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SCHWEINFURT: Mit offenen Armen empfangen

SCHWEINFURT

Mit offenen Armen empfangen

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    Roland Breitenbach: Über 500 Menschen erlebten den ersten, emotionalen Auftritt ihres Pfarrers nach dem Radunfall.
    Roland Breitenbach: Über 500 Menschen erlebten den ersten, emotionalen Auftritt ihres Pfarrers nach dem Radunfall. Foto: Fotos: Martina Müller

    Gänsehautgefühl, Emotion pur – und Nachdenklichkeit. Zum 20. Mal schon haben Enrico de Paruta und Co. Ludwig Thomas' „Heilige Nacht“ als musikalisches Weihnachtsspiel in Sankt Michael aufgeführt. So viele Menschen wie in diesem Jahr waren aber noch nie da. Über 500. Der Grund heißt Roland Breitenbach. Sein erster offizieller Auftritt nach seinem schweren Radunfall war angekündigt, den Prolog wollte er sprechen.


    Seine Anhänger begrüßten ihren Seelsorger mit lang anhaltemdem Beifall

    Als Breitenbach aus dem Halbdunkel „seiner“ Kirche erscheint, stehen zunächst die vorderen Reihen auf, alle klatschen, freuen sich. Breitenbach erreicht den Altar, sichtlich gerührt, der Beifall wird rhythmisch. Der Seelsorger wirkt nervös, aber irgendwie scheint er diesen Moment auch zu genießen.

    Erst beim zweiten Handzeichen ebbt der Beifall ab, setzen sich die Menschen und Breitenbach spricht. Nach einem „ganz herzlichen Willkommen“ dankt er, typisch, zunächst für den Kirchenschmuck. Dann kommt er auf „meinen schweren Unfall“ zu sprechen. Er habe alle Namen verloren und vor allem alle seine Lebensgeschichten vergessen. Er müsse sie „wieder und wieder erzählen, dass ich sie zurückhole“ wie diese wahre Geschichte, sagt er. Seine Stimme ist noch immer ein wenig kratzig von der Beatmung.

    Mit einer "erlebten" Geschichte leitete Breitenbach zur Heiligen Nacht über

    Die Geschichte: Ein älteres Paar sprach ihn an, sie sagten „sehr bewegt“, dass sie Großeltern würden. Aber das Kind, das die Tochter erwartet, werde nach Dafürhalten des Arztes schwer behindert auf die Welt kommen.

    Sie hätten sich deshalb zur Abtreibung entschlossen, wollten aber auch seine, Breitenbachs Meinung einholen. „Lasst das Kind auf die Welt kommen, sein Lachen wird euch entschädigen“, habe seine Antwort gelautet. Dann habe er Tagore zitiert: „Jedes Kind, das in unsere Welt geboren wird, bringt von Gott die Botschaft mit, dass er an der Menschheit nicht verzweifelt“.

    Mit einem gemeinsamen Gebet habe er die Eheleute entlassen. Einige Wochen später standen sie wieder vor der Türe, Sie überreichten eine große Geldspende und sagten: „Ein Wunder! Das Kind ist ohne Behinderung zur Welt gekommen. Aus Dankbarkeit wollen wir das Geld spenden. Haben Sie einen besonderen Verwendungszweck?“ Hatte Breitenbach natürlich: Das Babyhospital zu Bethlehem, das einzige Kinderkrankenhaus im Westjordanland. Seit Jahren unterstützt St. Michael das von der Caritas betriebene Hospital, das zumeist kostenlos jährlich über 30 000 Babys und Kinder betreut.

    Schauspieler Enrico de Paruta nennt die fortschreitende Genesung von Breitenach ein Wunder

    „Bethlehem, damit ist das Stichwort für heute Abend gefallen“, kündigte Breitenbach die „schönste Geschichte an, die die Menschheit je erzählt hat“, erzählt vom „besten Erzähler“, dem mit ihm eng befreundeten Enrico de Paruta. „Zur Sicherheit“ hatte der 80-Jährige seinen Text aufgeschrieben. Kein einziges Mal blickte er aber auf das auf dem Altar liegenden Manuskript.

    Der Münchner Schauspieler, Autor, Hörfunk- und Fernsehmodertor, ging auf das gerade Erlebte an diesem „emotionalen Abend“ ein. Auch bei Dir, Roland, sei ein Wunder geschehen“, sagte er und wieder brandete Beifall auf. Es sei schön, dass es Dich gibt und Du heute unter uns bist“. Breitenbach saß da schon in der ersten Reihe, dankte mit Kopfnicken.

    Wunderbare Aufführung sorgte für weitere bewegende Momente

    Zum 20. Mal also führte de Paruta mit seiner Erzähl- und Schauspielkunst die Besucher zu einem tiefen weihnachtlichen Erlebnis. Ludwig Thoma schrieb seine Weihnachtslegende 1915 in depressiver Verfassung, um für sich aus dem heiligen Geschehen Trost zu finden.

    Einfühlsam versetzte de Paruta die verschiedenen oberbayerischen Charaktere, die für das Geschehen in der Christnacht wichtig sind, nach Bethlehem: die tiefgläubige Maria, den besorgten Josef, den schlitzohrigen Handwerksburschen Hansei, die hartherzigen Wirtsleute des Rössl.

    Josef hofft auf Hilfe bei der Base und ihrem Mann, aber auch die schlagen die Fenster zu. Die Rettung ist schließlich der einfache Simmei, der dem heiligen Paar im Stall eine Unterkunft bietet.

    De Paruta erntete für seine großartige sprachliche und schauspielerische Leistung mit einfachsten Gesten immer wieder auch Szenenapplaus, der nach fast zwei Stunden aufmerksamen Hinhörens in einen lang anhaltenden Beifall mündete.

    Zu dem religiösen Erlebnis trugen auch Caroline Schmidt-Polex an der Tiroler Harfe bei, Perry Schack (Konzertgitarre), die Engelstimmen Paul Schappert und Ronja Kull (beide Preisträger Musica Bavariae 2014 und 2015) und nicht zuletzt Benjamin Grund, ein jugendfrischer Tenor aus der Schule der Regensburger Domspatzen, und erstmals die wunderbare Münchner Sopranistion Bettina Baumgartner-Geltl bei. Am Ende wünschte de Paruta allen und namentlich Roland Breitenbach ein segenreiches, gesundes 2016, auf dass man sich zu Weihnachten zum 21. Mal bei der „Heiligen Nacht“ wieder sieht.

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