Gabriele Haas hat Wilhelm Kohlhoff noch persönlich gekannt. Sie war ein Kind, und jener ältere Mann, der im Hinterzimmer seiner Lebensgefährtin Moy Fehn, einer Schneiderin, auf der Couch lag und zeichnete, war ihr ein wenig unheimlich. Es gibt viele Geschichten über den Berliner Maler in Schweinfurt, über seine zweite Frau – er hat Moy Fehn später geheiratet – und ihre Einladungen in das Grüne Haus, in dem sie nach Kohlhoffs Tod lebte, umgeben von seinem Alterswerk. So war bei der Eröffnung der Kohlhoff-Ausstellung in der Kunsthalle immer wieder ein geflüstertes „Ich war auch dort“ zu hören oder ein gerauntes „Wir haben auch einen“.
Was immer in Schweinfurter Wohnzimmern und in der Amtsstube von Oberbürgermeister Sebastian Remelé hängt, stammt wohl aus dem Spätwerk des 1971 Verstorbenen, das nur noch regionale Bedeutung hatte. Die jetzt unter großem Interesse eröffnete Ausstellung „Impression – Expression“ widmet sich ausschließlich dem Frühwerk, geschaffen zwischen 1915 und 1931.
Heute würden die Medien Wilhelm Kohlhoff einen Shootingsstar nennen. Schon seine erste Ausstellung 1914 gemeinsam mit Freunden – da ist Kohlhoff gerade 21 Jahre alt – fällt auf, und das im kunstverwöhnten Berlin. Lovis Corinth wird auf den selbstbewussten Maler aufmerksam, fördert ihn, kauft später mehrere Werke Kohlhoffs und bringt ihn – nach dessen Ausflug zu den avantgardistischen Neuen Secessionisten – wieder zurück in die arriviertere „Berliner Secession“. Corinth und weiteren „Mentoren, Freunden und Weggefährten“ wie Max Liebermann und Bruno Krauskopf ist eine Wand der Ausstellung und ein Kapitel im Katalog gewidmet.
Kohlhoff hat schnell Erfolg, Museen, Galerien und Privatleute kaufen seine Bilder, er kann sich ein Haus und zwei Ateliers leisten – bis er mit den Nationalsozialisten in Konflikt gerät. Der Versuch, in die Türkei zu emigrieren, scheitert. 1939 wird Kohlhoff eingezogen. Er verliert alles, seine beiden Söhne sterben, mit den Ateliers werden auch die Arbeiten in seinem Besitz zerstört. Nach dem Krieg übersiedelt er nach Hof, später nach Schweinfurt.
Leihgaben aus Privatbesitz
Den Krieg überstehen nur jene Bilder und Zeichnungen, die seiner ersten Frau Katharina gehörten. Sie lebte später in der DDR, Kohlhoffs Werke kamen über den Kunsthandel in den Westen. Viele sind heute in Privatbesitz, vor allem die Kunsthändler Eduard und Torsten Sabatier aus Verden/Aller trugen frühe Meisterwerke zusammen. Aus diesem Fundus schöpft die Werkschau, die den programmatischen Titel der allerersten Kohlhoff-Ausstellung von 1914 wiederholt: Impression – Expression. Diese Überschrift zeige das Spannungsfeld auf, in dem sich die Kunst in Deutschland und mit ihr das Schaffen Kohlhoffs vor rund 100 Jahren befunden hat, sagt Kurator Erich Schneider.
Doch werfen wir endlich einen Blick auf die Werke des ungestümen jungen Mannes, der so viel, schnell und erfolgreich gearbeitet hat. Anfangs noch der Tradition verbunden, löst er sich schnell und experimentiert um 1917/18 mit der Formensprache des Kubismus. Später finden sich, so Schneider, Anklänge an die Neue Sachlichkeit. Am eindrucksvollsten aber ist der expressive Kohlhoff, dem es gelingt, mit wenigen dicken Pinselstrichen eine schwarze Katze zum Leben zu erwecken. Der Betrachter glaubt fast zu spüren, wie sie ihre Pfoten gegen den Bauch der jungen Dame im Abendkleid drückt (Dame mit Katze, um 1927).
Vielleicht locken die südlichen Landschaften und Stillleben bei einem dritten oder vierten Besuch der Ausstellung. Bei diesem ersten aber kann sich der Blick kaum abwenden von Kohlhoffs Frauen und Tieren. Wie wach und kraftvoll sich die Löwin an den müden Gefährten heranschleicht, der mit halbgeschlossenen Lidern daliegt. Kohlhoff hat die Raubtiere im Berliner Zoo genau beobachtet (Zwei Löwen, um 1922). Wie schwer das Blut aus der Kehle des Schweins rinnt, über das sich die „Frau beim Schweineschlachten“ (um 1921) beugt. Fast zärtlich blickt sie auf das Tier, dessen Haut – eben noch rosig – sich schon in ein Blässlich-Grün verfärbt.
Liebe, Fressen, Gewalt
Elementare Dinge des Lebens – Liebe, Fressen, Gewalt – zeigt Kohlhoff sehr drastisch. Mit weit aufgerissenem Mund stürzt sich ein Löwe auf eine Antilope, mit Stöcken greifen drei Jugendliche einen Hund an, den Raub der Sabinerinnen zeigt er als wildes Getümmel. Und was dieses „Liebespaar in den Bergen“ tut – ist das wirklich Liebe oder eher Gewalt?
Kunsthistorische Betrachtungen über Kohlhoffs Werk, über Porträts, Akte, Tiere, Landschaften, Stillleben und die apokalyptischen Visionen, verfasst von Erich Schneider, Andrea Brandl, Andrea Semrau und Anne Fritschka, finden sich im Katalog.
Wilhelm Kohlhoff, (1893 Berlin – 1971 Schweinfurt), „Impression Expression“, Kunsthalle, bis 29. Mai.