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JA Koch im MGS: Geben, was die Natur nicht hat

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JA Koch im MGS: Geben, was die Natur nicht hat

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    Joseph Anton Koch: Agnello Brunelleschi, vom sechsbeinigen Drachen angefallen, 1803, Wien (Ausschnitt).
    Joseph Anton Koch: Agnello Brunelleschi, vom sechsbeinigen Drachen angefallen, 1803, Wien (Ausschnitt).

    Die Malerin Louise Seidler, die von 1818 bis 1823 in Rom lebte, begegnete dort einem Künstler, dessen Persönlichkeit sie besonders beeindruckte. Sie schrieb: „Des Tirolers Koch heiteres, witziges Wesen war ebenso originell wie tüchtig. Er empfing uns in Hemdsärmeln in seinem Atelier, sprach den Tiroler Dialekt, hatte stets auf einem Stuhle neben sich den Dante liegen. Er war so urwüchsig originell, dass er häufig verblüffte; ein solcher Kraftmensch ist nicht alle Tage zu finden.“

    Joseph Anton Koch, der auf diese Weise Beschriebene, prägte das römische Kunstleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er stammte aus einfachsten Verhältnissen. 1768 hatte er als Kind armer Häuslersleute in Obergiblen das Licht der Welt erblickt. Durch den Augsburger Weihbischof gefördert, konnte Koch ab 1785 die berühmte Hohe Karlsschule in Stuttgart besuchen, deren strengen Regeln er jedoch 1791 entfloh. Mit den Idealen der Französischen Revolution sympathisierend, führte ihn der weitere Weg über Straßburg in die Schweiz. Hier entdeckte er die Bergwelt für sich und seine Kunst. 1795 kam er schließlich nach Rom, wo er mit kurzer Unterbrechung bis zu seinem Tod heimisch wurde. Er durchwanderte die italienischen Landschaften, heiratete eine Italienerin und wurde mit seiner originellen, andere in seinen Bann ziehenden Persönlichkeit zum Zentrum der deutsch-römischen Künstlerkolonie.

    Koch revolutionierte die damalige Landschaftsdarstellung und ging zuweilen recht hart mit dem zeitgenössischen Kunstbetrieb ins Gericht: mit Kollegen, Mäzenen, sogenannten Fachleuten oder Kunsthändlern. Er missbilligte vor allem die reine Nachäffung. Sein Motto lautete: „Die Kunst muss geben, was die Natur nicht hat, alsdann nur ist sie schöpferisch.“ Den Geist der Natur wollte er einfangen, sie veredeln; er bewunderte die Dichtkunst als Mutter aller Künste.

    Die Ausstellung zeigt daher sowohl Skizzen und Studien Kochs, die vor der Natur entstanden, als auch daraus hervorgegangene Kompositionen, in denen der Künstler seine Idee einer vervollkommneten Natur verwirklichte und sie um Szenen aus der Mythologie und Bibel bereicherte. Die Landschaft der Aequer- und Albanerberge unweit Roms kam den Vorstellungen des Künstlers von idealer Landschaft bereits sehr nahe. Über sie schrieb er: „Alldort hat die Natur einen Urcharakter, wie man ihn beim Lesen der Bibel oder des Homer sich denken kann.“ Rom und seine Umgebung lieferten auch die Motive zu der 20-teiligen Radierfolge der „Römischen Ansichten“, die samt einiger Vorzeichnungen komplett in der Ausstellung gezeigt werden kann. Die Serie wurde 1810 herausgegeben und verbreitete sich rasant unter Sammlern und Künstlern, die sie nicht selten als Vorlage nutzen. Ein kleiner Exkurs der Ausstellung beschäftigt sich daher auch mit Kochs Einfluss auf seine Schüler und Kollegen, unter ihnen zum Beispiel Ludwig Richter.

    Koch war darüber hinaus ein herausragender Illustrator und ein einzigartiger Kenner von Dantes „Göttlicher Komödie“, wie bereits Louise Seidler andeutete. Er konnte einen Großteil der über 14 000 Verse auswendig. Für die Ausstellung stellt die Wiener Akademie mehrere dieser aktionsreichen Blätter zur Verfügung, neben bekannten Szenen – etwa mit dem unglücklichen Liebespaar Paolo und Francesca oder dem Hungertod des Grafen Ugolino – gibt es auch unbekanntere Einblicke in die Danteschen Höllenkreise.

    Das Titelmotiv der Ausstellung gehört ebenfalls in diese Reihe. Es zeigt eine Sequenz aus dem Tal der Schlangen, wo die Sünder von Schlangen und Drachen angefallen werden, mit ihnen verschmelzen, zu Asche verbrennen, wieder auferstehen, um diese Strafe in unendlichen Wiederholungen zu erfahren. Das hochdramatische Geschehen setzte Koch wirkungsvoll und eng an den Text angelehnt ins Bild (Abbildung oben Mitte): „Fällt plötzlich eine Schlange mit sechs Füßen den einen vorn an, ganz an ihn sich klammernd; den Bauch umschlang sie mit den Mittelfüßen und packt ihm mit den vorderen die Arme, drauf biss sie in die Wangen beiderseits ihn. Die Hinterfüße nach den Schenkeln streckend, legt ihren Schwanz jetzt hin sie zwischen beide, ihn hinten an den Lenden aufwärtsbiegend. . . . Weh dir, Agnello, wie du dich veränderst, sieh doch, schon bist du zwei nicht mehr, noch einer!“ Auch wenn das Illustrationsprojekt zu Lebzeiten Kochs unglücklicherweise scheiterte, gehören diese Arbeiten heute zu den aufregendsten des Künstlers.

    Joseph Anton Koch starb 1839. Sein Nachlass gelangte 1865 durch seinen Schwiegersohn, den Maler Johann Michael Wittmer, in die Sammlung der Wiener Akademie. Der umfangreiche Bestand wurde in den letzten Jahren von Cornelia Reiter neu bearbeitet und in einem Bestandskatalog erfasst. Den Abschluss dieser Arbeit krönt die Ausstellung mit einigen der schönsten Werke. Bevor sie nun in Schweinfurt zu sehen ist, war sie bereits in der Wiener Akademie und der Casa di Goethe in Rom zu bewundern. Dass das Museum Georg Schäfer die Freude hat, sich anzuschließen, liegt nicht zuletzt an dem Schweinfurter Koch-Bestand aus 17 Zeichnungen, die sich zu den Wiener Werken gesellen werden.

    Joseph Anton Koch in Rom – Museum Georg Schäfer, Zeichnungen aus dem Wiener Kupferstichkabinett, 11. März bis 6. Mai.

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