Das erste Gerücht hieß: Die Bauunternehmung Glöckle macht dicht. Das war großer Unfug. Ein relativ kleiner Teil des Unternehmens wird zum 30. November aber tatsächlich geschlossen. Es ist die Zimmerei, ausgerechnet der Betriebsteil, der Jakob Glöckle, dem Gründer des Bauunternehmens (1908), besonders am Herzen lag. Er war selbst Zimmerer. 16 Beschäftigte werden betriebsbedingt entlassen. Die Kündigungen erfolgen demnächst. Das bestätigen die Gesellschafter Klaus und Carolin Glöckle.
Am Freitag, 5. September, um die Mittagszeit erfuhren die Betroffenen von der Geschäftsleitung von der Entscheidung. Ein Mitarbeiter war gar aus dem Krankenstand heraus zu der Versammlung gerufen worden. Die Geschäftsführer Daniel Filsner (Glöckle Hoch- und Tiefbau GmbH) und der kaufmännische Geschäftsführer Jürgen Hertel (Glöckle Holding) verkündeten den Zimmerern sodann die Hiobsbotschaft.
Einen Sozialplan muss das Unternehmen nicht auflegen, dazu sei die Zahl der Betroffenen zu niedrig, sagt auf Anfrage Hans Beer, Regionalleiter Franken der IG BAU. Bei rund 250 Beschäftigten der Glöckle Hoch- und Tiefbau GmbH, zu welcher die Zimmerei gehört, fordere das Betriebsverfassungsgesetz erst ab 37 Gekündigten einen Sozialplan. Die Geschäftsleitung habe schon in Vorgesprächen mit dem Betriebsrat als freiwillige Leistung einen Topf von 100 000 Euro angeboten, die als Abfindung unter den Betroffenen verteilt werden könnten.
Laut Beer hätten er und der Betriebsrat eine deutlich höhere Summe als angemessen erachtet, konnten damit aber nicht durchdringen. Nun sollen acht Mitarbeiter mit einer Betriebszugehörigkeit von unter zehn Jahren je 2500 Euro erhalten und die anderen acht, die – reiner Zufall – alle über 20 Jahre dabei sind, jeweils 10 000 Euro. Hinzu kommen laut Firmenchef Klaus Glöckle noch zusätzliche Geldbeträge pro Kind, sowie für jene, die vor dem 30. November ausscheiden – etwa in eine neue Arbeitsstelle.
„Die Stimmung in der Abteilung war sehr schlecht und die Reaktionen teils heftig“, sagt Gewerkschafter Behr. Betriebsbedingte Entlassungen sind für den rund 400 Mitarbeiter großen Familienbetrieb Glöckle mit einem Umsatz von rund 100 Millionen Euro in diesem Jahr auch Neuland: ein Bruch mit der Betriebsphilosophie, in der das Unternehmen ein große Familie sein soll.
Was sind die Gründe für die Abteilungsschließung? Klaus Glöckle nennt drei: Das Unternehmen zahle seinen Zimmerern Bautarif, mehr als Zimmereien; die Abteilung erwirtschafte seit fünf Jahren Verluste, eine Besserung sei nicht in Sicht; schließlich sei der jetzige Betriebsstandort mit Wohnungen über der Schreinerei verkauft, ein neuer Standort würde mindestens zwei Millionen Euro kosten – bei einem Jahresumsatz der Zimmerei von 1,5 Millionen. Aus Sicht der Geschäftsführung wird also ein chronisch defizitärer Betriebsteil geschlossen. Angebote für die Mitarbeiter in anderen Betriebsteilen halten Klaus und Carolin Glöckle kaum für sinnvoll, weil die Betroffenen ausgebildete Zimmerer seien, keine Bauarbeiter. Und: „Es gibt da ein gesetzliches Problem“, so Klaus Glöckle, „würden wir einen übernehmen, müssten wir wohl alle übernehmen, dann hätten wir einen Betriebsübergang, und das wollten wir vermeiden.“
Das kann sich ein langjähriger Mitarbeiter gut vorstellen – und hält die freiwilligen 100 000 Euro für die 16 teils langjährig Beschäftigten für „die größte Frechheit“ – neben dem letzten Absatz in der internen Mitarbeiter-Information, in der die Zimmerei-Schließung mitgeteilt wird. Dort wird die gute Auslastung der Firmengruppe und ihre positive Entwicklung betont. „In die Zimmerei wurde ja 30 Jahre nichts investiert.“
Auch dass der Zimmerer nun mal kein Bauarbeiter sei und die Übernahme der Gekündigten in andere Betriebsteile ausscheide, hält der langjährig Beschäftigte für eine Ausrede: „Wir haben schon alles gemacht, Schalungen, Bauarbeiten, Brückenbau, vier von uns haben einen Kran-Schein.“ Die Kollegen fühlten sich ausgebootet und billig abgespeist. Und: „Von denen reißt sich keiner mehr ein Bein raus.“ Die Schließung der Zimmerei fällt in eine Zeit, in der es dem Gesamtunternehmen ausgesprochen gut zu gehen scheint. Das aktuelle Firmenmagazin spricht von der „großen Glöckle-Bau-Familie“, einem zufriedenstellenden Ergebnis im letzten Geschäftsjahr und einem „sehr hohen Auftragsbestand in allen Bereichen“. Die Zimmerei scheint davon ausgenommen zu sein.
„Wir bedauern sehr, dass wir zum ersten Mal eine Abteilung schließen müssen“, so Carolin Glöckle, „aber wir sehen keinen anderen Weg.“ Etwa ein Drittel der Betroffenen stünden schon in Verhandlungen mit anderen Arbeitgebern und die Zeit für gute Facharbeiter, eine neue Stelle zu finden, sei gerade sehr günstig.
Der Betriebsratsvorsitzende ist im längst gebuchten Urlaub im Ausland. Sein Stellvertreter wollte sich nicht äußern. Er ist selbst Zimmerer, von der Schließung aber nicht betroffen. Als Betriebsrat hat er besonderen Kündigungsschutz.