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SCHWEINFURT: Mit Stiel und Hörnla

SCHWEINFURT

Mit Stiel und Hörnla

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    Helga probiert die Sauce: Slow Food-Kochkurs bei Ludwig Fischbach (rechts) mit Sebastian und Monika Remelé (links), Landrat Florian Töpper (mitte), Slowfood-Mitgliedern und jungen Kreativen.
    Helga probiert die Sauce: Slow Food-Kochkurs bei Ludwig Fischbach (rechts) mit Sebastian und Monika Remelé (links), Landrat Florian Töpper (mitte), Slowfood-Mitgliedern und jungen Kreativen. Foto: Foto: Katharina Winterhalter

    Die wichtigste Aufgabe von Sebastian Remelé an diesem Abend: Gewürze mörsern. Das tut der Oberbürgermeister bedächtig und mit Ausdauer, während er „Mr. Slow Food“ Hans-Werner Bunz zuhört, wie der ihm den alten fränkischen Satz erklärt. Das ist keine Aneinanderreihung von Mundart-Wörtern, sondern ein Wein, der wie im 19. Jahrhundert hergestellt wird. Aber dazu später mehr. Wir befinden uns im Café Schiller in Schweinfurt, beim Kochkurs mit regionalen Produkten. Inhaber Ludwig Fischbach hat Prominente, junge Kreative und Slow-Food-Mitglieder eingeladen und erhofft sich einen regen Austausch. Sein Ziel: mehr Aufmerksamkeit für die Qualität und Einzigartigkeit von regionalen Lebensmitteln.

    Wer kennt noch den Sennfelder Stiel? Jene alte Mangold-Sorte, die vor etwa 100 Jahren in Sennfeld gezüchtet wurde und einen wunderbar süßlichen Geschmack hat. Im Sommer gibt es ihn auf dem Markt zu kaufen. Ludwig Fischbach erzählt, dass die Sennfelder traditionell nur die Stiele verwenden. Klein geschnitten und mit einer Art Bechamelsauce serviert, ist das bis heute eine lokale Spezialität. Weil er momentan nicht wächst, hat Fischbach von einem Nachbarn ein Glas eingemachten Mangold bekommen, der nun mit Zwiebeln und Rote Rüben die Füllung für die Vorspeise abgibt: Fränkische Dim Sum, kleine Teigtaschen.

    Als zweiten Gang soll es Saibling mit Steckrübenpüree geben. Die dicke Steckrübe, früher ein Arme-Leute-Gemüse, kommt natürlich auch aus Sennfeld, die Saiblinge aus der Rhön. Kaufen kann man sie im Fischgeschäft im Fischerrain. Gebraten werden sie später in Rapsöl, das Fischbach in einer Ölmühle in Obereuerheim kauft. Alle probieren und sind erstaunt: so nussig und mild kann Rapsöl schmecken.

    Noch ist es nicht soweit. Als erstes muss der Hauptgang in den Ofen, die Lammstelzen brauchen zwei Stunden. Stelzen sind Haxen und diese stammen vom „Rhönschaf“, einer alten Rasse, die im 16. Jahrhundert speziell für die Rhön gezüchtet wurde. Heute ist das Rhönschaf Passagier auf der „Arche des Geschmacks“, erzählt Bunz, der vor 15 Jahren den Slow Food Verein Hohenlohe-Tauber-Main-Franken gegründet hat. Er muss gleich erklären, was es damit auf sich hat. Die Arche ist ein weltweites Projekt. Aufgenommen werden Produkte, die schützenswert sind. 1112 sind es inzwischen, darunter einige fränkische wie das Bamberger Hörnla, der Sennfelder Stiel oder eben das Rhönschaf.

    Zurück zum Hauptgang. Hier trennt sich der Profi vom Anfänger. Slow-Food-Mitglied Helga aus Würzburg ist Profi, hat schon unzählige Kochkurse mitgemacht und schnappt sich gleich die Stelzen, um sie von Häutchen und Sehnen zu befreien. Derweil darf der OB Kreuzkümmel und Koriander mörsern, die jungen Kreativen schneiden Zwiebel, Karotte und Knoblauch in Würfel. Alle Zutaten kommen in einen Topf, Tomatenmark, Rotwein, Zimt, Salz und Pfeffer dazu und ab in den Ofen. So einfach kann kochen sein. Serviert wird das zarte Fleisch später mit Petersilienwurzel und Bamberger Hörnla, diesen köstlichen kleinen Kartoffeln, die wie Finger aussehen. Hörnla müssen übrigens nicht geschält, nur gut gewaschen werden.

    Inzwischen bereiten die Slow Food'ler den Strudelteig für die Dim Sum zu. Franz aus Hambach knetet, Helga kontrolliert. Der Teig muss sich anfühlen wie ein Ohrläppchen, sagt Fischbach. Oder wie ein Kinderpopo, sagt Helga. Dann wird es wirklich ernst. Die Saiblinge müssen filetiert werden. Helga bleibt gelassen. Ein scharfes Messer und viel Gefühl, mehr brauche man nicht. Ludwig Fischbach kann es natürlich, Monika Remelé stellt sich auch ganz gut an und Tiffany, die junge Dame aus der Modebranche, gibt ihr Bestes. Unterdessen plaudert der OB mit dem Landrat, der mit Verspätung herein geschneit ist. Florian Töpper erzählt, dass er als Kind oft dabei war, wenn die Steigerwälder Verwandtschaft ihre Karpfenteiche abgelassen hat.

    Nach mehr als einer Stunde, als das Lamm im Ofen seinen köstlichen Duft durch das Café schickt und die Teigtaschen gefüllt sind, öffnet Ludwig Fischbach einen Bocksbeutel und kredenzt einen alten fränkischen Satz in weiß. Bis zur Reblaus-Plage Ende des 19. Jahrhunderts wurde Wein so gut wie nie sortenrein angebaut. In einem Weinberg standen bis zu 20 verschiedene Rebsorten nebeneinander, wurden gleichzeitig gelesen und gepresst. In Franken gibt es noch 19 Weinberge, in denen fränkischer Satz angebaut wird. Der älteste soll in Wipfeld liegen. Serviert wurde ein weißer und ein roter Satz, beide köstlich wie das Essen. Zum Dessert gab es übrigens Schmarrn mit Whiskyäpfeln. Muss noch erwähnt werden, dass der Whisky aus Zeilitzheim und die Äpfel aus der Gegend stammen?

    Mehr über die Slow Food Bewegung, regionale Produkte und die Arche des Geschmacks: www.slowfood.de

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