Ein Insekt hat einen dreigliedrigen Körperrumpf, sechs Beine und meistens Fühler. Das und noch viel mehr wissen die Kinder des Waldkindergartens. Einen ganzen Sommer lang beschäftigten sie sich mit dem Projekt "Summ, summ, es summt und brummt um uns herum". Ausgerüstet mit Insektenkäfig und Becherlupe beobachteten die Kleinen das Leben von all dem Getier, das im Mahlholz krabbelt, kriecht und fliegt.
Der Anstoß zu diesem Projekt kam eigentlich von den Kindern selbst, sagt Leiterin Ulli Hillebrand. Es war die natürliche Neugier der Kinder, die Tiere in ihrer unmittelbaren Umgebung gerne beobachten, nicht nur Insekten, sondern auch Vögel, wie sie an den Nistkästen in der Umgebung der Holzhütte ihre Jungen füttern.
Die Neugier der Kinder wirkte ansteckend auf das Kindergartenpersonal. Bei der Initiative "Artenschutz in Franken" bewarb sich der Waldkindergarten um Aufnahme in das Projekt "Deutschlands wilde Bienchen". Ende März 2019 kam die Zusage, dass im August oder im September am Parkplatz des Kindergartens eine große Wildbienenwand mit Informationen zu den verbreitetsten Arten aufgebaut wird. Seit Ende April sind die Kinder nun fleißig mit den Insekten beschäftigt. Parallel dazu lief den Sommer über die Teilnahme an der Aktion Öko-Kids, zu der der Landesbund für Vogelschutz (LBV) aufgerufen hatte.
Achtung vor dem Leben
Die Kleinen erlernten dabei Grundkompetenzen im Umgang mit Tieren. Das Wichtigste: Man geht sehr vorsichtig mit ihnen um und schützt ihr Leben. Dass Kinder Tiere quälen oder zertreten, hat Ulli Hillebrand noch nie bemerkt. Aber der vorsichtige Umgang mit anderen Lebewesen steigert die Achtung vor dem Leben in der Natur noch weiter, glaubt die Leiterin.

Erster Höhepunkt der Öko-Kids war die Vatertagsfeier. Ausnahmslos alle Väter der 21 Waldkindergartenkinder hatten sich dazu freigenommen und machten mit unter dem Motto "Auf der Wiese und im Wald ist was los." An diesem Nachmittag beschäftigten sich Väter und Kinder in vier Gruppen mit den Themen Käfer, Ohrwürmer, Raupen und Bienen.
Auch für die Erwachsenen gab es dabei viel zu lernen, etwa dass Ohrwürmer ihre Zangen am Hinterleib zur Verteidigung und nicht zum Blutsaugen oder zum Transport von Lebensmitteln haben, dass sie gerne kleine Insekten und Blattläuse fressen und deshalb gern gesehene Gäste im Garten sind.
Wohnraum für den Ohrwurm kann man leicht in einem Tontopf bauen, den man mit Holzwolle und Stroh füllt und dort aufhängt, wo es besonders viele Blattläuse gibt. Solche Ohrwurmhotels bauten die Kinder mit ihren Papas. Dann mussten die Gruppen Käfer suchen, die in Form von laminierten Bildern auf dem Kindergartengelände versteckt waren. Bei einem lustigen Spiel lernten Jung und Alt auch, wie Bienen Nektar sammeln und zu ihrem Stock bringen.
Bestimmung von Arten
Auch die Theorie kam beim Insekten-Projekt nicht zu kurz. Ein Regal in der Waldhütte ist gefüllt mit Anschauungsmaterial, zum Beispiel, um Arten bestimmen zu können. Ein Bienenmodell half beim Kennenlernen dieses Tiers und seines ausgeklügelten sozialen Gefüges. In der Werkstatt entstanden in der Zeit nach dem Vatertag Käfer und Bienen aus kleinen Holz- und Rindenstücken.
Durch das Projekt erweiterten die Kinder auch ihren aktiven und passiven Wortschatz. Wörter wie "Nektar", "Blütenstaub", "Wabe", "Imker" oder "Pollen" kommen im Alltagsgebrauch nämlich kaum vor. Es passte auch gut ins Konzept des Waldkindergartens, zu dem mindestens fünf Stunden Bewegung am Tag im Freien gehören. Die Kleinen transportierten im Laufe des Projekts mit Kinderschubkarren Wasser und Gartengeräte fürs Anlegen eines Beetes, das sie dann auch bearbeiteten und gossen. Hier durften die Kinder selbst entscheiden, was als nächstes am Beet zu tun ist. Sie pflanzten Wildblumen, um eine zusätzliche Nahrungsquelle für die Bienen zu schaffen.
Schließlich malte jedes Kind ein Insekt. Die entstandenen Bilder wurden zu einer kleinen Ausstellung arrangiert. Und dann kam auch noch eine echte Imkerin zu Besuch. Vera Maria Leopold erzählte den Kindern, was sie während eines Bienenjahrs alles tun muss und wie ein Bienentag abläuft. Wichtig ist es, die Insekten im Winter zu füttern, wenn es keine Blumen in freier Natur gibt.
Höhepunkt des Projekts wird die Teilnahme des Waldkindergartens an der Woche der Nachhaltigkeit vom 14. bis 22. September in Gerolzhofen sein. Dazu wollen das Personal und die Kinder einen Stationenlauf für die Besucher des Waldes erarbeiten.
Projekt endet nie
Und wann endet das Projekt? "Eigentlich nie", sagt Ulli Hillebrand. Denn viele Aspekte der Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit ergeben sich aus dem Alltag im Waldkindergarten. Die Kinder verbringen ihre Tage dort weitgehend spielzeugfrei und nur wenig konsumorientiert. Viel Spielmaterial kommt aus der Natur. Den Kindern wird auch klar gemacht, dass sie nur Gäste im Wald sind. Fließendes Wasser gibt es nicht, deswegen muss gespart werden. Und vor allem kommt der Waldkindergarten vollständig ohne Strom aus. In der Konzeption der Einrichtung ist der Begriff Nachhaltigkeit noch nicht verankert. Das soll jetzt aber nachgeholt werden, sagt Ulli Hillebrand.
