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SCHWEINFURT: Leopoldina-Stadtführung - Niemals müßig

SCHWEINFURT

Leopoldina-Stadtführung - Niemals müßig

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    Leopoldina-Stadtführung - Niemals müßig
    Leopoldina-Stadtführung - Niemals müßig

    Manchmal braucht man jemanden, der einem die Augen öffnet. Für Orte zum Beispiel, an denen man so oft vorbeiläuft, ohne genau hinzuschauen. Für die Wappen und Zeichen, die einem sonst nie auffallen. Für die Geschichten und Schicksale, die mit einem Gebäude verbunden sind. Bettina Geiger, Karla Wiedorfer und Birgit Höhl machen das mit ihrer Führung „Die alte Dame Leopoldina.“ Wer mit den dreien durch die Stadt läuft, erfährt viel über die Geschichte der ältesten, ununterbrochen existierenden Akademie der Welt, die am 1. Januar 1652 in Schweinfurt gegründet wurde. Und zurzeit in den Schlagzeilen ist, weil die Gesellschaft sich sehr kritisch zur Verwendung von Nahrungsmitteln als Energielieferant geäußert hat.

    Bettina Geiger, Karla Wiedörfer und Birgit Höhl schaffen es aber auch, außer Fakten und Zahlen ein Gefühl für die Zeit zu vermitteln. Wie die Menschen gelebt haben, wie sie sich ernährt haben, in wie starre gesellschaftliche Strukturen sie eingebunden waren. Wie neugierig, begierig Wissenschaftler waren, zu forschen, zu entdecken, sich auszutauschen.

    Vier dieser Männer mit Wissensdrang waren die Ärzte Johann Lorenz Bausch, Johann Michael Fehr, Georg Balthasar Metzger und Georg Balthasar Wohlfahrt. Numquam otiosus, niemals müßig, der Wahlspruch ihrer Akademie. Das Ziel: „Die Erhellung der Heilkunst und der sich daraus ergebende Nutzen für den Nächsten.“

    Von den vieren gibt es noch einige Spuren in Schweinfurt. Den Bauschturm zum Beispiel, im Innenhof am Roßmarkt. Der Turm ist noch übrig geblieben vom dem stolzen Bürgerhaus, in dem Lorenz Bausch geboren wurde. „Steigen Sie hinab in die Tiefen der Geschichte“, sagen die Führerinnen. Unten brennen Kerzen, sehr romantisch. Das ist ganz gut so, denn im Neonlicht hat der Keller wenig Reiz. Die Atmosphäre im Kerzengeflacker passt zu den Geschichten über den Dreißigjährigen Krieg, die Not, die Schrecken. Die Schweinfurter hatten es aber auch auf andere Art nicht einfach. Die reichsfreie Stadt war dem katholischen Kaiser unterstellt, die Bürger Protestanten. „Ein Spagat“, sagt Karla Wiedorfer. Schwedenkönig und Protestant Gustav Adolf galt als Hoffnungsträger, wollte sogar eine Universität in der Stadt etablieren als Gegengewicht zum katholischen Würzburg. Gustav Adolf starb, bevor er diese Pläne umsetzen könnte. „Dann würde jetzt Universitätsstadt auf den Ortsschildern stehen“, meint eine Teilnehmerin.

    Nächste Station: Metzgergasse, das Haus der Familie Fehr, eines der ältesten Bürgerhäuser Schweinfurts. Über der Tür ein sprechendes Wappen: Die Figuren sind in der Tracht der Fährleute gekleidet – ein Hinweis auf den Nahmen Fehr. Wie sind die vier eigentlich darauf gekommen, eine Akademie zu gründen? Die Herren hatten in Italien die Welt der Akademien kennengelernt. Italien war weit weg, aber mit der Akademie konnten sie sich das Wissen in dieses Nest hier holen, wie die Gästeführerinnen sagen. Vernetzung, Teamarbeit – ein sehr moderner Gedanke, so die Führerinnen. Das Konzept ging auf: 100 Jahre nach der Gründung hatte die Akademie Mitglieder in ganz Europa, von Oslo bis Florenz.

    Warum hat die Akademie einen weiblichen Namen, wenn da doch nur Männer drin waren, rätselt eine Teilnehmerin, als wieder mal der Name Leopoldina fällt. Die Academia Leopoldina trägt ihren Namen nach Kaiser Leopold. 1672 erkannte er die Akademie an, 1687 stattete er die Leopoldina mit Privilegien aus. Zensurfreiheit die wichtigste – und heute würde man sagen ein Copyright für die Veröffentlichungen. Jedes Mitglied sollte nämlich alle halbe Jahre eine Arbeit vorlegen. Die Mitglieder gründen eine Zeitschrift – sie erscheint bis heute, arbeiten an einer Enzyklopädie.

    Mittlerweile ist die Gruppe an der Mainlände, am Vogelschutzvereinshäuschen. Das ist übrig geblieben vom so genannten Zwinger. Und hier soll die Leopoldina gegründet worden sein. Die Teilnehmer der Führung gehen jetzt bestimmt ehrfürchtiger an dem Häusle vorbei. Niemals müßig, der Wahlspruch gilt auch für die Führung. Gerade noch so schön auf den Stufen gesessen und das Wappen der Leopoldina studiert, geht es weiter zur Stadtapotheke.

    Johann Lorenz Bausch war Stadtphysicus, heute würde man wohl Leiter des Gesundheitsamtes sagen. Sein Bruder war Apotheker. Die Apotheke war damals etwas, das man heute einen Eigenbetrieb der Stadt nennen würde. Apothekerin Elisabeth Faustmann zeigt, wie früher Pillen und Salben hergestellt wurden.

    Endspurt ins Alte Gymnasium. Auf der Lateinschule waren alle vier Leopoldina-Gründer. „Die vier waren die High-Society der Stadt“, meint Birgit Höhl. Nach einem Rundgang durchs Museum gibt's zu einem Tässchen Leopoldina–Tee Infos über die Akademie selbst. Über berühmte Mitglieder; Goethe, Marie Curie, Darwin, Einstein. Und Friedrich Emmert. Ein obsessiver Sammler der Objekte der Natur. Sein Herbar, seine Pflanzensammlung, ist legendär, füllt ganze Schrankreihen im Alten Gymnasium. Nach der Gründung war der Sitz der Akademie der Wohnsitz des Präsidenten, 1878 etabliert sich Halle als Sitz. 2008 wurde die Leopoldina zur nationalen Akademie der Wissenschaften ernannt. Sie hat 1400 Mitglieder, darunter 30 Nobelpreisträger, ist keine Männergesellschaft mehr. Mitglieder werden übrigens ernannt. Nur der Schweinfurter Stadtarchivar ist kraft seines Amtes Mitglied. Die Aufgabe der Akademie: Die Politik in allen gesellschaftspolitischen Fragen zu beraten. Großes Aha in der Runde, als die Führerinnen erzählen, dass die Akademie nach Fukushima die Energiewende mit ausgelöst hat.

    Noch viel mehr könnten Bettina Geiger, Karla Wiedorfer und Birgit Höhl erzählen. Deswegen überlegen sie, die Führung in zwei Teilen anzubieten. „Wir haben so viel weggelassen, dass das Herz blutet.“

    Der Evangelische Frauenbund bereitete sich mit der Führung in Schweinfurt auf einen Besuch in Halle vor. Halle ist nicht nur durch die Leopoldina mit Schweinfurt verbunden. Die schöne alte Marktkirche in Halle wurde 1545 bis 1554 von dem berühmten Architekten Nickel Hofmann fertig gestellt, der vor 440 Jahren auch das Renaissance-Rathaus in Schweinfurt erbaut hatte, schreibt der Frauenbund. Die Gruppe besichtigte den Sitz der Leopoldina, wurde von Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, der Generalsekretärin der Akademie durch das großzügig sanierte frühere alte Logenhaus geführt. Und noch etwas verbindet Schweinfurt mit Halle: Auf der Burg Gibichenstein, hatte vor über 1000 Jahren Heinrich II. den Schweinfurter Markgrafen Hezilo eingekerkert.

    Infos über Gästeführungen gibt es bei der Touristinfo 360 0. Tel. (0 97 21) 51 36 00. E-Mail: tourismus@schweinfurt360.de

    Öffnungszeiten: Mo–Fr: 10–18 Uhr, Sa: 10–14 Uhr. Die nächste öffentliche Leopoldina-Führung ist am Mittwoch, 10. Oktober, um 16.30 Uhr, Treffpunkt Buchhandlung Vogel am Roßmarkt.

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