GErolzhofen (novo) Dass sich Martin Luther 1521 bei der Übersetzung der Bibel auf der Wartburg möglicherweise des lateinisch-deutschen Wörterbuchs für Prediger bediente, das der 1437 in Gerolzhofen geborene Johannes Melber um 1455 verfasste, wie wir unlängst in einem Bericht über einen für das Gerolzhöfer Themenmuseum "Kunst und Geist der Gotik" erworbenen Druck berichteten, ist zwar nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Der Reformator verschmähte die berühmte von Hyronimus zwischen 382 und 385 in Rom vom Hebräischen ins Lateinische übersetzte so genannte "Vulgata". Luther griff deshalb in der Tat auf den griechischen Urtext zurück.
Darauf hat uns der heute in Bonn-Bad Godesberg lebende frühere Dozent der Volkshochschule Gerolzhofen, Wolfgang Ort-Niklaus, hingewiesen, der in der hiesigen Gegend vor allem durch seine Astronomie-Vorträge und -kurse bekannt wurde. Der gebürtige Heidenfelder gilt als ausgewiesener Fachmann in Sachen Luther-Bibeln, hat sich auch schon mal in die Einsamkeit des Augustinerklosters in Erfurt oder auf die Wartburg zurückgezogen, um die historische Luft einzuatmen. Zuletzt fungierte er 2003 bei der amerikanischen Verfilmung von Luthers Leben als Berater.
In der Tat diente Luther als Vorlage ein Exemplar des griechischen Neuen Testaments von Erasmus von Rotterdam. Allerdings, das räumt auch Wolfgang Ort-Niklaus ein, muss der Reformator auch die Vulgata gelesen haben. Luther wie Melber hatten allerdings eine "gemeinsame Schnittmenge". Beider Ziel war es, durch ihre Übersetzungen die Gläubigen in ihrer Volkssprache, also auf Deutsch, zu erreichen. Und auch der als Johannes Gutenberg bekannt gewordene Johannes Gensfleisch, der den Buchdruck revolutionierte, ließ ab 1452 mit der "Vulgata" erstmals eine lateinische Bibel drucken.
Zur Vorgeschichte: Seit der Synode von Toulouse 1229 gab es ein striktes Verbot, die Bibel oder Teile daraus in die Landessprache zu übersetzen. Damit wollte man in erster Linie Laienpredigten verhindern. Kaiser Karl IV. erließ 1369 zusätzlich ein Verbot für deutschsprachige Bücher, damit die Laien nicht "durch falsches Verständnis zu Irrlehren verführt werden". 1376 verordnete Papst Gregor XI., dass alle Literatur über die Bibel der kirchlichen Leitung zu unterstellen sei. So war nur der Text der lateinischen "Vulgata" geduldet und es gab hiervon nur wenige und schlechte Übersetzungen in die Landessprache.
Durch Luthers öffentliches Wirken und seine ständige Berufung auf die Bibel wurde aber das allgemeine Interesse an der Heiligen Schrift geweckt. Viele wollten sie nun selber lesen und in einer verständlichen Sprache kennenlernen. Luther benützte aber nicht die ins Latein übersetzte Fassung, sondern den griechischen Urtext. Sein Prinzip lautete: "Man muss nicht die Buchstaben in lateinischer Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muss die Mutter im Hause, . . . den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und danach dolmetschen, so verstehen sie es denn."
Während seines Zwangsaufenthalts auf der Wartburg übersetzte Luther das Neue Testament in nur elf Wochen. Es erschien auf seinen Wunsch hin 1522 ohne Verfassernamen mit 21 ganzseitigen Holzschnitten zur Offenbarung des Johannes von Lukas Cranach dem Älteren und seiner Werkstatt. Es wird "September-Testament" genannt.
Der Übersetzung des Neuen Testaments folgten ab 1523 nur Teilausgaben des Alten Testaments, da sich die Übersetzung aus dem hebräischen Urtext oft sehr schwierig gestaltete. Hatte Luther das Neue Testament im Rekordtempo übersetzt, so dauerten die Arbeiten am Alten Testament 13 Jahre. Luther wurde dabei besonders von seinem Freund Philipp Melanchthon unterstützt.