In allen Farben locken Primeln oder Osterglocken derzeit vor Supermärkten und Discountern zum Kauf. Dagegen dürfen heimische Gärtnereien und Blumengeschäfte in Bayern ihre oft selbst produzierten Pflanzen nicht verkaufen, wegen der Ausgangsbeschränkungen zur Corona-Krise. "Wettbewerbsverzerrung" nennen dies die betroffenen Gärtner, oder auch einen "Affront" der bayerischen Staatsregierung, die jetzt sogar die Selbstbedienungsmöglichkeiten vor den Gärtnereien gegen Vertrauenskasse verboten hat.
Jeder Tag in dieser Krise ist anders – in Bayern. Anfangs der Woche war es den Gärtnereien und Blumenläden noch erlaubt, ihre Pflanzen wenigstens auf sogenannten "To Go"-Ständen zum Verkauf anzubieten, ohne Bedienung und Beratung, versteht sich. Also ohne direkten Kontakt zum Kunden. Was auch im Landkreis Schweinfurt einige Gartenbetriebe so handhabten. Seit 1. April ist aber auch dieser kleine Ausweg untersagt. "Ausschließlich Lieferwege dürfen die Betriebe nutzen", gibt der Bayerische Gärtnerei-Verband die Order der Staatsregierung wider.
"Situation wird schamlos ausgenutzt"
Dessen Geschäftsführer Jörg Freimuth ist im Gespräch mit der Redaktion hörbar aufgebracht. "Prinzipiell nehmen wir die Supermärkte als Wettbewerber an", sagt er. "Aber jetzt wird die Situation von ihnen so schamlos ausgenutzt". Er nennt als Beispiel eine aktuelle Werbung von Norma, in der ausschließlich Blumen und Pflanzen angepriesen werden – ohne einen Hinweis auf den eigentlich nötigen Lebensmittelverkauf. "Die sind privilegiert".
Es sei ein doppelter Affront, eine Beleidigung für die Gartenbetriebe: Dass die Staatsregierung dies zulasse und dass der Handel – von Edeka über Rewe bis Aldi, Lidl und Netto – so agiere. "Wir haben dies gegenüber dem bayerischen Wirtschafts- und dem Landwirtschaftsministerium sehr deutlich gemacht", sagt er. Eine Erklärung habe man nicht bekommen. Auch nicht darüber, warum in Österreich, aber auch in den angrenzenden Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, ja in allen Ländern außer in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern Gärtnereien und Blumengeschäfte sowie Baumärkte öffnen dürften.
Pflanzen aus eigener Produktion
"Wir produzieren unsere Pflanzen und Blumen selber", gibt Gärtnermeister Rupert Benkert aus Waigolshausen an. Das bedeutet, dass ab Herbst die Arbeit für die Frühjahrsblumen beginnt, dass Zeit, Personal, Energie, Heizung und Düngung investiert wurden. Wenn dann die Ernte für ein halbes Jahr Arbeit nicht eingefahren werden könne, sei das fatal.
Die Ausgangsbeschränkung, die er grundsätzlich befürwortet, so Benkert, treffe auch seinen Betrieb hart. Denn der Hauptumsatz werde hier, wie in allen Gartenbetrieben, zwischen März – um Ostern herum – bis etwa Pfingsten, also Ende Mai, Anfang Juni generiert. "Wenn da 40 Prozent des Jahresumsatzes wegbrechen, trifft uns das natürlich." Einen Großteil der Primeln habe er jetzt schon verschenkt, vieles müsse er wegwerfen, es sind ja verderbliche Produkte.
Auch Benkert hat für einige Tage vor seiner Gärtnerei bunt gemischte Kisten mit Blumen zum Verkauf angeboten. Die Kunden sollten den Kaufpreis in eine bereit gestellte Kasse legen. Er hoffte auf die Ehrlichkeit der Käufer, weiß aber inzwischen, "dass die Rechenkünste mancher Leute nicht so toll sind". Für ihn geht die Arbeit derzeit weiter: "Wir müssen für Sommer und Herbst produzieren", hofft Benkert auf Normalität ab Ende April.
Große Märkte und Ketten überleben diese Krise
Seinem Ärger über die Ungleichbehandlung von Supermärkten und Blumengeschäften macht auch Klaus Spath in Oberwerrn Luft. Er hatte ebenfalls vor seinem Geschäft Blumen in einem Selbstbedienungsbereich angeboten. Auf einem Schild beschreibt er die Situation und ergänzt, dass die Lebensmittelmärkte auch Kleidung, Sportartikel oder Fahrräder verkaufen dürfen. "Damit schaden sie den kleinen Einzelhändlern vor Ort sehr. Große Märkte und Ketten überleben diese Krise. Der kleine Familienbetrieb um die Ecke kämpft aber um das Überleben".
"Ich hoffe auf die Unterstützung der Leute vor Ort", sagt Spath. Denn wenn ein Gartenbaubetrieb sterbe, dann werde er auch später nicht wieder eröffnet. Man müsse den Leuten, die jetzt im Supermarkt Blumen kaufen, bewusst machen, wer ihnen später einen Trauerkranz oder eine Brautstrauß binden soll.
Auch Jörg Freimuth vom Gärtnerei-Verband prophezeit, dass zehn bis 15 Prozent der Betriebe aufhören müssen. Und wenn nach dem 19. April die Ausgangsbeschränkung weiter bestehe, würden es 20 Prozent, "und jede weitere Woche noch mehr". Gerade im Landkreis Schweinfurt gebe es noch viele Produktionsbetriebe, die die gleichen Kosten hätten wie Industriebetriebe. "Was da an Strukturen wegbrechen wird, ist nicht wieder zurückzuholen".
Lieferservice als Zeitfresser
Er bezeichnet seine Branche als keine, die sonst "gleich schreit". Man überlege erst, was man selbst tun könne. Etwa die Hälfte aller Gärtnerbetriebe biete jetzt Lieferservice. "Das kompensiert vielleicht zehn bis 20 Prozent des Umsatzes", sei aber ein extremer Zeitfresser. Und die Darlehen, die jetzt im Sofortprogramm für die Firmen angeboten würden, seien in seinen Augen keine Wirtschaftshilfe, sondern stabilisierten nur die Banken.
Was den Gärtnerei-Vertreter besonders empört, ist, dass nicht einmal Gemüsejungpflanzen verkauft werden dürfen. "Das sind doch auch Lebensmittel". Alles werde mit der Ausgangsbeschränkung begründet und den triftigen Gründen, für die das Haus verlassen werden darf. Und darunter falle nicht der Einkauf von solchen Pflanzen in Gärtnereien. "Eigentlich dürfte kein bayerischer Bürger über die Grenze ins nächste Bundesland fahren und dort solche Produkte einkaufen, weil das illegal ist", sagt er. "Aber da kontrolliert die Polizei nicht."
