Die 36 in Holzkisten verpackten Stahlschrauben, jede 80 Zentimeter lang, kosten 250 000 Euro. Ein Gabelstapler wird sie in der Halle verteilen. Fast alles, was in das leistungsfähigste Großlager-Prüfzentrum der Welt eingebaut wird, ist gigantisch. Diese Redaktion hat die Baustelle der Superlative im Werk III von SKF im Schweinfurter Süden besucht.
Nicht für die Endkontrolle, für die Entwicklung baut der schwedische Konzern mit seinem breiten Produkt- und Servicesortiment rund um die Wälzlager, Dichtungen, Schmierung und Mechatronik zwei neue Prüfstände in der 80 Meter langen und 16 Meter hohen Halle – fast so groß wie ein Fußballfeld.
3000 Tonnen Beton für den Sockel
Im März hatten 150 Laster 3000 Tonnen Beton für den Sockel, auf denen die Prüfstände gestellt werden, im Sechs-Minuten-Takt gebracht. 17 Stunden dauerte die Anlieferung. Davor waren für den sechs Meter tiefen, 22 Meter langen und neun Meter breiten Unterbau in der Größe von zwei Reihenhäusern 600 Tonnen Stahl verschweißt worden. Zudem ruht der Kubus auf Säulen, die bis zum Fels in einer Tiefe von zwölf Metern reichen.
Kosten: 40 Millionen Euro
40 Millionen Euro investiert SKF in das Prüfzenrum, weil die derzeit verfügbaren Simulationsmodelle nur wenig realitätsnahe Prognosen treffen. Vor allem der „Supermann“ unter den Testständen, ein elektrohydraulischer Kraftprotz mit fünf Hochdruckpumpen, wird der Erprobung von riesigen Wälzlagern für Winderräder dienen. Getestet (mit zwei Antriebsmotoren) kann dann nicht nur das Hauptlager (bei Offshore-Windanlagen heute bis zu vier Meter im Durchmesser), sondern eine komplette Lagereinheit werden.
Für den Standort Schweinfurt ist das Testcenter der letzte Puzzlestein, der die bereits hier vorhandene Großlager-Kompetenz komplettiert. Beginnen soll der Testbetrieb in dem leicht, offen und futuristisch anmutenden und 3000 Quadratmeter großem Zwillingsgebäude in der zweiten Jahreshälfte 2017.
Energierückgewinnung
Auf dem Weg zur Baustelle zeigt Martin Göbel, Manager Global Testing, eine Energie-Rückgewinnungsanlage, die bereits durch die Ausmaße beeindruckt. Der Energieverbrauch bei den Tests sei riesig, sagt Göbel, der die Entwicklung für die regenerative Windkraft als Auftrag zum sparsamen Umgang mit der Energie einstuft. Aus dem Kühlturm wird nur eine Vergleichsweise geringe Menge an Energie entweichen, etwa aus der Klimaanlage, die für gleiche Temperaturen vom Fußboden bis zum Hallendach sorgt.
Die kleinere der beiden Hallen, die mit der Infrastruktur, den Büros und den Konferenzräumen bestückt wird, besuchen wir nicht, gehen gleich in die große Halle, in der nur ein gutes halbes Dutzend Leute arbeiten wird. Die Ergebnisse der angewandten Forschung – oder auch Entwicklung – wird indes viele Mitarbeiter beschäftigen, wird Anstöße für neue technische Lösungen geben.
Lichtprojektion
Vom Halleneingang blickt man nach Norden auf Schweinfurt und auf das SKF-Verwaltungshochhaus, das in der Nacht die drei Buchstaben des Konzerns blau leuchten lässt. Eine ähnliche Lichtprojektion wird es auch auf dem 17 Meter hohen Testcenter geben: in der Größe sechs auf 25 Meter. „Als sichtbares Zeichen der Ingenieurleistung“, sagt Göbel.
In der Halle thront der zur Hälfte aufgebaute Kraftprotz, der leicht schief steht wie das Hauptlager am Windrad, weil die Flügel der Windanlagen in Bodennähe einen größeren Abstand zu dem dort breiteren Turm haben, – der Luftverwirbelungen wegen, die den Betrieb beeinflussen.
Die axialen (in Längsrichtung) und radialen Kräfte (in Richtung des Radius), die hier wirken werden, sind enorm. 64 von Elektromotoren angetriebene Hydraulikzylinder werden sie über eine 140 Tonnen schwere Scheibe auf die Lagereinheiten wirken lassen. Simuliert werden Wind wie Flaute, Orkan und auch ein Jahrhundertsturm.
Zusammenspiel der Komponenten
Heute sind alle Teile eines Lagers zertifiziert. Doch wie verhalten sich die Komponenten untereinander, wie in extremen Situationen und bei Dauerbelastung? Der Prüfstand soll es zeigen – und wird im Bereich der Grenzerfahrungen auch Schrott produzieren, wenn er ein Wälzlager als ungeeignet für einen vorgegebenen Einsatz entlarvt. Die jeweiligen Testprogramme und Prüfzyklen zu schreiben, wird oft aufwändiger als der Test selbst sein und über den Ruf des Centers entscheiden.
Offshore-Windanlagen haben aktuell eine Leistung von zumeist sechs Megawatt, manche von acht Megawatt. Der Prüfstand ist auf bis zu zehn Megawatt ausgelegt, eine Leistung, die sich mit der bekannten Technik nicht toppen lassen wird.
Zwei Kräne
Der große der beiden Hallenkräne bewältigt im Betriebsalltag eine Last von 100 Tonnen. Nur einmal, wenn die große Scheibe, die Schweinfurt über den Main erreichen wird, auf den dann 700 Tonnen schweren Prüfstand aufzusetzen ist, wird der Kran eine Last von 140 Tonnen verkraften müssen. Der zweite Hallenkran ist deutlich kleiner, wird mit Gewichten bis zu 6,3 Tonnen unterwegs sein.
Der kleinere Prüfstand bekommt einen drei Meter großen Prüfkopf und wird vor allem Wälzlager, die einer hohen Drehzahl ausgesetzt werden sollen, testen.