Knochen, Lendchen, Karotten, Sellerie, Pfefferkörner, Knoblauch, Zwiebeln und so weiter – seit drei Tagen simmert in der Küche des Krackennestes in Schwebheim die Jus, die Soßenbasis, für das Wochenende. Erika Pelz rührt in dem riesigen Topf, bestimmt 30 Liter fasst das Ding. Verdammt viel Arbeit, aber der 65-Jährigen würde ihren Gästen niemals eine Päckchensoße auf die Teller klatschen. Mit ihrem Mann Ottmar führt sie das Traditionslokal in der Ortsmitte. Leidenschaftliche Gastronomen, das sind sie. Aber die Kräfte lassen langsam nach. Jetzt wollen sie das Weinlokal verkaufen. In die Speisekarten haben Sie schon eine Anzeige gelegt, einen Makler beauftragt – aber es hat sich noch niemand gemeldet.
Seit mehr als 30 Jahren steht das Paar hinter Theke und Töpfen. 23 Jahre haben die beiden die Jugendherberge in Schweinfurt geführt. Da hat Erika Pelz Schnitzel am laufenden Band produziert. Ihr Mann träumte irgendwann von einer Veränderung, auch weil das Haus mehr und mehr heruntergekommen war und die Gäste ausblieben. „So ein schönes, schnuckliges Weinlokal“, das konnte sich der heute 60-Jährige sehr gut vorstellen. Als dann in der Zeitung das Krackennest inseriert war, die Anzeige nur drei Zeilen lang, schlug das Ehepaar zu. Die urgemütliche Gaststube unter dem Dach des alten Bauernhauses gab es schon, als „Krackennest“ hat das Lokal seit 26 Jahren geöffnet. Den Biergarten bauten die Pelzens dazu, genauso wie die komplett neue Gastro-Küche. Seitdem sind die beiden jeden Tag der Woche vor Ort.
„Ich überlege jetzt schon, was ich dann den ganzen Tag mache, wenn das Krackennest verkauft ist“, sagt Ottmar Pelz. Er sitzt unter dem ausgestopften Kracken (Krähe) aus Italien am Tisch neben dem Kachelofen und nippt am Kaffee. Aber immer einfach so herumsitzen – nicht sein Ding. Doch die beiden sind auch Großeltern, für ihre zwei Enkel hatten sie nie so richtig Zeit. Jetzt ist das Dritte auf dem Weg, und da soll sich das ändern. Außerdem, die Kraft. „So Tage mit Konfirmation, Ostern – das steckt man mit 60 nicht mehr so weg wie mit 30“, weiß der Wirt. Schwer wird den beiden die Trennung von Herd und Theke trotzdem fallen.
Die Gastronomen mit Herz und Seele haben sich die Regeln des guten Gastgebens selbst beigebracht. Zum Beispiel: „Ich muss bei einem Gast erspüren, ob er sprechen will oder nicht“, erzählt Ottmar Pelz. Mit einem Stammgast quatscht er immer ausgiebig über Fußball, mit einem anderen hat er noch nie mehr als das Nötigste gesprochen. Sich die Namen zu merken, das sei wichtig. Und: „Ich weiß, der dort trinkt sein bleifreies Bier, der da drüben immer diesen oder jenen Schoppen.“
Wer sich im Krackennest zum Rendezvous trifft, möge es, wenn Ottmar Pelz ein wenig das Licht dimme. „Ein Paar hat mal ganz die Birne rausgedreht“, erinnert sich der Wirt. Pelz tauchte mit der Ersatzlampe am Tisch auf, dachte das Ding sei kaputt. Er hat den beiden dann ihre erwünschte Dunkelheit gelassen – und muss heute noch immer lachen, wenn er an all die alten Geschichten denkt.
Schon viel Prominenz hat im Krackennest typisch fränkisch gegessen, auch die Chefetagen der Schweinfurter Industrie kämen regelmäßig, sagt Pelz. „Ich hatte mal die Frau Weisgerber (Bundestagsabgeordnete, CSU, d. Red.) und den Herrn Ernst (Bundestagsabgeordneter, Die Linke, d. Red.) gleichzeitig da. Da hab' ich dann gedacht ,Oh oh oh, die muss ich mal bisschen auseinander setzen‘“. Abstand halten, das ist auch so eine Sache für die Wirtsleute. Erika und Ottmar Pelz sind seit 1975 verheiratet und „rund um die Uhr zusammen“. Bei der Arbeit verstehen sich die beiden blind. Aber: „Das ist auch nicht immer ganz leicht“, sagt Erika Pelz. Seit zehn Jahren hatte das Paar keinen Urlaub, aber das finden sie nicht so schlimm. Jetzt haben sie hoffentlich bald etwas mehr Zeit – fehlt nur noch der Käufer. Die gesamte Einrichtung ist im Preis inbegriffen – und da gehört natürlich auch die Kracken-Sammlung dazu.