Nach 28 Jahren gibt Joachim Haas den Vorsitz des Schweinfurter Kunstvereins ab. Endgültig. Das fällt ihm sichtlich schwer, gleichzeitig schmiedet er im Interview schon wieder eifrig Pläne. Zum Fototermin treffen wir uns bei den zwei Großskulpturen von Herbert Mehler an der Kunsthalle. Dass sie hier stehen, sei sein Verdienst, sagt Haas. Er habe unbedingt gewollt, dass die Arbeiten nach Mehlers Ausstellung dauerhaft bleiben. Eine habe die Stadt inzwischen gekauft, eine der Kunstverein, für jeweils 40 000 Euro. Das sei weniger als die Hälfte des ursprünglichen Preises, sagt Haas, und das habe er mit dem Künstler ausgehandelt. Am Ende des Gesprächs spricht er über seine größte Niederlage, den Bruch mit dem Künstlerpaar Matschinsky-Denninghoff. Nur bei der Frage nach seinem Nachfolger gibt er sich ungewöhnlich zugeknöpft.
Frage: Herr Haas, wer wird denn der neue Vorsitzende des Kunstvereins?
Joachim Haas: (lacht) Das ist noch geheim, weil er mir noch nicht zugesagt hat. Er war mit seiner Frau bei mir, beide waren sehr angetan, was auch wichtig ist. Diesen Job kann man nicht ohne die Zustimmung der Ehefrau stemmen. Er sagt, es sei eine Ehre, den Vorsitz zu übernehmen. Aber er muss es mit seinem Beruf vereinbaren können. Er wird sich wahrscheinlich bis Anfang September entscheiden. Ich hoffe, dass er es macht, er wäre für Schweinfurt ein Gewinn.
Kommt er von außerhalb?
Haas: Nein, er ist Schweinfurter. Aber Sie brauchen nicht weiter versuchen, es herauszufinden. Ich darf das jetzt noch nicht sagen. Am 2. September haben wir eine Vorstandssitzung, dann wird er sich hoffentlich vorstellen.
Wie stark ist er mit der Kunstszene verbunden?
Haas: Noch so wenig wie ich 1986.
Sie haben 2012 öffentlich angekündigt, dass Sie dieses Jahr zurücktreten. Gab es in den vergangenen Monaten Momente, in denen Sie diese Entscheidung bereut haben.
Haas: Wenn ich es nicht so deutlich versprochen hätte, ich hätte es mir noch einmal überlegt. Mir geht es um die Zukunft des Kunstvereins. Aber ich habe vor zwei Jahren zugesichert, den Verein in jüngere Hände zu legen. Auch meiner Frau habe ich es versprochen. Wir haben Kinder und Enkelkinder, für die Familie war immer zu wenig Zeit. Außerdem: Ich bin jetzt 68, zwei Jahre arbeite ich noch in der Kanzlei. Irgendwann wollen wir uns mit der Kunst, die wir mögen, richtig befassen. Wir wollen in Ateliers gehen, Ausstellungen besichtigen, Dinge tun, zu denen wir jetzt nicht kommen.
Sie haben den Verein mitbegründet. Sie waren 28 Jahre lang Vorsitzender und das Gesicht des Vereins. Sie wollen auch weiter mitarbeiten. Wie wird das aussehen?
Haas: Ja, als Schriftführer, der ich seit 28 Jahren übrigens auch bin. Nominell ist es Christina Frase, sie betreut unseren Internetauftritt, alles andere Schriftliche läuft in der Kanzlei.
Schriftführer wird vermutlich nur das offizielle Amt sein. Aber Sie wollen auch noch Ausstellungen kuratieren?
Haas: Ja. Wir, das heißt meine Frau und ich, kuratieren 2015 eine Ausstellung mit Hans Karl Kandel. Der Künstler hatte bei der Triennale die großen Gipsgefäße. 2016, zu meinem 70. Geburtstag, erfülle ich mir einen Traum: eine Paul-Klee-Ausstellung im Kunstsalong.
Viele Ausstellungen kamen zustande, weil Sie enge Kontakte zu den Künstlern haben?
Haas: Wir haben Erfolg, weil wir von Anfang an enge familiäre Beziehungen zu den Künstlern pflegen, teilweise bis zu ihrem Tod und anschließend zu den Witwen oder Töchtern. Diese Beziehungen halten wir immer aufrecht. Das bereichert unser Leben sehr.
Werden Sie dem neuen Vorsitzenden trotz Ihrer Erfahrungen den Raum lassen, eigene Wege zu gehen?
Haas: Wenn er es schon kann, ja.
Sonst wird es vermutlich nicht gut gehen. Ich nehme doch an, Sie haben sich einen selbstbewussten Nachfolger ausgesucht?
Haas: Wir wollen künftig stärker in Teams arbeiten. Das Ausstellungsteam wird von Matthias Langer, Mitarbeiter im Museum Georg Schäfer, geleitet. Kuratoren werden wir mehrere haben, beispielsweise die Malerin Christa Nothtroff, die 2015 eine Ausstellung mit der Beuys-Schülerin Brigitte Dümling organisieren wird. Die Geschäftsstelle bleibt für die nächsten vier Jahre in meiner Kanzlei, meine Damen wissen fast alles. Das kann der neue Vorsitzende in Anspruch nehmen. Ich habe ihm jede Hilfe zugesichert.
Aber er wird sich freischwimmen wollen.
Haas: Ja, er ist ein Macher.
Werfen wir noch kurz einen Blick zurück. Der Verein hatte lange Zeit nur die kleinen Räume in der Oberen Straße. Mit dem Salong in der Kunsthalle kam die Verpflichtung, eigene Ausstellungen auf die Beine zu stellen. 2012 waren es sieben. Das war eine Überforderung oder?
Haas: Das vorletzte Jahr war katastrophal. Es war einfach zu viel. Fast alle Ausstellungen, bis auf die in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle, haben meine Frau und ich gehängt. Ich hab das alles für die Kunst getan.
Sie hätten öfters „Nein“ sagen müssen.
Haas: Richtig, auch, was die Finanzen angeht. Ende 2012 hatten wir nicht mehr viel Reserve. Die Ausstellungen haben uns ziemlich reingerissen, auch die gemeinsamen mit der Kunsthalle. Denn da zahlen wir für Werbung und Ausstellungsarbeiten mit. Normalerweise haben wir immer ein sicheres Polster auf dem Konto, von dem wir zehren. Das Geld kommt aus den Beiträgen unserer 700 Mitglieder, den Erlösen der Kunstauktionen, dem Verkauf von Editionen und Zuschüssen. Aber jetzt geht es dem Kunstverein finanziell wieder sehr gut.
Ein attraktives Angebot für Mitglieder sind die Kunstreisen. Bleibt alles beim Alten?
Haas: Etwa die Hälfte unserer Mitglieder haben wir durch unsere Kunstreisen bekommen. Begonnen hat alles 1992, als mich Henri Nannen (langjähriger Herausgeber des Magazins Stern und Kunstsammler, Anm. d. Red.) gefragt hat: „Was macht denn so ein kleiner Kunstverein?“ Er bot uns an, eine Ausstellung mit Fred Thieler zu übernehmen. Das wurde die erste große gemeinsame Ausstellung mit den Museen und Galerien. So begannen auch unsere Kunstreisen. Seitdem haben wir eine enge Verbindung. Eske Nannen (die Witwe von Henri Nannen) besucht uns bis heute. Bei unserer Kunstreise in die Kunsthalle Emden (1986 gebaut für die Nannen-Stiftung) geht sie mit uns essen. Wir haben unsere Reisen immer am Geldbeutel der Lehrerwitwe orientiert. Sie sollte auch mitfahren können. Das hat sich leider geändert. Mittlerweile wird nach meiner Meinung in puncto Hotelkategorie zu hoch gegriffen. Einfacher würde auch genügen, es geht schließlich um Kunsterlebnisse. Ich wäre dafür, das zu reduzieren, und hoffe, das noch ändern zu können.
Wie sieht es mit dem Vereinsnachwuchs aus?
Haas: Wir vermissen junge Mitglieder, das haben wir nicht geschafft.
Das Programm war immer sehr stark von Ihren Beziehungen und Ihrem Kunstgeschmack geprägt. Eine der ungewöhnlichsten Ausstellungen aber war die freche Installation von Albrecht Fersch mit den DIN-A-4-Blättern. Wenn der Kunstsalong auch eine Plattform für ganz junge, auch experimentelle Künstler wäre, könnte das doch ein Anreiz für junge Leute sein.
Haas: Das ist beabsichtigt, 2016 zeigen wir drei Studenten. Das muss auch sein. Wir brauchen die Mischung. Wir haben viel getan für die Kunst und die jungen Künstler. Darauf bin ich stolz. Aber ein Thema ist bis heute schmerzlich, der Bruch mit dem Bildhauerpaar Matschinsky-Denninghoff. Erich Schneider (Leiter der Kunsthalle) und ich waren bei Matschinskys in Vorbereitung zum Ankauf des „Theseus“. Die beiden boten uns eine Wagenladung Kunst an, als Geschenk für Schweinfurt. Unser Auto war randvoll. Der Meistermann, der in der Kunsthalle hängt, war dabei. Die beiden haben gesagt „Wenn ihr wiederkommt, könnt ihr noch vieles mitnehmen, unter anderem einen kleinen Picasso.“ Aber als wir dann nach dem Bürgerbegehren gegen den „Theseus“ die größten Feinde waren, ist der Kontakt völlig abgebrochen. Noch am Abend hat Martin Matschinsky bei uns angerufen und gesagt: „Die Namen Grieser, Schneider und Haas wollen wir nie mehr im Leben hören.“ Der Stadtrat hatte den Ankauf ja schon beschlossen, aber dann kam Stefan Labus, der sich „Theseus-Verhinderer“ nannte und das auch geschafft hat. Meine Frau hat den Matschinskys noch einen langen Brief geschrieben, der nie beantwortet wurde. Wir waren wie die Kinder dort, wir hätten alles bekommen. . . für Schweinfurt. Alles. Das war unsere größte Niederlage, die bis heute schmerzt. Die ganz große Kunst hätten wir für Schweinfurt bekommen. . .