Anand Anders war begeistert. Aus dem Gewächshaus mit den über 2000 Kakteen, die mit Beginn der Gießzeit Zigtausende von Blüten bekommen, war der Fotograf erst nach einer Stunde und nach Absprache für einen zweiten Besuch zu locken.
Geht es um Blumen, Blüten und Gewächshäuser, darf der Journalist als kundigen Gesprächspartner eine Frau erwarten, was beim Schweinfurter Kakteenzuchtverein nicht der Fall und ein Grund für den Pressetermin war. Die organisierten Freunde der zumeist stacheligen Gewächse aus Nord- und Südamerika bringen es auf gerade einmal zwei Dutzend Mitglieder aus Schweinfurt Stadt und Land sowie aus der ganzen Region Main-Rhön, wobei die männliche Komponente stärker sei – wie sich der Vorsitzende Daniel Beck ausdrückte. Der Mitgliederstand so kurz vor dem 50. Jubiläum in 2015 ist also mau, weshalb man die Werbetrommel rührt und zeigt, was beispielsweise das Gewächshaus von Günter Stoll am Oberndorfer Schleifweg zu bieten hat.
Kakteen gehören zur Familie der Nelkenartigen innerhalb der Klasse der Bedecktsamigen, sagt Beck und, dass die meisten Kakteen als Sträucher, wenige als Bäume gedeihen, wobei die Carnegiea gigantea bis zu 15 Meter hoch wachse, während der kleinste Kaktus, Blossfeldia liliputana, flachkugelige Körper von kaum einem Zentimeter Durchmesser bilde. Die Lebensdauer der Pflanzen mit jährlichen Zuwächsen von nahezu Null bis mehr als einem Meter variiert ebenfalls stark – 13 bis 200 Jahre.
Gleich ist allen Kakteen, dass sie Wasser speichern, denn in den Wuchsgebieten von Kanada bis Patagonien, von den Tiefebenen bis zu Hochgebirgen, von Tropischen Regenwäldern bis zu Trockenwüsten, regnet es nicht unbedingt weniger als in Mitteleuropa, aber vielfach nur selten, weshalb die Pflanzen aufnehmen, was sie (fast ausschließlich oberirdisch und nicht in Wurzelknollen) speichern können. Vielfalt ist auch bei den Blüten angesagt, die im Durchmesser fünf Millimeter bis 30 Zentimeter groß sind, wobei einige Arten Blüten in verschiedenen Tönungen (Kakteen blühen in allen Farben außer Blau) hervorbringen. Bei den Kleinwüchsigen sind die Blüten nicht selten größer als die Pflanzenkörper und – wie bei allen Arten – bevorzugt gelb und rot.
Während in Amerika Ziegen, Vögel, Ameisen, Mäuse und Fledermäuse den Samen der beerenähnlichen und gefärbten Früchte verteilen, sind es in den europäischen Breiten die Kakteenfreunde, die für die Nachzucht sorgen und so „aktiven Artenschutz“ (Daniel Beck) leisten. Als Nahrungsmittel (Marmelade, Obst, Gemüse) spielt der Kaktus zumindest bei den Schweinfurter Kakteenfreunden keine Rolle. Auch produzieren diese keine Naturheilmittel oder Farben (durch Einsatz von Läusen). Stoll und Beck nennen nur zwei Gründe für ihr Hobby: Spaß am Formen- und Farbenreichtum.
Günter Stoll hat sich in seinem Gewächshaus auf die kleinen Arten aus Mexiko (neben Bolivien eines der Hauptwuchsgebiete) spezialisiert. An diesem warmen Märztag ist es in dem Gewächshaus aus hochwertigem Plexiglas bereits ungemütlich warm. Im Sommer staut sich die Hitze trotz automatischer Belüftung auf deutlich über 40 Grad auf. Im Winter lässt die Heizung die Temperatur nicht unter zehn bis zwölf Grad sinken. Eine Alternative zum Gewächshaus bieten die winterharten Sorten, über die Beck sagt, dass sie „in jedem Südeck wachsen, wo sonst nichts wächst“. Der Süden muss es wegen der Sonne sein.
Seit 1975 betreibt Stoll die Zucht im Gewächshaus. Einen Crash musste er in knapp drei Jahrzehnten nicht erleben. Angefangen hatte Stoll „wie alle, erst an der Fensterbank, dann im Frühbeet“. Akribisch aufgeschrieben sind die Namen der Kakteen, denn die korrekte Bestimmung ist nicht einfach und sorgt mitunter dafür, dass die Kakteenfreunde bei ihren monatlichen Treffen ordentlich in Wallung kommen, was bei 300 Gattungen, 2500 Arten und ungezählten Unterarten der Kakteen nicht verwundert.
Kakteenfreunde brauchen während des Urlaubs keine Nachbarn, die nach den Pflanzen schauen, da die Pflanzen bis zu neun Monaten auf die nächste Gießkanne warten können. Wer geschickt ausgewählt hat, der kann zu jeder Jahreszeit Blüten bewundern – die meisten jedoch im Frühjahr nach dem Angießen.
Infos und Kontakt: wwwkakteenfreunde-schweinfurt.de und tiere91@gmx.de und bei den Treffen an den jeweils zweiten Freitagen im Monat im Nebenraum der Gaststätte der Schweinfurter Turngemeinde, bei denen Fachvorträge und Beisammensein auf der Tagesordnung stehen.