Deutschland steht gut da. Keine Frage, so FDP-Vorstandsmitglied und Europawahl-Spitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff vor der IHK-Vollversammlung. Er war für den ursprünglich als Redner vorgesehenen FDP-Chef Christian Lindner eingesprungen, der beim 60. Geburtstag von Angela Merkel war. Nur sei diese Stärke nicht selbstverständlich. Noch vor 15 Jahren habe Deutschland als der kranke Mann Europas gegolten. Der Erfolg sei auf Jahre langer harter Arbeit, couragierte Reformpolitik zurückzuführen. Lambsdorff lobt ausdrücklich Bundeskanzler Gerhard Schröder für seine Agenda 2010. „Auch der politische Gegner kann was richtig machen.“
Die Erfolge, die Stärke Deutschlands und seiner Wirtschaft sieht der FPD-Politiker allerdings in Gefahr. Stichwort Mütterrente, Mindestlohn, Mietpreisgrenze, Rente mit 63. Deswegen fordert er mehr Mut zur Marktwirtschaft und ist der Meinung, das Land brauche eine aktive Opposition und vor allem liberale Impulse. Das hatte auch IHK-Präsident Dieter Pfister in seiner Anmoderation angesprochen: „Die FDP fehlt etwas, der liberale Geist.“
Gutes sichern, neue Wege gehen – das Motto der IHK gefällt Lambsdorff. Neue Wege zu gehen, werde oft vergessen. Das sei aber wichtig, schließlich werde keinem Unternehmen der Erfolg geschenkt. Lambsdorff machte einen kleinen Exkurs zur Wirtschaft in Mainfranken: Die Region stehe hervorragend da. Global Player sitzen hier, aber auch Bespieler regionaler Märkte und Nischen.
Sich auf den demographischen Wandel einstellen, das ist für Lambsdorff ein Gebot der Stunde. 2014 werden viele Leute 50 – der geburtenstärkste Jahrgang 1964 macht sich bemerkbar. All diese Leute gehen in nicht so langer Zeit in Ruhestand. darauf müsse man sich einstellen, diese Jahre zum politischen Gestalten nutzen.
Rentengeschenke sind die Rentenkürzungen von morgen, meint Lambsdorff. Die Politik sollte lieber in die Infrastruktur, vor allem die Verkehrswege investieren, kritisiert er die Große Koalition mit einem Begriff, den Gegner gerne den Liberalen vorwerfen: Klientelpolitik.
Eine Wachstumsbremse ist für ihn das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). „So zieht man der deutschen Wirtschaft den Stecker.“ Umweltfreundlichkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sollten sich im Gleichgewicht befinden. Dazu brauche man auch auf dem Energiesektor Wettbewerb, integriert in eine europäische Marktwirtschaft. Keine Energiepolitik, die sich abschottet.
In der Diskussion in Schweinfurt geht es unter anderem um die Frage, wie es mit den Krisenländern in Europa weitergehen soll. Geld nur gegen Auflage, Solidarität gegen Solidität, das sei das Credo der Liberalen. Sorgen macht sich Lambsdorff vor allem um Frankreich. Reformunfähigkeit sieht er dort, wenig Sozialpartnerschaft: „Da ist man viel klassenkämpferischer.“
Wie kann man jungen Leuten vermitteln, wie toll Europa ist, fragt ein Wirtschaftsjunior. Reisefreiheit, keine Passkontrollen, eine Währung, das sei eines, so Lambsdorff. Aber das Wichtigste: Noch nie hat es bisher eine Epoche gegeben, in der die Menschen in Europa über 70 Jahre friedlich miteinander leben.