Archäologen und Grabungstechniker können sich momentan in Gerolzhofen regelrecht die Kelle in die Hand geben. So sehr sind sie im Süden und Westen der Stadt momentan mit der Suche nach Siedlungsspuren unserer keltischen Vorfahren beschäftigt.
Den Anfang machten die Voruntersuchungen und Grabungen im unmittelbaren Bereich des Neubaugebietes „Am Nützelbach“. Dieser Tage wurde die archäologische Vorerkundung auf das weiter östlich am Nützelbach in Richtung Schallfeld und Arlesgarten gelegene mögliche künftige Baugebiet ausgeweitet. Die Arbeiten sind inzwischen abgeschlossen. Und auch auf dem Baywa-Gelände wurde im Vorfeld des Baus der Supermärkte von Edeka und Netto dieser Tage geschürft und gegraben.
Spurensuche war erfolgreich
Wenn auch die Untersuchung der Befunde zur näheren zeitlichen Einordnung aussteht, so sind die von den Grundstücksbesitzern in enger fachlicher Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege beauftragten Archäologen und Grabungstechniker auch jetzt wieder am Nützelbach als auch auf dem Baywa-Gelände fündig geworden.
Auf der Basis der Ergebnisse wird das Landesamt für Denkmalpflege mit den Bauherrn über das weitere Vorgehen entscheiden.
Auf dem Baywa-Gelände wird die archäologische Begleitung aufgrund der Ergebnisse definitiv weitergehen. Schließlich drängt die Zeit im Hinblick auf die Abbruch- und Neubaumaßnahmen. Anders sieht es dagegen jenseits des Nützelbachs aus, solange dort kein konkretes Baugebiet geplant ist.
Bekannte Bodendenkmale
Zur Erläuterung: Immer dort, wo Bodendenkmäler bekannt sind oder vermutet werden, sind diese in den entsprechenden Plänen und Karten verzeichnet. In diesen Fällen ist der Bauherr gegenüber dem Freistaat Bayern gesetzlich verpflichtet, Bodendenkmale vor einer Zerstörung zu bewahren oder sie zumindest vor einer nicht abzuwendenden Zerstörung zu dokumentieren, sobald Gefahr besteht, dass sie durch eine Baumaßnahme Schaden nehmen.
Zum anderen erlangt der Bauherr durch die Grabungen auf den archäologischen Vermutungsflächen für alte Siedlungen Planungssicherheit. Die Archäologen und Grabungstechniker vor Ort ermöglichen ihm letztlich, sein Bauvorhaben ohne Behinderung im weiteren Verlauf umzusetzen.
Die Fäden für die der „Sondierung“ dienenden Grabungen laufen bei Andreas Büttner vom Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Schloss Seehof bei Bamberg zusammen. Der Archäologe ist der Referatsleiter für Ober- und Unterfranken sowie der Gebietsreferent für den Landkreis Schweinfurt im Bereich Bodendenkmale. In seinem Zuständigkeitsbereich von Aschaffenburg bis Wunsiedel laufen aktuell 40 Grabungen parallel, darunter die in Gerolzhofen.
Die ominöse Stichbandkeramik
Bürgermeister Thorsten Wozniak zu den neuerlichen Sondierungen am Nützelbach: „Wir lassen das im Flächennutzungsplan als Bauland vorgesehene Gelände voruntersuchen, um im Fall der Fälle bereits vor Ausweisung eines konkreten Baugebietes Bescheid zu wissen. Aktuell ist aber noch kein Bebauungsplan in Planung oder gar in Arbeit.“
Nach Aussage Büttners befinden sich in diesem Bereich zwei Bodendenkmale, eines im Westen und eines, das im Osten in das mögliche Baugebiet hineinreicht und der sogenannten Stichbandkeramik zugeordnet ist. Man habe deshalb fest erwartet, hier archäologische Funde zu entdecken.
An auffälliger Stichbandkeramik habe man allerdings nichts gefunden. Der Hinweis bleibe weiter ominös, da auch bei den Grabungen weiter unterhalb auf dem Gelände des Neubaugebietes am Nützelbach keine Befunde aus dieser Zeit aufgetaucht seien. Dafür sei man aber im Bereich des anderen Bodendenkmals im Westen auf dem derzeit noch unbestellten und von der Stadt an einen Gerolzhöfer Landwirt verpachteten Feld erfolgreich gewesen. Auf dem Acker waren acht bis zu 200 Meter lange Probeschnitte, sogenannte Sondagen, angelegt worden. Per Baggerschaufel wurde dazu die oberste Erdschicht abgekratzt.
Grabungstechnikerin Agnes Rahm von der Außenstelle Bamberg des Landesamtes für Denkmalpflege zufolge, habe man zwar nicht über die ganze Fläche, aber stellenweise immer wieder Reste vorgeschichtlicher Siedlungen gefunden, wie Gruben, Pfostenlöcher oder Keramik.
Die keltische Feuerstelle
Besonders interessant sei eine entdeckte Feuerstelle mit Holzkohle, Keramik und Brandspuren. Eventuell handelt es sich hier um die Reste eines Ur-Ofens. Die verschiedenen Fundstellen werden jetzt erst einmal mit einem Vlies abgedeckt und die Schnitte wieder eingeebnet.
Das von ihr erstellte Gutachten ermögliche der Stadt und dem Landesamt für Denkmalpflege eine sichere Einschätzung, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden, so Agnes Rahm. Schließlich gehe es auch um die Kosten. Im Endeffekt dreht sich alles um die Frage, inwieweit bei einer tatsächlichen Bebauung, wie schon im Bereich des jetzigen Neubaugebietes am Nützelbach, auch hier die Begleitung durch eine Fachfirma erforderlich ist, erklärt Gerolzhofens Stadtbaumeister Jens Pauluhn.
Die Siedlung sei auf jeden Fall vorgeschichtlich und könnte wie die weiter unten am Nützelbach in die Hallstatt- und frühe Latenezeit fallen, schätzt Andreas Büttner. Die genaue Zeitstellung sei erst nach exakter Auswertung der Befunde möglich. Auf Gräber oder Metall sei man nicht gestoßen. Büttner betont: „Es sind hier definitiv keine materiell wertvollen Objekte zu erwarten.“
Grabungen auf dem Baywa-Gelände
Während die Sondagen am Nützelbach erst einmal soweit abgeschlossen sind, war nach Auskunft von Andreas Büttner in der vergangenen und dieser Woche die Grabungsfirma AST (Archäologischer Service Tschuch) mit Inhaber und Grabungsleiter Matthias Tschuch in ähnlicher Mission im Auftrag der Baywa als Grundstücksbesitzer auf dem Baywa-Gelände unterwegs.
Dort sollen bekanntlich nach Abriss der vorgelagerten Gebäude die neuen Märkte von Edeka und Netto an der Frankenwinheimer Straße entstehen. An dieser Stelle ist ebenfalls ein vorgeschichtliches Bodendenkmal in den Karten eingetragen.
Untersucht wurde jetzt der schmale Streifen an der westlichen Grundstücksgrenze, auf dem gerade der Wasseranschluss verlegt wird. Matthias Tschuch kann bestätigen: Ja man sei auf archäologische Funde gestoßen, „obwohl man das dem Gelände nicht ansehen mag“. In der Mehrzahl handele es sich um Funde aus vorgeschichtlichen Siedlungszusammenhängen.
Hinweis auf erste Bauern in der Gegend
Zwei Befunde würden sich zeitlich deutlich abheben. Die Scherben im ersten Fall sind der Linienbandkeramik zuzuordnen, also der Zeit zwischen 5500 und 4800 vor Christus. Das sei das Älteste, was man aus der Jungsteinzeit von den ersten Bauern in der Gegend finden könne, so Tschuch. Im zweiten Fall handelt es sich um eine Grube, die Eisenschlacke enthalte, und somit in die Zeit zwischen Eisen- und Neuzeit falle.
Aufgrund dieser Befunde, werde die archäologische Begleitung auf dem Baywa-Areal auf jeden Fall in irgendeiner Form weitergehen. Tschuch: „So nah an der Oberfläche liegend, sind die jeweiligen Fundstellen durch den Bau eindeutig gefährdet.“