Einen großartigen Jahresauftakt haben die Schweinfurter Operettenfans im zweimal ausverkauften Theater erlebt. Einmal, weil mit Emmerich Kálmáns Erfolgsoperette „Gräfin Mariza“ von der Operettenbühne Wien ein musikalisches Feuerwerk unvergesslicher Melodien erklingt. Im ungarischen Klangmilieu treffen sich hier feurige Csárdásrhythmen, melancholische Zigeunermusik, Wiener Walzer und die damals modernen Foxtrott-Rhythmen zu einer gelungenen Melange.
Zum anderen ist es schön, dass es immer wieder Produzenten gab und vor allem noch gibt, die an das Genre Operette glauben. Bei der Uraufführung der „Gräfin Mariza“ von Emerich Kálmán im Jahr 1924 hieß er Hubert Marischka und war Direktor und Sängerstar des Theaters an der Wien. Trotz Wirtschaftskrise präsentierte er dem Wiener Publikum eine opulente Premiere mit den besten Darstellern, prächtigen Kostümen und Bühnenbildern, einem dressierten Bären, einem Pferd und acht Pudeln.
Heute steht die Operettenbühne Wien seit 20 Jahren für qualitätsvolle Produktionen. Dafür sorgt mit Gespür und liebevoller Ernsthaftigkeit für das Genre Operette ihr Prinzipal, Regisseur und Dirigent Heinz Hellberg, dem trotz aller Sparzwänge das berühmte „Wiener Sentiment“, sowohl in der orchestralen Umsetzung wie in der Rollenbesetzung, immer wieder gelingt.
Große Geheimnisse, große Gefühle
Zur Handlung. Weil die reiche Gräfin Mariza für längere Zeit in der Stadt leben will, vertraut sie ihr Gut einem Verwalter an, dem verschuldeten Grafen Tassilo Endrödy. Der arbeitet hier inkognito als Bela Török, um mit seinem Verdienst seiner Schwester Lisa eine standesgemäße Mitgift ermöglichen zu können. Als ihn die Gräfin zum ersten Mal trifft, behandelt sie den Herrn Verwalter unfreundlich und arrogant. Das soll sich ändern.
Auch Mariza nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau: Um Ruhe vor ihren vielen geldgierigen Freiern zu haben, erfindet sie einen Verlobten und nennt ihn nach dem Schweinezüchter in Johann Strauß' „Zigeunerbaron“ Koloman Zsupan. Plötzlich steht dieser leibhaftig vor ihrer Tür, allerdings ohne sein Auftrittslied „Ja, das Schreiben und das Lesen“. Er ist gekommen, um das erfundene Eheversprechen einzulösen. „Eine beschissene Situation“, würde Hape Kerkeling als Horst Schlämmer sagen, denn Mariza hat inzwischen ein Auge auf ihren Verwalter geworfen. Muss man noch mehr zur turbulenten Handlung sagen?
Stefan Reichmann als Graf Tassilo gewinnt mit seinem schlanken, strahlenden Tenor schnell die Herzen des weiblichen Publikums, obwohl er in seiner Arie „Grüß mir mein singendes klingendes Wien“ in den Spitzentönen mit Intonationsschwierigkeiten zu kämpfen hat. Überzeugender sein wehmütiges „Auch ich war einst ein feiner Csárdás-Kavalier“ und „Komm Zigan, spiel mir was vor“.
Das ideale Paar
Die Wienerin Ella Tyran als Mariza gefällt schon in ihrem Auftrittslied „Wo wohnt die Liebe“ mit ihrer leuchtenden Sopranstimme und sicheren Höhen. Die Duette mit Reichmann „Einmal möcht ich wieder tanzen“ und das stimmungsvolle „Sag ja mein Lieb, sag ja“ gestalten beide zu Kálmán'schem Operettenzauber. Das ideale Buffopaar ist mit der reizenden Anete Liepina (Lisa) und dem quirligen David Hojsak als Baron Zsupan fast noch besser besetzt, zumindest was beider lebendige schauspielerische Leistung angeht. Aber auch stimmlich können sie mithalten: Ihr „Ich möchte träumen von dir, mein Puzikam“ und „Komm mit nach Varasdin“ sind schmissige Höhepunkte der Aufführung.
Victor Schilowsky glänzt wieder als Fürst Populescu und Sylvia Denk (Fürstin) und Gerhard Karzel (Penizek) zeigen einmal mehr ihre Klasse als Erzkomödianten. Mit Delikatesse bringt das Orchester, diesmal unter Laszlo Gyüker, Kálmáns musikalische Edelsteine zum Funkeln. Und die Choreografie der kleinen Tanzgruppe besorgte Enrico Juriano. Großer herzlicher Beifall für die Gäste aus Wien.