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Fabian sagt: „Behindert ist ein Schimpfwort“

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Fabian sagt: „Behindert ist ein Schimpfwort“

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    Öffentliches Gespräch in der Halle Altes Rathaus: Über das Thema Inklusion diskutierten mit dem Publikum (vorne von links) Wolfgang Trosbach (am Mikrofon), Jochen Keßler-Rosa, Oliver Bruckmann, Harald Leitherer, Johanna Bonengel und Christian Kreppel.
    Öffentliches Gespräch in der Halle Altes Rathaus: Über das Thema Inklusion diskutierten mit dem Publikum (vorne von links) Wolfgang Trosbach (am Mikrofon), Jochen Keßler-Rosa, Oliver Bruckmann, Harald Leitherer, Johanna Bonengel und Christian Kreppel. Foto: Foto: Laszlo Ruppert

    Schweinfurt

    „Wenn

    Eltern den Mut haben, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen, brauchen sie auch die Unterstützung der Kirchen“.

    Dieser Satz einer Mutter, die in Schweinfurt eineinhalb Jahre lang vergeblich einen Platz für ihre Tochter mit Down-Syndrom in einem integrativen Kindergarten gesucht hat, bleibt als Schlusswort dieses Abends in der Halle Altes Rathaus in Erinnerung. Und es schien, als ob Dekan Oliver Bruckmann, der auf dem Podium saß, diesen Satz auch mit nach Hause genommen hat.

    Eines kann man nach diesen zwei Stunden sagen: der Anspruch des „Forums lebensArt“ – das ist ein gemeinsames Projekt von Diakonie und Lebenshilfe – ein öffentliches Gespräch über das Thema „Inklusion zwischen Vision und Wirklichkeit“ zu führen, wurde erreicht. Die Menschen im Publikum waren höchst aufmerksam, verfolgten jedes Wort, das vorne gesprochen wurde, sie nickten oder schüttelten den Kopf und sie meldeten sich, um über ihre eigene Geschichte oder Erfahrung zu berichten.

    Was ist Inklusion überhaupt? Von den 20 Leuten, die Theaterleiter Christian Kreppel im Vorfeld gefragt hat, wusste es nur einer. Es ist das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung und es ist geltendes Recht, seit Deutschland vor zwei Jahren die UN-Menschenrechtskonvention für Behinderte anerkannt hat. Kreppel war einer der Gesprächsteilnehmer auf dem Podium und er erzählte, dass er sich seit seinem Studium mit der Frage beschäftigt, wo Besonderheit beim Menschen anfängt.

    Menschen mit Besonderheit

    Und damit war ein wichtiges Problem angeschnitten, das an diesem Abend natürlich nicht gelöst, allenfalls in seiner Vielschichtigkeit angesprochen wurde. Darf man einen Menschen behindert nennen und wenn nicht, wie dann? Johanna Bonengel, Schulleiterin und Vorsitzende des KulturPacktes, wollte lieber von Menschen mit Besonderheiten sprechen. Oliver Bruckmann steuerte eine sehr persönliche Erfahrung bei. Sein Vater hatte nur ein Bein, er war behindert. Aber niemand habe dieses Wort ausgesprochen. Der Vater war „kriegsversehrt“. Ganz eindeutig ist die Aussage des 15-jährigen Fabian Trosbach: „Behindert“ sei ein Schimpfwort und Schimpfwörter dürfe man nicht sagen.

    Fabian war nicht dabei. Aber sein Vater Wolfgang Trosbach, Sprecher der Lebenshilfen in Unterfranken, erzählte viel über seinen Sohn, der 1996 mit Down-Syndrom zur Welt kam. Trosbachs fragten sich damals, wo denn all die Menschen mit Down-Syndrom seien? Im Alltag waren sie nicht sichtbar. Der Psychologe kam mit einer Welt in Berührung, in der Eltern für die Integration ihrer Kinder kämpfen mussten. Den Begriff Inklusion gab es nicht. Fabians Bildungsweg ist nicht der übliche. Nach dem integrativen Kindergarten geht er heute mit „Stinos“ auf die Montessori-Schule. Stinos sind die stinknormalen Menschen.

    Damit war das wichtigste Thema angesprochen: die Bildung. Die UN-Menschenrechtskonvention gibt Behinderten das Recht auf gleiche Ausbildung. Aber wie soll dieses Recht verwirklicht werden? Wie können Regelschulen und Lehrer darauf vorbereitet werden? Und was ist mit den Fördereinrichtungen? Sind sie gefährdet? Sind Menschen mit Behinderung nicht vielleicht doch besser dort aufgehoben, wo ihnen optimale Förderung geboten wird, wo sie mit ihresgleichen zusammen sind? Stecken hinter den Bemühungen um Inklusion nicht etwa Sparmaßnahmen? Oder muss nicht endlich damit Schluss sein, dass Behinderung nur als Defizit betrachtet wird?

    Das Beste für den Einzelnen

    All diese Fragen und Befürchtungen wurden angesprochen, unter anderem von Jochen Keßler-Rosa, Geschäftsführer der Diakonie, der das Gespräch leitete. Landrat Harald Leitherer betonte, dass man bei jedem einzelnen Schüler fragen müsse, was das Beste für ihn sei: der Besuch einer Förder- oder einer Regelschule. Man dürfe nicht alles über Bord werfen, was sich bewährt habe. Leitherer nannte als Beispiel die Schule für Lernbehinderte in Schwebheim.

    Ein wichtiger Aspekt kam aus dem Publikum: es sei für behinderte und nicht behinderte Kinder und Jugendliche wichtig, sich kennenzulernen, miteinander aufzuwachsen, voneinander zu lernen. Diese Erfahrung fehle vielen. „Dazu müssen die Rahmenbedingungen stimmen“, ergänzte Wolfgang Trosbach. Dieses Wort fiel immer wieder, auch wenn Jochen Keßler-Rosa darum gebeten hatte, das Thema Geld aus dem Spiel zu lassen. Schließlich sollte es um Visionen gehen.

    „Die Kindergärten haben sich geöffnet, die Schulen sollten es noch tun“, lautete der abschließende Appell von Wolfgang Trosbach. „Ein Anfang ist gemacht“, antwortete ihm Schulamtsdirektor Jürgen Eusemann und sprach von der Planung für 30 integrative Schulen in Bayern.

    Schließlich stand Alfred Eusemann auf, der sagte, er sei wohl der einzige Behinderte hier. Der 1939 Geborene schilderte sein Leben als Kampf, um Arbeit, um einen Platz im Fußballverein, um die Anerkennung als Mensch. Großer Beifall.

    Forum lebensArt

    Das öffentliche Gespräch war Teil der Veranstaltungsreihe von „Forum lebensArt“, einem Projekt, mit dem Diakonie und Lebenshilfe Schweinfurt und Bad Kissingen eine Debatte über das Thema Inklusion, also das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung, anstoßen wollen. Über die Auftaktveranstaltung, die Eröffnung einer Ausstellung zum Thema, haben wir berichtet. Diese Ausstellung ist bis 27. April in der Halle Altes Rathaus zu sehen. Die letzte Veranstaltung in der Reihe ist am Donnerstag, 14. April, 19 Uhr, ebenfalls in der Halle Altes Rathaus. Diplom-Sozialpädagoge Stefan Kornherr (Coburg) referiert über das Thema „Inklusion konkret - Die Umsetzung einer Vision“.

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