Eine ehrenamtliche Entwicklungshelferin aus Oberwerrn erwartet viel im ghanesischen Regenwald. Aber nicht unbedingt, dort einen „Schweinfurth-Baum“ zu finden.
Bianca Eggert erblickte das Gewächs im urtümlichen Nationalpark Kakum, neben einem luftigen Hängebrücken-Weg: „Die Führerin sagte, dass die Deutschen immer sagen, dass es eine Stadt in Deutschland sei“, schmunzelt die Mitarbeiterin des internationalen Kinderhilfswerks Plan. „Ich konnte das toppen, ich bin quasi aus dieser Stadt“. Der Dschungel-Baum hat aber wohl nichts mit der Kugellagerstadt zu tun. Der Afrikaforscher und Botaniker Georg Schweinfurth stammte aus Riga und lieh mancher Tropenpflanze den Namen.
Patenkinder in Übersee
Seit 1995 betreut Eggert Patenkinder in Übersee, aktuell das Mädchen Teresa in Guatemala, und war schon in Südamerika und Sambia unterwegs. Aktuell ist sie „Einzelkämpferin“ und würde gerne eine Aktionsgruppe gründen, mit anderen Plan-Paten (aktionsgruppe-plan-schweinfurt@gmx.de).
In den Regionen „Eastern“ und „Volta“ in Ostghana machte sich Eggert, zusammen mit weiteren Plan-Mithelfern, ein Bild vom Stand des „iWash“-Projekts: Gemeint ist nicht die gleichnamige Fahrzeugwäsche per Touchscreen, wie im reichen Deutschland, sondern die Abkürzung für „integrated water, sanitation and hygiene“: Ein Programm für Hilfe zur Selbsthilfe in Ghana, wo Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und es für 86 Prozent der Menschen selbst an einfachsten Sanitäreinrichtungen fehlt. Die Folge sind vermeidbare Krankheiten wie Cholera.
Durch den Bau von Brunnen und Latrinen wird Schulen und Projektgemeinden geholfen. Entsprechend nahm Bianca Eggert auf dem Weg von Amsterdam in die ghanesische Hauptstadt Accra jede Menge Schulsachen (Hefte, Stifte, Lineale und Spitzer) mit, in einem Team von Gleichgesinnten. Außerdem ging es in den Supermarkt, wo 150 Stück Seife besorgt wurden.
Der Urlaub der Ehrenamtlichen war selbst bezahlt. Im Vorfeld waren Spendengelder gesammelt worden, etwa mit einer eigenen Losbude am Niederwerrner Weihnachtsmarkt: unter Mithilfe von Susanne Wengendorf und dem syrischen Flüchtlingsmädchen Sarah Osman.
In Accra gab es im Länderbüro von Plan Ghana eine Einweisung. Dann ging es hinaus aufs Land, wo Bianca Eggert verblüfft festgestellt hat, dass die Frau, die auf einem Planprospekt eine Brunnenpumpe bedient, dies wirklich tut: „Es wurde demonstriert, wie das Pumpen funktioniert. Das Wasser wurde in große Schüsseln gepumpt und dann unglaublicherweise auf dem Kopf, ohne Hilfe der Hände, weggetragen“. Glasklar sei das kostbare Nass gewesen, dank Filterung. Plastikflaschen sind in Ghana begehrte Sammelobjekte, um das Wasser abzufüllen, ebenso wie Supermarkttüten.
Hygiene-Fachwissen vermitteln
Freiwillige Mitarbeiter und Multiplikatoren vor Ort, die „Volonteers“ oder „Natural Leaders“, sorgen dafür, dass das Hygiene-Fachwissen unter die Leute kommt. Meist gehen die Frauen mit gutem Beispiel voran: in diesem Fall eine Mutter und ihre schwangere Tochter. So gibt es in dem Dorf mittlerweile selbstgebaute Toiletten für Frauen: „Mit einem großen Dorffest wurden wir herzlich willkommen geheißen und durften uns verschiedene Darbietungen anschauen: Ansprachen, Tänze und Rollenspiele zur Erklärung von Hygiene und Krankheiten und den Umgang damit.“ Immer wieder hätten die Ghanesen ihre Gäste erstaunt gefragt, warum sie helfen und die Reise auch noch selbst gezahlt hätten: „Ich sagte ihnen, dass wir das Glück der Geburt in Europa hatten, haben wir uns nicht aussuchen können“.
Die Bohrlöcher müssen allerdings immer tiefer gegraben werden. Umso größer waren die Augen der Kinder in einem anderen Dorf, wo das Wasser nun doch sprudelt. Auch hier wird der Inhalt des neuen Brunnens gefiltert, wegen des hohen Eisengehalts.
Die Besucher durften selbst probieren, die schweren Wasserschalen auf dem Kopf zu tragen. Es gab wieder ein Dorffest mit den Ansprachen von Chief (Bürgermeister) und Queen Mother, der „ersten Frau am Ort“, sowie des Dorfältesten.
Der Schuldirektor zeigte stolz die Klassenzimmer für die Schulkinder, wo statt Waschbecken Wasserflaschen aus dem Fenster gehängt werden, und Seife bereitsteht. Der Lehrer war ein „Albino“, ein „Schwarzer“ mit weißer Hautfarbe – die in Afrika oft diskriminiert und aus Aberglauben verfolgt werden. In diesem Fall soll es aber keine Probleme geben. Die Kinder waren auf jeden Fall begeistert, ständig hieß es „Give me five“, erinnert sich Eggert: „Viele rannten noch dem Bus hinterher“. Einfachste Dinge würden den Menschen in Afrika Freude bereiten.
Zwei Wochen lang dauerte die Reise nach Ghana, die letzte Woche lebte Eggert zusammen mit einer Mitreisenden aus Hamburg in einer Gastfamilie: Hier brach zwischenzeitlich die Wasserversorgung zusammen, „geduscht“ wurde mit dem Eimer, plus Desinfektionsmittel, bei schwülheißen Temperaturen von bis zu 40 Grad: Die Gastfreundschaft der Ghanesen wog die Entbehrungen wieder auf, so wurde der 60. Geburtstag der Mutter der Gastgeberin gefeiert. Nebenbei wurden noch Lebensmittel (Öl, Reis und Nudeln) in ein Waisenhaus gebracht, ebenso wie die heiß begehrte Seife.
Besuch in den Sklavenforts
An der Küste wurden zuletzt die Sklavenforts von Elmina und Cape Coast besucht, in der Kolonialzeit zwei Zentren des europäischen Sklavenhandels. „Die Sklaven wurden in schreckliche Kellerlöcher gesperrt, mit einem Hauch von Licht und Luft, getrennt nach Frau und Mann - zusammengepresst mit all ihrer Notdurft am Boden für bis zu sechs Monate“. Danach ging es für die Überlebenden durch das „Tor ohne Wiederkehr“ zum Schiff und dann wochenlang liegend nach Übersee.
Von Cape Coast wurden wahrscheinlich auch Vorfahren der ehemaligen First Lady Michelle Obama nach Amerika gebracht: „Die Obamas besuchten vor einigen Jahren auch Cape Coast, um das Unvorstellbare zu sehen“.