privat versichert ist, den Zander brät Wolf nämlich auch. Bei Moslems können die Menüberaterinnen in der Eingabemaske ein Häkchen „ohne Schwein“ setzen, dann werden nur noch schweinefreie Gerichte vorgeschlagen. „Laktosefrei“ oder „glutenfrei“ sind auch wählbar. Selbst die Käsesorte kann man sich aussuchen. Und auch: „doppelte Portion“.

    Für jeden Patienten und jede Mahlzeit kommt im Keller des Leopoldina eine Menükarte mit allen Informationen aus dem Drucker. Nach dieser Karte wird das Essen in der Küche für den Patienten zusammengestellt. Nach der kurzen Cordon-Bleu-Krise beginnt jetzt das Tablett-Ballett fürs Abendessen. An einem Förderband stehen links und rechts Küchenhilfen mit Produkten, etwa Brotsorten, Wurstscheiben oder Saftfläschchen.

    So funktioniert das Tablett-Ballett

    Person 1 holt ein Tablett vom Stapel, legt es aufs Förderband und steckt die Menükarte in eine kleine Halterung, damit die Küchenhilfen sie gut lesen können. Wer an seiner Station etwas hat, nach dem per Menükarte verlangt wird, packt es aufs vorbeifahrende Tablett. Die Endabnahme macht dann eine ausgebildete Diätassistentin, denn Fehler könnten fatal sein. Immer wenn Olga Sterzer einen Fehler entdeckt, stoppt sie das Band.

    Ich darf zum Schluss die Frischhaltedeckel drauf machen, bevor die Tabletts in die Kühl- bzw. Warmhaltewagen gepackt werden. Deckel auf Teller, Deckel auf Teller, Deckel auf Teller. Das Band läuft gerade so langsam, dass ich mich langweile und gerade so schnell, dass ich am Ball bleiben muss.

    Eineinhalb Stunden lang fahren die mehr als 650 Abendessen an mir vorbei. Gesprochen wird wenig. Mal ein kurzer Scherz, aber kein Kaffeeklatsch. Monotonie und Konzentration – eine herausfordernde Mischung.

    Keine Zeit für Träumereien

    Wie gehen die Frauen am Band damit um? „In dem Moment, wo man das Träumen anfängt, passiert ein Fehler“, sagt Sterzer. Was gemein ist, weil durch den Band-Stopp das Ganze dann noch länger dauert. Musik? Wurde mal überlegt, aber in der Küche ist es einfach zu laut.

    Denn parallel spülen die Köche die riesigen Töpfe und Pfannen, der Feierabend nähert sich. Um 15.19 Uhr ist offiziell Schicht. In der Umkleide wird der Kaffeeklatsch dann nachgeholt. Zuhause schnuppere ich an meinen mitgebrachten Turnschuhen. Sie riechen nach Cordon Bleu.

    Serie „Reporter in Betrieb“: Machen Sie mit

    In unserer Serie „Reporter in Betrieb“ wollen wir Zeitungsleute über den Tellerrand schauen. Wir wollen wissen, wie geht es in anderen Berufsfeldern zu? Dafür können Sie, liebe Leserinnen und Leser des Schweinfurter Tagblatts, uns „buchen“. Wenn Sie einen interessanten Job haben, den Sie uns zutrauen, dann melden Sie sich. Schreiben Sie Ihren Vorschlag an das Schweinfurter Tagblatt. Entweder per Post an Schweinfurter Tagblatt, z. Hd. Oliver Schikora, Schultesstraße 19a, 97 421 Schweinfurt, oder per Mail an red.schweinfurt@mainpost.de Die Redakteure Nike Bodenbach, Katja Glatzer, Julia Haug, Josef Schäfer, Oliver Schikora, Irene Spiegel und Susanne Wiedemann wählen die Angebote aus und wir krempeln die Ärmel hoch.

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