Was Forstleute Hiebsmaßnahme nennen und die Bayerischen Staatsforsten als sehr zurückhaltende Holznutzung bezeichnen, bringt momentan die Naturschutzverbände und Naturfreunde im Steigerwald regelrecht auf die Buche. Einmal mehr geht es um den Dauer-Zankapfel „Hoher Buchener Wald im Ebracher Forst“. In dem von zwei Naturwaldreservaten flankierten Waldidyll hat der Forstbetrieb Ebrach jetzt nach der von den Gerichten bestätigten Aufhebung der Verordnung für den Geschützten Landschaftsbestandteil seine Zurückhaltung aufgegeben und damit begonnen, zu der dort seit 2014 ruhenden Forstwirtschaft zurückzukehren.
Von Wortbruch und Waldverwüstung ist bei den vereinten Naturschutzorganisationen von Bund Naturschutz über WWF bis hin zu Greenpeace die Rede. Gefordert wird von den Verbänden ein sofortiger Stopp der „Einschläge“ im ehemaligen Klosterforst der Zisterzienser und ihn als Großschutzgebiet endgültig aus der Nutzung zu nehmen.
Der konzertierte Protest hat jetzt maßgebliche Vertreter von Bund Naturschutz (BN), Landesbund für Vogelschutz (LBV), Greenpeace, der Gregor Louisoder-Umweltstiftung und des Vereins Nationalpark Steigerwald in den Hohen Buchenen Wald nach Ebrach geführt. Alle Sprecher der genannten Umweltverbände kritisierten im Einklang mit dem WWF Deutschland die hier aktuell begonnenen Fällungen massiv. Zugleich halten sie an ihrer Forderung fest, auf dem Weg zur Erlangung des Unesco-Weltnaturerbe-Titels für den Steigerwald einen Nationalpark im Staatswald mit dem „Hohen Buchenen Wald“ als Keimzelle einzurichten.
Staatsforsten weisen alle Vorwürfe zurück
Die Bayerischen Staatsforsten weisen indes alle Vorwürfe weit von sich. Dort läuft die Kommunikation mit den Medien zum Ebracher Forst inzwischen nicht mehr über den Forstbetrieb in Ebrach, sondern ausschließlich direkt über die Zentrale in Regensburg. Sprecher Jan-Paul Schmidt stellt klar, dass in dem betreffenden Gebiet lediglich „eine sehr zurückhaltende Nutzung für Pflege- und Waldbaumaßnahmen“ stattfinde. Er weist zugleich darauf hin, dass im Ebracher Forst einer der im Naturschutz anerkanntesten Praktiker Deutschlands die Verantwortung für den Wald trage, der Ebracher Forstbetriebsleiter Ulrich Mergner. Dieser habe ein sehr naturschonendes Nutzungskonzept für den „Hohen Buchenen Wald“ entwickelt. Im Mittelpunkt stünden sehr vorsichtige Maßnahmen zur Förderung des Waldumbaus sowie Pflanz- und Pflegemaßnahmen wie etwa die Kronenpflege zugunsten der Eiche.
Jan-Paul Schmidt: „Im Ebracher Forst wird es nach dem Mergner-Konzept auch weiterhin dicke Buchen geben, die als Methusalem- und Biotopbäume geschützt werden.“ Dieses Konzept habe der Forstbetriebschef in Ebrach den Verbänden, darunter auch dem BN, und der Öffentlichkeit vor Ort im Sommer 2018 vorgestellt, so der Staatsforsten-Sprecher.
Bei den Umweltschutzverbänden hört sich das ganz anders an. Sie sind auf 180. Vor allem zwei Punkte bringen sie auf die Barrikaden: So soll Staatsforsten-Vorstand Martin Neumeyer dem heutigen BN-Ehrenvorsitzenden Hubert Weiger versprochen haben, im Hohen Buchenen Wald in diesem Winter keine dicken Bäume zu fällen. Der Streit wogt dabei nun darüber hin und her, was mit Starkbäumen konkret gemeint ist. Davon hatte der BN zur „Beweissicherung“ 7600 Stück im „Hohen Buchenen Wald“ kartiert. Für die Umweltschutzorganisationen beginnt die Grenze in diesem Zusammenhang bei der im Mittelpunkt stehenden Buche bei einem in Brusthöhe gemessenen Durchmesser (BHD) von 60 Zentimeter. Für die Staatsforsten sind die Buchen erst ab 80 Zentimeter dick und vor ihrer "Ernte" geschützt.
Wo beginnt der Schutz für dicke Bäume?

Das ist genau die Grenze, ab der Buchen zu sogenannten Methusalem-Bäumen und damit zu Baumgiganten werden, die ihr natürliches Lebensende erleben dürfen. Das ist aber gerade der Knackpunkt. So sind etliche Buchen mit einem BHD zwischen 60 und 80 Zentimeter im „Hohen Buchenen Wald“ zur Fällung von den Förstern aus Ebrach anmarkiert. In der dazu zählenden Abteilung „Steinkreuz“ bei Handthal liegen sie bereits verstreut im Wald darnieder. Im „Krackentännig“ an der direkt vorbeiführenden B22 bei Prichsenstadt-Neudorf, hier ist seit der Forstreform der Staatsforsten-Betrieb Arnstein zuständig, sind sie reihenweise zum Abtransport am Waldweg abgelegt.
Dass diese potenziellen Methusalem-Anwärter quasi nicht in Ruhe altern dürfen und durch ihre vorzeitige Entnahme die Staatswälder im Steigerwald nicht alt werden können, das ist es, was die Creme de la Creme an Naturschutzverbänden, die in Deutschland Stimme und Gewicht haben, so im Steigerwald aufbringt, auch wenn der Forstbetrieb Ebrach erklärt, dass genug dicke Bäume nachwachsen würden.
Das halte ich für einen Skandal, denn Waldschutz ist nachweislich der beste Klimaschutz“
BN-Waldreferent Ralf Straußberger
„Hier wird im großen Stil gefällt, bevor die Bäume die Stärke von 80 Zentimeter erreichen, bei der sie auch von den Staatsforsten geschützt werden. Das halte ich für einen Skandal, denn Waldschutz ist nachweislich der beste Klimaschutz“, betont so Ralf Straußberger, der Wald- und Jagdreferent des Bund Naturschutz.

Hermann Bösche, Vorsitzender der Naturforschenden Gesellschaft Bamberg, bringt die Problematik auf den Punkt: „Mit jedem Einschlag wird die vor vier Jahren begonnene natürliche Waldentwicklung wieder unterbrochen. Damit wird ein Naturwald verhindert, der für den Schutz der Wald-Biodiversität unersetzlich ist.“
Hubert Weiger: "Das ist ein gewaltiger Rückschlag"
BN-Ehrenvorsitzender Hubert Weiger erklärt: „Vier Jahre lang ruhte die Motorsäge. Jetzt hat sie die Arbeit wieder aufgenommen, trotz der Zusage, die dicken Bäume wenigstens im Moment zu schonen. Das ist ein gewaltiger Rückschlag.“
„Wir sind bestürzt und erzürnt. Wieder einmal müssen wir die Erfahrung machen, dass man sich nicht an die Zusagen hält“, so Liebhard Löffler, Vorsitzender des Nationalparkvereins. „Kehren Sie zu den Versprechungen zurück!“, so sein Appell. „Dass man in wertvollen Waldbeständen Holz macht, erschüttert mich, gerade nach der Verabschiedung des neuen Koalitionsvertrages von CSU und Freien Wählern", so Volker Oppermann von Greenpeace Bayern.
„Bayern hat eine besondere Verantwortung für den Schutz alter Buchenwälder. Wir fordern die Staatsregierung daher auf, ein großflächiges nutzungsfreies Schutzgebiet einzurichten, mit dem Bayern sich als Fernziel für ein Weltnaturerbe Buchenwälder bewerben kann“, sagt Helmut Beran, seines Zeichens stellvertretender Geschäftsführer des Landesbundes für Vogelschutz.

Obermeier warnt vor Taschenspielertricks
Für Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung, geht es darum, „das Tafelsilber der bayerischen Natur wie den Hohen Buchenen Wald für kommende Generationen zu erhalten“. Nachdem die alte Staatsregierung auf diesem Gebiet „alles strikt abgelehnt hat“, ruht seine Hoffnung auf den jetzigen Koalitionären. Er warnt aber davor, das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, zehn Prozent des Staatswalds als nutzungsfreien Naturwald zu schützen, durch „Taschenspielertricks zusammenzurechnen“, so dass die Natur am Ende doch wieder das Nachsehen habe. Ein Teilnehmer der Protestaktion formulierte sarkastisch: "Wie erwartet, hat man die Landtagswahl noch abgewartet. Jetzt liegt hier das Weltnaturerbe am Boden."
Grüne fordern: Schützen statt abholzen
Angesichts der Fällung von Starkbäumen fordert auch für die Grünen im Bayerischen Landtag deren naturschutzpolitischer Sprecher Patrick Friedl (Würzburg) in einer Pressemitteilung, den „Hohen Buchener Wald“ zu schützen, statt abzuholzen.

