"Waldbaden" heißt ein neuer Trend, der von Japan nach Europa gelangt ist und die entspannende und gesunde Atmosphäre eines Spaziergangs durch den Wald in den Fokus rückt. In der an Wäldern reichen Flächengemeinde Üchtelhausen aber kann man nicht nur im Wald "baden", dort kann man dem Wald in Zukunft auch zuhören.
Hinter der Volksschule Schweinfurter Rhön entsteht ein Naturlehrpfad der besonderen Art. Forstoberinspektorin Lia Stefke vom Amt für ländliche Entwicklung (ALE) in Würzburg hat ein Konzept erarbeitet, bei dem der Wald mit allen Sinnen erforscht und erlebt werden kann. Die Besonderheit daran sind drei große Waldmegaphone, die deutschlandweit einmalig sind, so Stefke. Eigentlich sind die Waldmegaphone der Stoffsammlung einer Praktikantin zu verdanken, die bei der Suche nach Stationen für so einen Sinne-Pfad im Wald im Internet auf diese Megaphone gestoßen ist.
Made in Estland
Stefke griff die Idee begeistert auf und setzte sich mit der Akademie der Freien Künste in Tallin, Estland, in Verbindung. Der Innenarchitektur-Student Birgit Õigus und ein paar Mitstudierende haben an der estnischen Academy of Arts diese Waldmegaphone entworfen und gebaut. Die großen, trichterförmigen Holzinstallationen dienen dazu, die Geräusche des Waldes zu verstärken, und funktionieren wie Megaphone. Die drei "Ohren" werden in einem bestimmten Abstand und Winkel zueinander platziert, so dass in der Mitte eine Art "Schall Feed" entsteht, der einen einzigartigen Surround-Effekt schafft.

Bis es aber so weit ist, muss einiges passieren. Knaur Veeber und Mikk Varik starteten am Mittwoch, 4. September, mit einem Kleintransporter in Estland . Geladen hatten sie die einzelnen Holzbretter für die Megaphone. Am Freitagabend kamen sie in Üchtelhausen an und bauten am Wochenende die trichterförmigen Waldmegaphone auf, die einen Durchmesser von rund drei Metern haben. Am Montag wurden diese dann in den Wald transportiert und ausgerichtet – eine diffizile Arbeit.
Roland Schmitt, Hubert Vollert und Manfred Mai, die sich ehrenamtlich für den Waldlehrpfad engagieren, packten kräftig mit an, ebenso der Mitarbeiter des Bauhofs, Gerd Geiß. "Ohne die Ehrenamtlichen, die sich hier verantwortlich fühlen, hätten wir das nicht schultern können", betont Bürgermeisterin Birgit Göbhardt. Gemeinsam mit Stefke und Johannes Krüger vom ALE beobachtet sie staunend die Arbeiten. Es ist das achte Mal, dass die beiden Esten solche Waldmegaphone aufbauen, die anderen stehen in Estland, Frankreich, Holland, Belgien, Dänemark und in den USA.

Es braucht einiges an Kreativität, um die riesigen Megaphone sicher in den Wald zu bringen. In Üchtelhausen waren die Gabelstaplerzinken zu kurz, also musste mit Gurten und einer Unterkonstruktion nachgeholfen und ausgeglichen werden. Dann setzte sich der Bulldog ganz langsam über den unebenen Waldboden in Bewegung. Das Megaphon aber war so schwer, dass der Bulldog hinten hoch ging. Also sprangen Mai und Geiß schnell hinten auf, um mit ihrem Gewicht dem Bulldog wieder Bodenhaftung zu verschaffen. Und Bürgermeisterin Göbhardt, die hoffte nur noch, dass alles gut geht.
Schließlich war das erste Waldmegaphon an Ort und Stelle und die beiden Esten waren zufrieden. Auch die anderen beiden Megaphone sollten noch am selben Tag im Wald aufgestellt werden. Dann müssen alle drei noch mit den restlichen Bretter ausgekleidet und auf Steinen platziert werden, bevor Veeber und Varik sich wieder auf die dreitägige Heimreise nach Estland machen können. Der gesamte neue Waldlehrpfad kostet 45 000 Euro, etwa ein Drittel der Kosten entfällt auf die drei Waldmegaphone. Die Gemeinde muss allerdings nur 20 Prozent der Kosten schultern, den Rest fördert das ALE.
