Eigentlich ist die Firma ein Phantom. Auf den ersten Blick, wenn man in Bergrheinfeld in der Schweinfurter Straße vor dem Anwesen 82 steht, ist nichts zu sehen. Kein Name, kein Werbeschild, nicht einmal ein Hinweis. Auch der zweite Blick bietet nicht viel. Denn im nur über den Pfarrweg erreichbaren Eingangsbereich steht ein zwar gut sichtbarer, aber trotzdem unspektakulärer Briefkasten, und neben einem unscheinbaren Klingelknopf steht ebenso unscheinbar der Firmenname. Und auch der dritte Blick, jener in die auf 150 Quadratmetern angesiedelten Büro-Räume, lässt zunächst nicht unbedingt erahnen, dass in dem Phantom sehr viel drin steckt. Was im Übrigen auch auf den vierten Blick nicht klar wird. Denn wer vermutet in gerade mal 50 auf 50 auf 20 Zentimeter großen achteckigen Plastik-Boxen schon Millionen-Werte. Oder auch in einer DVD. „Eine DVD wiegt leer genauso viel“, betont Firmen-Finanzvorstand Matthias Triebel (42), „wie wenn ein Film drauf ist im Wert von 60 Millionen Euro“.
Aber genau darum geht es im Anwesen 82 der Schweinfurter Straße, das die Firmen-Zweigniederlassung beherbergt. Die von der Personalausstattung her betrachtet eigentlich die Hauptniederlassung sein müsste. Denn am Stammsitz in Mainz ist nur der – allerdings bekannte – Filmemacher Uwe Boll (43) anzutreffen, während in der Bergrheinfelder Administration vier Leute arbeiten aus der kleinen Fünf-Personen-Unternehmung. Die aber ein großes Rad dreht. Und zwar weltweit. Und die beim mittels neue Medien betriebenen Geschäft eben nicht auf einen „Show-Room vor Ort“ angewiesen ist.
Die Rede ist von der Boll AG. Und damit vom Makeln. „Unser Hauptgeschäft ist das Makeln“, sagt Matthias Triebel. „Wenn ein Produzent einen Film hergestellt hat, dann verkauft er die Rechte über uns irgendwo in der Welt – an Fernsehanstalten, Kinoverleiher, Internetfirmen oder auch DVD-Produzenten.“ Gern vergleicht Triebel die Boll AG auch mit der Tätigkeit eines Immobilien-Maklers. In dessen professionelle Hände würden Leute ihren Hausverkauf legen. Zum Beispiel für ein 100 000-Euro-Haus in Bergrheinfeld. Nur dass im harten, verrückten Filmgeschäft eben in der Regel ein paar Nullen mehr dran hängen würden. So verwaltet das börsennotierte Unternehmen in Bergrheinfeld Filme im Wert von „einer viertel Milliarde Euro“, informiert Triebel.
Bei allem Makeln: Es gibt aber auch eigene Produktionen. Wie den Uwe-Boll-Streifen „Barschel – Mord in Genf“. Oder von Investoren getragene Produktionen, die von der Boll AG gemanagt werden. Mit allem Drum und Dran, vom „Dixie“-Klohäuschen bis hin zur Buchung der Kamerateams. Der neue Kinofilm über den jungen Max Schmeling mit Gentleman-Boxer Henry Maske ist so eine. Im Februar oder März 2010 wird das Werk auf dem Markt sein. Womit für Triebel ein Herzenswunsch in Erfüllung geht. „Die Idee, über Schmeling einen Film zu drehen, ist vor zweieinhalb Jahren geboren worden – ein Stück weit auch von mir“, sagt der in Garstadt lebende zweifache Familienvater, der vor allem den Menschen Schmeling bewundert, den Kämpfer für Nicht-Deutsche und Juden während der Nazi-Schreckensherrschaft.
Das Schmeling-Werk wird wohl auch einen festen Platz haben in den Film-Metropolen Berlin, Cannes und Los Angeles, dort, wo die Filmfestivals und -messen über die Bühne gehen. Und wo auch die Boll AG am Ball bleiben muss. Weniger wegen der Festivals. Die seien, so Triebel, nur schmuckes Beiwerk zum parallel laufenden Markt mit dem Filmgeschäft.
Das erlebt momentan miserable Zeiten. „Dreiviertel der Produktionen sind in diesem Jahr in Hollywood wegen der Finanzkrise weggebrochen“, berichtet Triebel, der zudem keinerlei Verständnis zeigt für die im Internet grassierende illegale Produkt-Piraterie in Sachen Musik und Film. Die Boll AG selbst hat nun über eine Rechtsanwaltskanzlei „Far Cry“ mit Til Schweiger auf Piraterie checken lassen. „Innerhalb von fünf Wochen wurden 500 illegale Downloads festgestellt“, so Triebel.
Bleibt die Frage: Warum hat ein Global Player wie die Boll AG ausgerechnet im beschaulichen Bergrheinfeld eine Niederlassung? „Ganz einfach“, sagt Triebel, „weil meine Frau, meine beiden Töchter und ich in Garstadt und hier in der Region unseren Lebensmittelpunkt haben.“
Das Stichwort
Die Boll AG Die Firma von Filmemacher Uwe Boll existiert seit 1992. Im Jahr 2005 wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der gebürtige Wernecker Matthias Triebel ist gelernter Speditionskaufmann und stieß 2004 zur Firma. Deren Umsatz belief sich 2008 auf 1,5 Millionen Euro bei einem Gewinn von 273 000 Euro. Einer der größten Coups war der Streifen „Die Schwerter des Königs“, eine 60-Millionen-Euro-Produktion.