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MÜHLHAUSEN: Letzte Nacht in der "La Ponte": Wo die Freaks auf Disco-Fox stehen

MÜHLHAUSEN

Letzte Nacht in der "La Ponte": Wo die Freaks auf Disco-Fox stehen

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    Disco-Fox: Kultstatus hatte die Disco „La Ponte“ in Mühlhausen in den 70er und 80er Jahren. Seit vielen Jahren steht sie nun leer. Zur 1200-Jahrfeier wurde sie ein letztes Mal geöffnet, damit die Jugend von damals noch einmal kräftig abtanzen konnte.
    Disco-Fox: Kultstatus hatte die Disco „La Ponte“ in Mühlhausen in den 70er und 80er Jahren. Seit vielen Jahren steht sie nun leer. Zur 1200-Jahrfeier wurde sie ein letztes Mal geöffnet, damit die Jugend von damals noch einmal kräftig abtanzen konnte. Foto: Fotos: Silvia Eidel

    Bunte Lichter kreisen im Halbdunkel über den Paaren, die sich auf der vollen Tanzfläche im Disco-Fox bewegen. Mancher männliche Hinterkopf leuchtet hell auf, woanders wippen weißgraue Miniplis-Löckchen im Rhythmus mit. „Freak out“ schallt es im 70er Jahre Disco-Sound über die Köpfe. Schweiß steht in den Gesichtern von Tänzern und Zuschauern, die am Rand das Treiben beobachten, die Bierflasche oder den Plastikbecher in der Hand.

    Erinnerung an alte Zeiten werden wach, als die Disco „La Ponte“ der Treffpunkt im „Dreiländereck“ von Schweinfurt, Würzburg und Karlstadt war.

    Die 1200-Jahrfeier des Wernecker Gemeindeteils Mühlhausen nimmt die Dorfgemeinschaft zum Anlass, die Kult-Disco der 70er-, 80er- und teils noch der 90er-Jahre ein letztes Mal wiederzuerwecken. Denn das ganze Anwesen samt der ursprünglichen, 150 Jahre alten Wirtschaft „Zur Traube“ wurde verkauft und wird demnächst entkernt oder abgerissen, erklärt Gemeinderat Bernhard Sauer. Dann wird dort eine Werkstatt eingerichtet, statt Disco-Musik werden Klänge von Metall zu hören sein.

    Schon beim Eintreten in das ehemalige Tanzlokal bleiben am Mittwochabend viele Besucher stehen, ein Grinsen breitet sich über ihr Gesicht. Sie schauen sich um, erkennen die originale Einrichtung wieder, die langen L-förmigen Tresen an der linken Seite, die Tanzfläche, über der der DJ thront, die kunstledernen Bänke.

    Bereits gegen 21 Uhr ist die „La Ponte“ – so genannt wegen ihrer Lage an der Wernbrücke – mit mehreren hundert „Middle“ und „Best Agers“ gesteckt voll. Anders als heute, wo die Jugend erst um 22 bis 23 Uhr „weggeht“. Vorübergehend werden neue Gäste nur eingelassen, wenn andere herauskommen.

    Ein besonderes Hallo gibt es um die kleine elegante Frau hinter der Bar. Erika Heid schenkt dort aus. Die agile 74-Jährige ist eine Institution dort: 27 Jahre lang hat sie als Barfrau gearbeitet, hat von Anfang an die „La Ponte“ begleitet. 1974 hatte der Gaststätten-Sohn Erwin Barth die Discothek angebaut. „Damals durfte man nicht mit Turnschuhen rein“, erzählt die weißhaarige Dame. Auch „Amis“ wurden anfangs von den Türstehern abgewiesen. „Das war eine richtig gute Disco, ein besseres Tanzlokal“, betont sie. Mittwoch bis Sonntag war geöffnet.

    Für die nur 1,53 Meter große tüchtige Bedienung ließ der Besitzer damals ein 20 Zentimeter hohes Podest hinter den Tresen einbauen. Damit Erika den Gästen auch in die Augen sehen konnte.

    Dann wechselte der Besitzer. Kurz nach dessen Tod Anfang der 80er Jahre übernahm Harald Walter die Disco. „Ein schräger Vogel“, meint Bernhard Sauer. Nicht nur die Musik habe sich dann geändert, sagt Erika Heid. Jetzt wurde jeder eingelassen, Amis – „das waren gute Leute“ – , später „die Russen“. Mit denen gab es zunehmend Probleme, Drogen, Schlägereien, Prostitution. Und 2001 das Ende der „La Ponte“.

    Während „Smokie“ mit ihrem „Needles and Pins“ die Fox-Tänzer begeistert, schwelgt die 74jährige in Erinnerung an viele schöne Jahre. „Hier haben sich einige Paare gefunden“, blickt sie zurück, „ich bin auf etlichen Polterabenden eingeladen gewesen“. Denn sie war an manchen Beziehungsanbahnungen beteiligt, sie ermunterte einsame Männer, den Mädchen ein Getränk auszugeben oder sie zum Tanzen aufzufordern. „Jack-Cola“ war damals das Hauptgetränk“, erinnert sie sich und korrigiert dann die Reihenfolge: Jim Beam, Asbach, Jack. Und wenn der Gast den Alkohol flaschenweise kaufte, wurde um die Cola-Flaschen als Zugabe gefeilscht.

    „Es war sehr familiär hier“, blickt die 40-jährige Kerstin Keller zurück, „hier haben sich die jungen Leute aus den Dörfern im Dreiländereck getroffen“, erklärt „Keksi“ als ehemalige Helferin im Ausschank, während Marianne Rosenberg „Er gehört zu mir“ trällert. „Hier hat es immer einige Monate gedauert, bis aktuelle Musik aus den Charts vom Publikum auch akzeptiert wurde.“

    Verschiedene Discjockeys sorgten mit ihren Schellackplatten für die Lieder zwischen Amigos, Rollings Stones und Westernhagen. Der bekannteste DJ dürfte Karl-Heinz Schmitt gewesen sein, erzählt Kerstins Vater Heinrich König. Der spätere Pressesprecher der Polizeidirektion Unterfranken, kürzlich in den Ruhestand getreten, habe hier lange für gute Stimmung gesorgt.

    Ob die „La Ponte“ wirklich ein letztes Mal geöffnet hatte, wie die meisten Besucher bedauerten, oder ob nicht doch noch eine letzte „Mühlhäuser Winterparty“ dort gefeiert werden kann? Wer weiß?

    Weiteres Programm zur 1200-Jahrfeier Mühlhausens: www.1200-Jahre-Muehlhausen.de

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