schweinfurt Seine Erscheinung ist kaum zu übersehen: Groß, knappe zwei Zentner, markanter gänzlich kahler Kopf, trägt oft Hosenträger über dem Freizeithemd: Marc-Dominic Boberg, 37, verheiratet, Vater zweier Töchter, beruflich Handelsvertreter für einen Hersteller von Naturtextilien. Letzten Donnerstag wurde der Schweinfurter auf der Hallburg bei Volkach zum Direktkandidaten der Bündnisgrünen im Wahlkreis Schweinfurt-Kitzingen für die wohl anstehende Bundestagswahl im September gewählt.
In und um Schweinfurt ist Boberg kein Unbekannter. Seit den 90er Jahren kämpft er an vorderer Front gegen die zivile Atomkraft-Nutzung. Gegen den Einsatz von Brennelemente mit erhöhter Anfangsanreicherung im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld klagte er über alle Verwaltungsgerichtsinstanzen und beim Bundesverfassungsgericht - jedoch ohne Erfolg. Nun liegt die Sache bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte zur Entscheidung.
Boberg kämpft seit vielen Jahren aus voller Überzeugung gegen die Atomkraft und für den Ausbau der regenerativen Energien (Sonne, Wind, Holz), für Kleidung aus natürlichen, gesunden Materialien - für urgrüne Themen also. Doch erst jetzt - am 7. Juli - ist er der Partei auch beigetreten und will ihr im Wahlkampf "ein Gesicht geben", wie dies der bayerische Grünen-Chef Sepp Daxenberger bei der Vorstellung Bobergs sagte: sein Gesicht.
An Selbstbewusstsein mangelt es dem 37-Jährigen nicht. Nach der für Rot-grün verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen habe er beschlossen, in die Politik zurückzukehren. Merkel und Stoiber von den Unionsparteien, die jetzt als Alternative drohten, dürften mit ihren erklärten Zielen, Restlaufzeiten der AKW zu verlängern und den Atomausstieg sogar generell in Frage zu stellen, keinen Erfolg haben. Dies wäre nicht einmal nur für die Umwelt eine Katastrophe, sondern auch ökonomisch: Erstens seien über 20 Jahre alte Kernkraftwerke wirtschaftlich nicht zu betreiben, zweitens würden boomende Industriezweige gefährdet, die mit umweltfreundlichen Energiesystemen zukunftsträchtige Arbeitsplätze schaffen.
Als seinen zweiten politischen Interessensschwerpunkt nennt Boberg den Sport, besonders Breitensport, der so wichtig für die Gesundheit der Leute sei, besonders der Kinder, aber in der Schule immer mehr zu kurz komme. Schließlich liegt ihm das Wasser am Herzen - sauberes, gutes Wasser, das er - wie die Luft - für ein öffentliches Gut hält. Wasser dürfe nicht privatisiert und der Spekulation der Konzerne ausgesetzt werden, sondern müsse weiter in der öffentlichen Hand und Aufsicht der Städte und Gemeinden bleiben.
Dass er hier das Direktmandat gegen einen Platzhirschen wie Michael Glos (CSU) gewinnen könnte, glaubt natürlich keiner bei den Grünen, auch Boberg nicht. Aber: "Ich will ihm so viele Stimmen wie möglich wegnehmen", denn Glos stehe nicht für zukunftsträchtige Wege, sondern sei "eine Ikone der Kohlschen Politik und nicht geeignet, einen Politikwechsel in die richtige Richtung herbeizuführen".
Bayerns Grünen-Chef Sepp Daxenberger lobte Boberg als neuen, aber sehr markanten und profilierten Kandidaten der Grünen, den er nach Kräften unterstützen werde.