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Großstadt-Blues und Pschyrembel

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Großstadt-Blues und Pschyrembel

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    Schweinfurt Der Kleinkrieg geht weiter: Reichte nicht der Dauer-Konflikt zwischen dem Kabarettisten Thomas Pigor und seinem treu ergebenen Pianisten Benedikt Eichhorn? Zusätzlich muss der sich jetzt über seine neue musikalische Konkurrenz auf der Bühne ärgern: Über das Ulf, den Soundmaster Ulf Henrich an der Elektronik. Doch Ulf agiert selbstbewusst weiter, schließlich waren es ja auch die Discjockeys, die den Rap - wesentliches Gestaltungselement Pigors - mit ihrer instrumentalen Background-Mixtur erst lebendig machten.

    Die Künstler aus Berlin präsentierten in der zweimal ausverkauften Disharmonie auch mit ihrem neuen Programm "Pigor singt und Eichhorn muss begleiten, Volume 4" berauschendes, intelligentes Musikkabarett: Alltags-Poesie und Großstadtsongs, wehleidig, bösartig, satirisch, entlarvend, zum Brüllen komisch. Und statt weiterer Adjektive für die hohe Qualität und Beliebtheit der beiden preisverwöhnten Künstler ein ganz anderes Indiz: Inzwischen haben sie auch das kritische Wien im Sturm erobert, in Berlin treten sie den ganzen Monat April im renommierten Kleinkunsttempel "Bar jeder Vernunft" auf.

    Beim Opener "Lassen Sie uns tun, als wären wir in Köln" testen die beiden ihr Publikum, ob es denn bereits karnevalisiert sei - und haben schon gewonnen. Dann geht es Schlag auf Schlag, wie Ping-Pong-Bälle fliegen die Pointen durch den Saal. Voller Wortwitz, Blödelei und Hintersinn sind auch die kleinen Szenen zwischen den Songs, die geschickt zum nächsten Lied überleiten. Eine Fachsimpelei über Yamaha-Klaviere und deren Transportprobleme etwa mündet im Song: "Nein, bei deinem Umzug helf ich nicht".

    Aber der schmerzende Rücken ist ja nicht alles. "Ich leide unheilbar an Hypochondrie" bekennt Pigor, empfiehlt zum Aufstöbern immer neuer Krankheiten den Pschyrembel, und das Ulf sorgt gleich für eine kurze Tinnitus-Epidemie im Publikum. Das hat auch volles Verständnis für die Forderung, Wörter wie Rüpel und Rowdy endlich zu "feminisieren" - angesichts "rücksichtsloser kleiner, dicker Frauen", die in überfüllten Einkaufszentren wahre Breschen durch die Menschenmassen vor den Wühlkörben schlagen.

    Vieles beginnt unter dem Mantel der Ernsthaftigkeit, entpuppt sich dann allmählich als gefährlich blödelnder Sarkasmus: "Ich bin nicht Ausländer feindlich, aber ich finde, Amerikaner sind zu dick". Der Song "Petra K." würdigt zwar die Verdienste Petra Kellys, kippt dann aber über Blairs David Kelly und Grace Kelly zur Feststellung: "Ich mach mir Sorgen um die Kelly-Familie". Und auch der Martin-Heidegger-Reggae endet in einem zungenbrecherischen Gesülze von der Eigentlichkeit des Seins. Doch solch existenzielle Fragen klären Eichhorn und Ulf während der Pause bei einer Familienaufstellung.

    Mit Ironie und Witz parodieren beide Kabarettisten die großen Gefühle des französischen Chansons am Beispiel "Am Hauptbahnhof von Paris": Pigor mit typischer Gestik und dramatischem Vortrag, Eichhorn gibt dem simplen Text durch Crescendo und Tonartwechsel die nötige emotionale Durchschlagskraft. Das ist allerbeste Kleinkunst - weitab von landläufiger Comedy. Ebenso brillant "Vorsicht vor Nazi-Vergleichen" und die Berliner Ballade "Geh'n bevor es hell wird". Und bevor der stürmische Applaus mit drei Zugaben belohnt wird, darf dann Eichhorn wirklich einmal ein Solo singen. Er ist glücklich.

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