Die psychosomatische Medizin geht von der Einheit von Körper (Soma) und Seele (Psyche) und ihren Wechselwirkungen aus. Sie befasst sich mit körperlichen Beschwerden, für die keine medizinische Erklärung gefunden werden kann. Es handelt sich um seelische Störungen, die sich in körperlichen Symptomen äußern. Was erwartet Betroffene mit solchen „unklaren“ Beschwerden in einer Klinik für Psychosomatik? Darüber besteht aus Sicht der Patienten ein großes Informationsdefizit. Deshalb der Vortrag „Psychosomatische Behandlung: Für was? Für wen? Wie?“, den Oberarzt Dr. Thomas Schmelter im Leopoldina hielt.
Schmelter leitet seit ihrer Eröffnung 2014 die Klinik für Psychosomatik im Leopoldina-Krankenhaus. Dies ist ein Gemeinschaftsprojekt des Leopoldina als Träger der Klinik mit dem Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatischer Medizin Werneck. Die Wernecker Klinik stellt das therapeutische Personal und ist für das Therapiekonzept und seine Anwendung verantwortlich. Eine Klinik für Psychosomatik an einem Allgemeinkrankenhaus wie hier am Leopoldina sei einmalig in Unterfranken, betont der Chefarzt. Und: „Dem Leopoldina tut die Psychosomatische Abteilung als Ergänzung gut“.
Die Zielgruppe
Das Angebot der Psychosomatischen Klinik richtet sich 1. an Menschen mit körperlichen Beschwerden, für die sich trotz erfolgter Untersuchungen keine ausreichende Erklärung findet (sogenannte somatoforme Störungen). 2. an Menschen mit chronischen Schmerzen, die durch Schmerzmedikamente nicht gelindert werden können. 3. an Patienten mit gleichzeitigem Vorliegen von seelischen und körperlichen Erkrankungen. 4. an Menschen mit psychischen Belastungen durch körperliche Erkrankungen. 5. an Menschen mit Depressionen und Angststörungen. Voraussetzung für eine Aufnahme ist die Bereitschaft des Patienten, an der eigenen psychischen und körperlichen Gesundung mitzuwirken.
Das Behandlungskonzept ist nicht geeignet für Patienten mit Selbstmordgedanken, mit selbstverletzenden- oder Hochrisikoverhalten, Psychosen, Störungen der Hirnorganik, Demenz oder Suchterkrankungen. Hier sind andere Therapieformen und andere Ansprechpartner (Psychiatrie, Suchtberatung) besser geeignet. Nicht geeignet ist eine psychosomatische Therapie auch für Patienten, bei denen die körperliche Behandlung oder Pflege im Vordergrund stehen.
Jahrelanges Ärzte-Hopping
Viele Betroffene seien jahrelang von Arzt zu Arzt gelaufen, ohne dass für ihren Schmerz eine fassbare Ursache gefunden wurde, erklärt Schmelter. Und er berichtet in verschlüsselter Form von Schmerz geplagten Patienten, denen erst in der psychosomatischen Therapie wirksam geholfen werden konnte. „Verdrängte seelische Konflikte können zu psychischen Beschwerden (Depression, Angst) führen, können sich aber auch in vielfältigen körperlichen Beschwerden ohne organische Ursache äußern“.
Man habe mit den Patienten zunächst das Verständnis des Zusammenhangs zwischen Körper und Seele erarbeitet, oft unter Einbeziehung ihrer Lebensgeschichte oder ihren aktuellen Lebensumstände. So gewinnen sie nach und nach Einsichten in die Ursachen ihrer Erkrankung und werden befähigt, selbst Veränderungen zur Linderung ihrer Beschwerden zu ergreifen.
Nach einem Herzinfarkt entwickeln viele Patienten eine Depression.
In anderen Fällen liegt der Zusammenhang zwischen Körper und Seele offener zutage: Nach einem Herzinfarkt entwickeln viele Patienten eine Depression, die sich ungünstig auf ihre Prognose auswirkt: „Diese Patienten sterben häufig früher“, sagt Schmelter. Mit dem breiten Therapieangebot könne ihnen wirksam geholfen werden.
Und sei auch nicht immer eine totale Beschwerdefreiheit zu erreichen, so werde doch die Fähigkeit der Patienten gestärkt, mit eventuell fortbestehenden Beschwerden oder Schwierigkeiten künftig besser umzugehen. Dazu komme ein größeres Selbstbewusstsein: „Auch wenn ich nicht 100-prozentig fit bin, bin ich was wert, ist mein Leben wertvoll“, gibt Schmelter den Betroffenen mit auf den Weg.
Das Therapieangebot der Klinik beinhaltet unter anderem psychotherapeutische Gesprächsgruppen, Gruppen zu ausgewählten Themen (Schmerzbewältigung, Umgang mit Depressionen), Gestaltungstherapie, körperorientierte Verfahren, Musiktherapie, Entspannungsverfahren. Zum Team der 20-Betten-Station gehören unter oberärztlicher Leitung Fachärzte, Ärzte in Weiterbildung, Psychologen, Pflegekräfte, ein Sozialpädagoge, Physiotherapeut, Gestaltungstherapeut und ein Musiktherapeut.
Die Behandlungsdauer ist individuell verschieden, durchschnittlich beträgt sie sechs bis sieben Wochen. Die Aufnahme erfolgt mit einer ärztlichen Krankenhauseinweisung nach einem ambulanten Vorgespräch mit einem therapeutischen Mitarbeiter der Klinik.
Gelegenheit zur Information bietet jeweils am Freitag von 14 bis 15 Uhr eine „Schnupperstunde“ in den Räumen der Klinik: Mitglieder des Teams informieren über Behandlungsmöglichkeiten und Arbeitsweise. Anmeldung unter Tel. (0 97 21) 7 20 36 10, E-Mail psychosomatik@leopoldina.de