9 Uhr. Die 44-jährige Ärztin verspätet sich etwas. "Eine Obduktion. Ich weiß oft nicht, was am nächsten Tag kommt", entschuldigt sie sich. Im schlichten, wenig schmucken Büro im Iduna-Hochhaus, 9. Stock, hat Dr. med. Margit Hader ihren Amtssitz. Die gebürtige Münchnerin ist in Aalen in Baden-Württemberg groß geworden. Ihre Sprache verrät die langen Jahre im Schwäbischen.
Die Abiturientin entscheidet sich kurz vor dem Studienbeginn dann doch nicht für den "Traum von der Chemikerin", sondern für den Arztberuf. Ein Vortrag hatte sie auf die Variante "Rechtsmedizin" aufmerksam gemacht. An der Uniklinik in Ulm arbeitet sie nach Studienabschluss als Assistenzärztin in der Pathologie. Als sie die Facharzt-Prüfung für Rechtsmedizin in der Tasche hat, liebäugelt die promovierte damals 33-Jährige mit einer Stelle in Augsburg. Dass es nicht klappt, krämt die junge Ärztin nicht. Sie ist flexibel und greift sofort zu, als ihr ersatzweise Schweinfurt offeriert wird. Bereut hat sie diese Entscheidung nie.
Das für Tötungsdelikte zuständige Kommissariat K 1 bei der Kripo hatte "die Leiche gemeldet". Der 51-Jährige war in seiner Ein-Zimmer-Wohnung tot aufgefunden worden. Die Balkontür stand offen, vieles war dubios. Mit dabei sind bei der Obduktion eine weitere Ärztin von der Rechtsmedizin und ein Polizeibeamter, wegen der "Zeugeneigenschaft".
Zunächst werden die äußeren Verletzungen beschrieben und festgehalten, dann alle drei Körperhöhlen des Toten geöffnet, also Schädel, Bauch, Brust. Man nimmt Proben für die chemisch-toxikologische Prüfung: Hat das Opfer Medikamente, Drogen oder Alkohol genommen und in welchen Mengen? Die Proben werden an das Institut der Rechtsmedizin an der Uni Würzburg geschickt. Eine "normale" Obduktion dauert in der Regel eine Stunde.
Beim diesem Toten lagen "keine Zeichen einer äußeren Gewalteinwirkung" vor. Wäre es anders gewesen, hätte die Polizei sofort weiter ermittelt.
Wie viele Tote sie schon obduziert hat weiß Dr. Hader nicht genau, schätzt um die 1500. Gibt es Fälle, die sie emotional berührt? "Nein", sagt sie und fügt an, dass "ich das gar nicht an mich ran lasse". Gleichwohl gehe es "ihr dann schon an die Nieren", wenn Angehörige einen Toten als Familienmitglied identifizieren und "zusammenbrechen".
Immer wieder wird sie mitten aus einer Arbeit gerissen, weil in einem Gerichtsverfahren ihre zunächst nicht nötig erachtete Aussage jetzt doch gebraucht wird. In einem Fall vor dem Schöffengericht letzte Woche musste sie das schriftlich vorliegende Gutachten noch einmal mündlich erklären, weil der Angeklagte die Dinge anders sah.
Oft untersucht sie Opfer von Schlägereien. Manche seien so zugerichtet, dass "ich manchmal nicht verstehen kann, wie ein Mensch einen anderen so zurichten kann". Deshalb auch hält Dr. Margit Hader in ihrer Freizeit Vorträge vor straffällig gewordenen jungen Leuten. "Die machen sich wenig Gedanken über die Folgen ihres Tuns."
Nachteinsätze sind selten. Wenn es sich aber um offensichtliche Tötungsdelikte handelt, dann legt Hader wert darauf, gerufen zu werden. "Fotos können nicht zeigen, was der eigene Eindruck vom Tatort vermittelt". Das Telefon läutet. Eine Autofahrerin ist mit reichlich Alkohol im Blut am Steuer ihres Wagens erwischt worden. Hader muss aufbrechen zur Blutentnahme.