60 junge Mitglieder der "Crip Side Killers" trafen auf Angehörige der Jugendbande "Bloods". Die Bloods waren mit lediglich 30 Leuten aber deutlich in der Minderheit. Sie erkannten die Situation und machten sich aus dem Staub. Ein Bub war allerdings zu langsam. Alle 60 fielen über den "Blood" her. Erst als ein 14-jähriges Mädchen sich ein Herz fasste und rief: "Was soll das? So viele auf einen, das ist doch unfair", ließen die "Crip Side Killers" von ihrem Opfer ab. Fünf "Killers" wurden kürzlich verurteilt, zu Arrest, einem Antigewalt-Training und Arbeitsstunden. Bei der jüngsten Verhandlung war zu hören, dass sich beide Gangs aufgelöst hätten. Dann wieder - äußerst vage - war die Rede von einer angeblich existenten "Bergl Terror Organisation".
Jugendbanden als Ersatzfamilie
Dem Haus Marienthal war das Phänomen der Jugendbanden jetzt Grund genug, Lehrer, Sozialarbeiter, Richter sowie Polizeibeamte zu einem Thementag in die Jugendeinrichtung am Oberen Marienbach einzuladen. Die Resonanz war erstaunlich: Rund 50 Teilnehmer zeigten Interesse am Thema "Straßengangs - Ein wieder zunehmendes Problem in Schweinfurt?". Peter Bohn, Diplom-Psychologe im Haus Marienthal, und Jugendsozialarbeiter an Schulen, Stefan Bretscher, stellten klar: Es gibt die Gangs, die sich gründen, weil sie für die Jugendlichen ab zwölf Jahren eine Art Ersatzfamilie sind. Anlass, Mitglied in einer Gang zu werden, ist oft die Langeweile oder der Wunsch, "cool zu sein", dazuzugehören, so Bohn.
Es wird aber auch massiver Druck auf junge Leute ausgeübt, die eingeschüchtert Mitglied werden und sich eigentümlichen, brutalen Aufnahme-Ritualen stellen. Beim "Beat-in" muss sich der Anwärter mit einer größeren Anzahl von Bandenmitgliedern schlagen. Dabei sind auch Fußtritte ins Gesicht erlaubt. Bei "Walking in the line" muss der Aufnahmekandidat durch eine Gasse gehen, die Hände auf dem Rücken. Es wird dabei geschlagen, getreten. Wenn seine Knie vor dem Ende der Gasse den Boden berühren, muss er die Tortur erneut durchstehen.
Mit Erstaunen wurde das Ritual bei Aufnahme von Mädchen registriert. Die werden nämlich vom Boss der Gang, dem "OG" für "Original Gangster", zum Geschlechtsverkehr aufgefordert. Dieses "Sex-in" wiederum verwundert nicht, weil die Gangs konventionelle Moralvorstellungen ablehnen und keinen Respekt für Autoritäten zeigen. Die Mitglieder demonstrieren asoziales Verhalten, werden kriminell. Wenn sich einer angegriffen fühlt, dann fühlen sich alle angegriffen, Erpressungen sind an der Tagesordnung. Der 14-Jährige, der sich am Roßmarkt weigerte, einem Gang-Mitglied seine Zigaretten zu geben, holte sich eine blutige Nase. Der Schläger kann sich der Loyalität der anderen Gruppenmitglieder sicher sein.
Gangmitglieder erkennt man an der Kleidung, sie hinterlassen mit Graffiti erkennbare Spuren, haben ihre eigenen Handzeichen und Symbole. Die "Crips" und "Bloods", die es in Schweinfurt immer wieder gibt, tragen blaue beziehungsweise rote Tücher, am Arm, aus der Jeanstasche hängend oder als Kopftuch, oft mit der Kappe verdeckt. Bei den "Crips" ist das linke Hosenbein hochgekrempelt, bei den "Bloods" das rechte. In Schweinfurt sind mit ziemlicher Sicherheit zwei weitere Gruppen derzeit aktiv, darunter die "Bergl Terror Organisation" und "La Familia", deren Kennung weiße Tücher sind.
"Ich hab' dich lieb" reicht nicht
Was tun, damit ein Jugendlicher nicht Gang-Mitglied wird und damit möglicherweise kriminell? Den Schulen riet Bohn, Gang-Symbole und Kleidung zu verbieten, also die "Nulltoleranz" der Schule zu demonstrieren. Nützlich seien Diskussionen im Klassenzimmer, Lehrer müssten zeigen, dass sie sich für die Jugendlichen und ihre Zukunft interessieren. Etliche der Schulchefs, die dem Thementag beiwohnten, bestätigten "Probleme im Umfeld der Schule".
Eine wichtige Rolle spielen aber auch die Eltern. "Ich hab' dich lieb" zu sagen, genüge nicht. Kinder und Jugendliche müssten durch Worte und Taten spüren, dass sich die Eltern um sie kümmern. Das Haus Marienthal will im Rahmen der Jugendsozialarbeit an Schulen gezielte Prävention anbieten. Auf der Homepage hat man hilfreiche Links für Eltern und Schulen eingerichtet, man wird Infoveranstaltungen für Lehrer anbieten und plant für Herbst/Winter eine weitere Veranstaltung zur Thematik im Haus.
Mehr Information im Internet unter
www.haus-marienthal.com