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SCHWEINFURT: Einer, der die Weisheit mit Löffeln gefressen hat

SCHWEINFURT

Einer, der die Weisheit mit Löffeln gefressen hat

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    Sprichwortforscher: Rolf-Bernhard Essig.
    Sprichwortforscher: Rolf-Bernhard Essig. Foto: Foto: Augustinum

    Wieso sollte man erstmal die Kuh vom Eis kriegen, bevor man die Katze aus dem Sack lässt? Warum hat man Schwein, wenn man nicht über den Löffel balbiert wird? Und was nützt eine Eselsbrücke, wenn man von Tuten und Blasen keine Ahnung hat?

    Wer die übertragene Bedeutung dieser Redewendungen nicht kennt, versteht nur Bahnhof. Denn vom Wortlaut lässt sich nicht so einfach auf den Sinn schließen. Der Autor und Journalist Rolf-Bernhard Essig hat nach dem Ursprung der Sprichwörter und Redewendungen gegraben und seine Funde in zwei Büchern zusammengefasst. Bei einem Vortrag im Seniorenwohnstift Augustinum gab er Einblicke in sein Wissen. Wenn es plötzlich nur noch um Schweine, Flöhe und Esel geht, merkt man erst, wie undurchsichtig die Sprache eigentlich ist.

    Essig hält keine Lesung, obwohl er mit zwei kleinen Geschichten aus seinen Büchern einsteigt. Ziemlich bald schwenkt er um zu einem Frage-Antwort-Spiel, bei dem er sich völlig auf die Neugier seines Publikums verlässt. Die Regel ist einfach: Wer wissen will, wo ein Sprichwort herkommt, muss nachfragen. Das Publikum besteht zum Großteil aus Augustinum-Bewohnern – und die haben noch richtig viele Redewendungen auf Lager. Eine alte Dame hat sich sogar im Vorhinein eine Liste zusammengestellt, mit all den Sprichwörtern, deren Bedeutung sie schon immer mal wissen wollte.

    Essig geht auf jeden Zwischenruf ein, bloß wenn es mal zu chaotisch wird, besänftigt er mit einem „So schnell schießen die Preußen nicht“. Ansonsten lässt der promovierte Germanist das Publikum Regie führen. Zwar hat er ein paar Requisiten mitgebracht – zum Beispiel die Katze im Sack oder die Zeitungsente –, aber er ist nicht versessen darauf, die alle vorzuführen. Es hat den Anschein, als ließe er den Abend einfach auf sich zukommen. Das klingt gewagt: Er kann doch nicht sicher sein, jedes Sprichwort erklären zu können. Vielleicht nicht, aber im Augustinum braucht er nicht ein einziges Mal nach einer Antwort zu suchen.

    Verkürzte Geschichten

    Einige Redewendungen sind stark verkürzte Geschichten. Statt der Katze im Sack wollte etwa ein Bauer einst ein Ferkel kaufen. Schon der Preis hätte ihn eigentlich misstrauisch machen müssen. Die Verkäuferin war so nett und packte ihm das vorgebliche Ferkel noch eben ein – das Ferkel, das sich später als Katze herausstellte. Und von der im Sack gekauften Katze ist es dann nicht mehr weit zur nächsten Redensart. Denn als der Bauer zu Hause die Wahrheit entdeckte, ließ er – richtig – die Katze aus dem Sack. So wird Essig – vom Aufbau-Verlag als „Sprichwortpapst“ gepriesen – zum Geschichtenerzähler. Dann wieder lässt er den Literaturwissenschaftler durchblicken und zitiert aus Goethes Faust, dem wir unter anderem des Pudels Kern und „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“, zu verdanken haben.

    Oder er spürt in der jiddischen Sprache der Hechtsuppe nach. Wenn es zieht, hat das nämlich gar nichts mit dem Gericht zu tun – es gebe ohnehin kaum Rezepte für Hechtsuppe, merkt Essig an. Das jiddische Wort für Sturm klingt so ähnlich wie Hechtsuppe. „Es zieht wie Sturm“ – das passt. Mit der Zeit wurde der Jiddische Sturm allerdings falsch verstanden, eingedeutscht und verkümmerte schließlich zur Hechtsuppe.

    Es geht drunter und drüber, von der Fabel zur Philologie, von der Bibel bis zu Terminator (Hasta la vista, baby!), aber Essig verliert nicht den Faden – und sorgt dafür, dass auch seine Zuhörer dranbleiben. Indem er etwa einer Frau einen (Plüsch-)Bären aufbindet. Aber vor allem, indem er es schafft, geistreich und zugleich unterhaltsam seine Weisheiten zu verbreiten.

    Medizinisch anfechtbar

    Sogar für die Großmutter seiner Schwiegermutter findet er im Laufe des abwechslungsreichen Abends ein passendes Plätzchen. Die hat, wenn man Essig Glauben schenkt, kaum anders als in Redewendungen gesprochen. Aus ihrem Repertoire stammt etwa der medizinisch anfechtbare Spruch: „Wein' nur, dann musst' weniger pieseln.“

    Selbst, als er am Ende seine Bücher signiert, kann Essig nicht ganz von den Sprichwörtern lassen. Einigen neugewonnenen Fans schreibt er ins Buch: „Wörter sind schön, aber Hühner legen Eier.“ An diesem Abend ist aber sicher jeder Gast froh, den Wörtern den Vorzug gegeben zu haben.

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