Typisch irisch sind die Farbe Grün, Kleeblätter, alte Abteien, Hochkreuze, Fiddler, ein Guinness vom Fass in einem urigen Pub – Und Whisky. Typisch schottisch sind Dudelsack, Kilt, trutzige Burgen, geheimnisvolle Seen, die Highlands, Nessie – Und Whisky. Typisch fränkisch sind Bratwürste, der „Club“, Silvaner, Kellerbier, Tilman Riemenschneider, Schäufele mit Kloß – Und Whisky? Allmächd! Ned wirklich.
Ein guter Whisky aus Kontinentaleuropa ist in etwa so selten wie eine „Blaue Mauritius“ oder ein Schalke-Fan aus Dortmund. Das hat eine fachkundige Proberunde im Auftrag der Zeitschrift „essen & trinken“ im Dezember 2008 festgestellt. Nur fünf Whisky-Exoten von jenseits der britischen Inseln konnten vor den geschulten Nasen, Zungen und Gaumen der Experten bestehen. Einer davon war Franke. Gebrannt im Zeilitzheimer Weingut von Reiner Mößlein.
Die Spurensuche beginnt in der Unteren Dorfstraße. Durch eine Glastüre geht es hinein in die Brennerei. Während draußen Väterchen Frost das Frankenland fest in seinem eisigen Griff hat, herrscht hier Sauna-Atmosphäre. Es ist warm, die Luftfeuchtigkeit hoch, ein süßlich-schwerer Geruch – ähnlich dem in einer Brauerei – hängt in der Luft. Reiner Mößlein, der fränkische Whisky-Macher, kippt aus einem Eimer fein geschrotetes Korn in einen großen Bottich. Ein Rührgerät hält, ähnlich einem überdimensionalen Küchenmixer, die dampfende Maische in Bewegung. Das Mischungsverhältnis liegt bei einem Kilo Weizen auf drei Liter Wasser. „Sonst klumpt es“, erläutert Mößlein und fährt fort: „Die Maischetemperatur ist das A und O.“ Mindestens 75 Grad ist das Wasser heiß, wenn es mit dem Schrot vermischt wird. Bei dieser Temperatur wandelt sich die Stärke des Weizens in vergärbaren Zucker um. Ist die Maische etwas abgekühlt, gibt Mößlein Malz hinein, setzt später noch Reinzuchthefe speziell für Whisky zu. Dann bekommt die Maische drei Tage Zeit zum Gären.
Seit rund einem Jahrzehnt brennt Reiner Mößlein Whisky. Dabei stand – wie so oft – der Zufall ein wenig Pate. Mößlein hatte Probleme, alle seine Destillate unterzubringen. Schon damals brannte er neben Obst auch Korn und Malz. Das Jahr war trocken, das Getreide gedieh prächtig, erinnert sich der Winzer: „Wenn man da rein roch, war es, als ob man in einem Getreidefeld sitzt.“ Zufällig hatte er gerade ein Barriquefass frei, da hinein füllte er den Brand. „Ich schob das Fass ganz hinten rein, weil es überall geniert hat“, erinnert er sich noch gut. Erst nach Jahren hat er es wieder gefunden. Heute kann er darüber lachen: „Da ist mir meine Unordnung mal zu Nutze geworden.“ Als eine Gruppe aus Nürnberg zu Besuch war, kredenzte Mößlein nach einer Weinprobe seinen Gästen von eben diesem Destillat. Es bestach durch seine goldgelbe Farbe und erinnert im Geschmack an einen guten Whisky. Bei den Verkostern kam es an, und flux wurde mit Kreide „Fränkischer Whisky 58%“ auf das Fass gekritzelt.
Für Mößlein war es die Initialzündung, das Whisky-Experiment weiter zu verfolgen. Er entschloss sich, sein Brennkontingent fortan weniger für Obstbrände zu nutzen. Noch dazu, da er Obst mittlerweile zukaufen müsste, Getreide aber immer noch selbst anbaut. „Und dadurch habe ich ein Nischenprodukt“, sagt Mößlein, und kippt die Maische mit einem Edelstahleimer in die Brennblase. Rund 140 Liter fasst diese. Bis der Brennvorgang abgeschlossen ist, werden bis zu drei Stunden vergangen sein. Der Alkohol, der eine Siedetemperatur von 76,5 Grad Celsius hat, muss sich als Dampf – man spricht vom so genannten „Geist“ – durch verschiedene Böden nach oben arbeiten. Die Kunst des Brenners besteht darin, die Temperatur so zu halten, dass nur die besten Alkohole bis ganz oben aufsteigen können. Dort im Kühler angelangt, wird der Dampf auf zehn Grad herabgekühlt, ab etwa 40 Grad verflüssigt sich der Alkohol wieder.
Bis der Vorlauf aus dem Hahn tröpfelt, dauert es noch ein wenig. Zeit für Reiner Mößlein, sein Brennbuch zu führen. Darin müssen alle relevanten Daten eingetragen werden. Brennbeginn. Brennende. Ausbeute. Der Zoll achtet penibel auf die Einhaltung aller Vorschriften. Zur Brennerei darf es nur einen Zugang geben. Eine weitere Tür ist mit einer amtlichen Plombe versiegelt. Nachdem er die Uhrzeit in die Kladde eingetragen hat, beginnt Mößlein wieder zu erzählen. Dass sein Vater Ernst 1971 das Brennrecht erworben hat. Für eine Kleinbrennerei mit 300 Litern Weingeist pro Jahr. Das ist in Franken das übliche Familienkontingent. Damals, erzählt Mößlein, wurde noch mehr getrunken. Der Schnaps diente auch als Hausmittel. Für Mensch und für Tier. „Ein Bulle, der gebläht hat, bekam eine Flasche Schnaps“, erinnert sich Mößlein zurück: „Am kommenden Tag war er wieder fit.“ Auch weiß er noch genau, dass das Brennen damals – mit Holzfeuerung – viel aufwändiger war als heute. Einmal, so erzählt er, war er Schlittschuh laufen gegangen und hatte vergessen, das „Geistrohr“ anzubringen: „Als ich heim kam, war die Brennerei eine einzige Alkoholbombe. Wenn da einer eine Zigarre angezündet hätte, wäre alles in die Luft geflogen.“ Heute bleibt er bei der Destille, solange der Brennvorgang läuft: „Der Whisky verlangt seinen Herrn.“
In der Zwischenzeit fließen die ersten Tropfen aus dem Hahn. Mößlein misst mit dem Aräometer den Alkoholgehalt. Mit 80 Volumenprozent läuft der Whisky an. Nach Ende der Brennsaison wird er mit Steigerwaldquellwasser auf 58 Prozent verdünnt, dann kommt er ins Fass. Noch setzt Mößlein auf amerikanische, französische oder ungarische Eiche. Doch das nächste Fass soll ein fränkisches werden, verrät er: „Um die Regionalität noch mehr zu betonen.“ Zumeist sind es Fässer, die vorher mit Rotwein befüllt waren. Trotz Ausspritzen blieben da Berührungspunkte, sagt Mößlein: „Dafür haben wir die rötliche Färbung. Andere Whiskys sind gelblicher.“
Fünf Jahre lässt der Zeilitzheimer seinen Brand lagern. Drei schreibt das Gesetz vor. Doch Frankens Whisky-Macher hat es nicht eilig. „Gut Ding braucht Weile“, ist sein Credo. Einem Single Malt, vor vier Jahren eingelagert, will er sogar zwölf Jahre gönnen. 2019 darf dieser besondere Stoff dann gekostet werden. „Aber Du ahnst gar nicht, was ein Jahr ausmacht“, beschreibt Mößlein. Denn zunächst werden aus dem Eichenholz grobe Tannine und Gerbstoffe gelöst, erst dann die feinen. Bis der Whisky – dann 40-prozentig – in die Flaschen abgefüllt wird, sind zehn Prozent Verlust normal. Sie bleiben im Holz, verdunsten. Doch ganz so profan will es der fränkische Whisky-Macher dann doch nicht stehen lassen. Mit fast schon geheimnisvollem Tonfall verrät er, bei den Erzeugern sage man: „Die Engel haben probiert.“ Und sicher sind auch die begeistert vom himmlischen Tröpfchen „Made in Zeilitzheim“.