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Schweinfurt: Mozartfest: Breakdance klassisch

Schweinfurt

Mozartfest: Breakdance klassisch

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    Werben und Staunen: Jannis Rupprecht und Tamika Pelzer.
    Werben und Staunen: Jannis Rupprecht und Tamika Pelzer.

    Es ist ein Ringen um jede Bewegung, um jede Geste: Was will die Musik, was will Mozart? Und welche Geschichte kann man dazu erzählen? Nach „Flying Bach“, zu sehen beim Schweinfurter Nachsommer 2012, geht der Dirigent und Regisseur Christoph Hagel nun einen Schritt weiter in der Musikgeschichte: Derzeit entsteht „Breakin' Mozart“, eine Auftragsarbeit für das Würzburger Mozartfest, die am 1. Juni in der s.Oliver-Arena Premiere haben wird. Es tanzt die Schweinfurter Breakdance-Truppe DDC.

    Probenbesuch. Christoph Hagel ist in Schweinfurt. Im Berliner Dom läuft gerade seine szenische Version von Bachs Johannespassion mit Sängern, Tänzern, Chor und Orchester. Er ist erschöpft, sagt er. Und erkältet. Das hört man. „Jetzt freue ich mich, dass die Jungs mich etwas ablenken.“ Zwischen Interview und Besprechung mit einem Musikbearbeiter für das Projekt reicht die Zeit gerade noch für einen Schokoriegel. Nach der Besprechung ist Probe in der Tanzschule Pelzer – noch ein Schokoriegel, noch eine Tasse Kaffee. Dann kann's losgehen.

    An diesem Abend sind die Klaviervariationen über „Ah, vous dirai-je maman“ dran – auch bekannt als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. Während „Flying Bach“ sich puristisch auf die ersten zwölf Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier beschränkt, wird es bei „Breaking Mozart“ wild durcheinandergehen: „Kraut und Rüben – Crazy Trash“, sagt Hagel, „Mozart war ja selber crazy.“ Hits am laufenden Band: Alla Turca, Cosi-Ouvertüre, Requiem, letzter Satz Jupiter-Sinfonie, Gesang der Geharnischten und die beiden Arien der Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“ – mit echter Koloratursopranistin.

    „Gesang haben sie wochenlang nicht ertragen“, sagt Hagel. Alexander Pollner und Marcel Geißler von der DDC nicken und grinsen. Aber man hat sich geeinigt. Das Operngenie Mozart ist ohne Gesang nicht vorstellbar. Und dass die furiosen Ausbrüche der Königin der Nacht förmlich nach Tanz schreien, ist auch klar. Überhaupt eignet sich Mozart ausgezeichnet. Für den Ball der Stadt Bayreuth sollte die DDC Wagner tanzen. „Wir haben nur ein Stück gefunden, den Walkürenritt“, sagt Marcel. „Aber bei Mozart geht praktisch alles.“

    Wie aber entsteht eine Breakdance-Choreografie zu Mozart? „Bei ,Weg der Elemente' hatten wir die Handlung und haben uns dazu völlig frei die Musik ausgesucht“, sagt Marcel, „jetzt haben wir die Musik und bauen darum herum Geschichte und Bewegungen. Und Christoph erklärt uns, ob das passt oder nicht.“ Kriterium ist dabei immer, wie die Musik gemacht ist.

    Christoph Hagel erläutert die Baupläne Mozarts. Begriffe wie Dur und Moll oder Augmentation. Er schätzt die Unbefangenheit, Neugier und Offenheit der Truppe. „Die sind unbelastet von 200 Jahren Interpretationskultur. Das ist ein riesen Vorteil.“ Die Schritte bleiben bei Mozart die gleichen, nur sind sie präziser, bewusster. „Man versucht wirklich, jeden einzelnen Ton mitzunehmen“, sagt Marcel Geißler. Auch Tempo und Gestus sind anders – weicher, eleganter.

    Auch das schätzt Hagel an der DDC: „Die sind eleganter, deutscher, aber auch witziger als die Flying Steps, mit denen ich Bach gemacht habe.“ Heute Abend also Weihnachtsmann. Statt großer Dramatik oder wummernden Beats sieben Minuten perlendes Klavier. Das Thema wandert durch alle Register, es verkleidet sich in Moll, es poltert durch den Bass, es jubelt im Diskant. Die DDC – für dieses Stück vier Tänzer und zwei Tänzerinnen – hat sich eine Geschichte ausgedacht. Eine Geschichte in der Geschichte vielmehr, denn „Breakin' Mozart“ soll eine durchgehende Handlung bekommen. Eine Liebesgeschichte. „Die jungen Leute wollen immer Liebesgeschichten erzählen“, sagt Hagel.

    Die Jungs – in roten Weihnachtsmützen – umwerben ein Mädchen. Das verliert aber bald das Interesse. Ein anderes Mädchen erscheint, es kommt zu einem Pas de deux. Dann taucht das erste Mädchen wieder auf. Viele witzige Einfälle, ein wenig Komik, ein wenig Poesie. Ein Geschenk wird gekonnt durchgereicht. Mal sind die Tänzer wirbelnde Verehrer, mal liegen sie aufgereiht auf dem Boden wie Klaviertasten. Die sieben Minuten vergehen wie im Flug. Aber Hagel ist nicht überzeugt. „Es gibt vier geniale Momente. Aber die Geschichte habe ich nicht kapiert. Und: Ich bin gegen die Mützen. Wollt ihr die unbedingt?“

    Zu den vier genialen Momenten zählt Hagel die kleine Ballett-Einlage von Dioni Birmpili. „Da versteht man sofort etwas von Mozart.“ Aber der Moment ist eben zu kurz, findet Hagel: „Sie muss mehr machen.“ Weiterer genialer Moment: Die Annäherung zwischen Tamika Pelzer und Jannis Rupprecht bildet – wie zuvor das Ballett – einen reizvollen Gegensatz zur Akrobatik. Aber: „Eine Geschichte mit zwei Frauen, das geht nicht sehr tief. Die eine trösten klappt nicht, also habt ihr Spaß mit einer anderen – das finde ich nicht sehr sympathisch“, sagt Christoph Hagel.

    Das Ensemble lässt sich im Kreis nieder. Die Tänzer erklären ihre Ideen, der Regisseur macht Vorschläge. Alle haben sowohl die Musik als auch die Bewegungen dazu im Kopf. Jetzt geht es darum, herauszufinden, was wann wie zusammenpasst. Die Konzentration ist mit Händen zu greifen. Und von Christoph Hagels Erschöpfung ist schon lange nichts mehr zu spüren.

    Christoph Hagel und die DDC

    Christoph Hagel, Jahrgang 1959, Dirigent und Opernregisseur, ist Schüler von Leonard Bernstein und Sergiu Celibidache. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen Operninszenierungen an ungewöhnlichen Orten, etwa „Don Giovanni“ im E-Werk 1997 mit Katharina Thalbach, „Zirkus um Zauberflöte“ 1998, mit George Tabori, „Apollo und Hyacinth“ 2006 zur Wiedereröffnung des Bode-Museums und später dort „Orpheus und Eurydike“ und „Die Hochzeit des Figaro“, „Die Zauberflöte“ 2008 in der Baustelle der U-Bahnstation „Bundestag“, 2011 „Die Schöpfung“ und derzeit die Johannespassion im Berliner Dom als Tanztheater und „Red Bull Flying Bach“, das Breakdance Crossover mit der Truppe Flying Steps, das 2010 in der Neuen Nationalgalerie Premiere hatte und beim Nachsommer 2012 in Schweinfurt zu sehen war.

    Als Auftragsarbeit des Würzburger Mozartfests entsteht „Breakin' Mozart“ mit der Schweinfurter Breakdance-Truppe DDC.

    Dancefloor Destruction Crew: Der Name kommt übrigens daher, dass die Jungs aus dem Jugendhaus Schweinfurt rausmussten, weil sie dort angeblich den Boden mit ihrem Tanz kaputt machten. Die DDC entstand 1999 zunächst mit vier Tänzern in Hambach, die sich mangels Lehrern jede Bewegung von Videos abschauten. Worin sie ziemlich schnell ziemlich gut waren. Seit 2002 geben die Mitglieder Breakdance-Kurse in der Tanzschule Pelzer. 2007 wurden sie Weltmeister der International Dance Organisation IDO, 2010 Vizemeister auf deutscher, europäischer und weltweiter Ebene. 2008 schafften sie es ins Halbfinale der RTL-Show „Das Supertalent“, was ihnen eine Flut und Engagements eintrug. Derzeit sind sie deutsche, Europa- und Weltmeister. Im November 2012 spielten sie ihre abendfüllende Show „Weg der Elemente“ zweimal im ausverkauften Schweinfurter Theater.

    Karten für Breakin' Mozart beim Mozartfest am 1. Juni, 20 Uhr, in der s.Oliver-Arena Würzburg im Internet unter www.mozartfest.de

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