Schweinfurt Zehn Kissen liegen im Halbkreis auf dem Parkettboden, ein Mann stellt eine kleine Buddha-Statue auf einen Sockel und hängt ein Bild auf mit einem vierarmigen Buddha im Schneidersitz, umgeben von Lotusblüten und farbigen Stoffen. Langsam trudeln die Mitglieder der Buddhistischen Gruppe Schweinfurt ein. Bei Knabberzeug werden Seminar-Wochenenden und Veranstaltungen besprochen. Dann beginnt die Meditation. "Liebevolle Augen" steht heute auf dem Programm. Das ist eine von vielen Meditationen der buddhistischen Karma-Kagyü-Linie (sprich: Kadschü), der die Schweinfurter Gruppe angehört. Karma-Kagyü bedeutet übersetzt "mündliche Übertragung". In der buddhistischen Schule steht die Meditation im Mittelpunkt als Weg zu Erkenntnis und Erleuchtung.
Die Meditation beginnt. Eine bunt gemischte Gruppe von Männern und Frauen zwischen 18 und 50 Jahren sitzt im Schneidersitz auf den Sitzkissen und schließt die Augen, während der Text der "Liebevolle-Augen"-Meditation vorgelesen wird. Jede Meditation besteht aus einer "Aufbauenden Phase", in der man Zuflucht sucht bei Buddha, bei der Gemeinschaft der Buddhisten, die Sangha heißt, und bei Dharma, das ist die buddhistische Lehre. Während der Hauptphase liest Curd Kühnel, der die Gruppe 1991 zusammen mit seiner Frau gegründet hat, eine Art Geschichte vor, in der es um Liebe und Mitgefühl geht. Obwohl jede Meditation ein anderes Thema oder, wie die Buddhisten sagen, einen anderen Buddha-Aspekt behandelt, steckt in jeder Meditation alles, was Buddha gelehrt hat. "Sozusagen als Essenz", erklärt Michael Holzhofer.
Schließlich sprechen alle gemeinsam das Mantra, eine Folge von Silben auf tibetisch. "om mani peme hung", murmelt es von überall her. Manche sagen es laut vor sich hin, andere kaum hörbar. Alle sind konzentriert und scheinen den Raum um sich herum vergessen zu haben. Meditation bedeutet "bei den Buddhis", wie die Buddhisten sich manchmal selbst nennen, "müheloses Verweilen in dem, was ist". Dabei stellt man sich Buddha ganz bildlich vor. Allerdings gehört die Karma-Kagyü-Linie zum tibetischen Buddhismus, und die tibetische Version des Buddha ist nicht der fröhliche dicke Mann, den sich viele vorstellen, sondern eher eine "athletische Lichtenergieform", erklärt Eva Becker-Kühnel. In der letzten, der "auflösenden Phase", verschmilzt der Buddha-Aspekt mit einem, und man kann das, was man in der Meditation erfahren hat, an andere Menschen weitergeben.
Curd Kühnel, seit 1989 Buddhist, war früher oft zornig, heute ist er gelassener: "Ich ärgere mich zwar noch, stelle das dann aber in die Ecke und mache weiter." - "Man nimmt die Dinge weniger ernst und weniger persönlich", bestätigt Holzhofer. Durch den Buddhismus lernt man, quälende Gedanken oder so genannte Störgefühle wie Stolz, Neid, Zorn oder Eifersucht ziehenzulassen. "Man wird zum Filmvorführer und kann selbst bestimmen, welches Programm läuft", so Kühnel. Aus Sicht der Buddhisten ist jeder für sein Leben selbst verantwortlich oder, wie es in der "Liebevolle-Augen"-Meditation heißt: "Wir säen ständig die Samen für unsere Zukunft."
In den letzten Jahren findet der Buddhismus auch im Westen immer mehr Anhänger. Das liegt daran, vermutet Eva Becker-Kühnel, dass die Menschen erkennen, dass materielle Werte, ein tolles Auto und viel Geld vergänglich sind. Sie machen sich auf die Suche nach zeitlosen Werten und finden so zum Buddhismus.
Dennoch stellt die 48-Jährige klar: "Wir missionieren nicht. Der Buddhismus ist ein Angebot, wer es nutzen will, nutzt es." Buddha gibt Ratschläge, keine Gebote. Der Buddhismus sei keine Religion im eigentlichen Sinne, sondern eher eine philosophische Sichtweise für den Alltag, meint Holzhofer. "Jeder, der mag, kann vorbeikommen, keiner wird verpflichtet zu irgendwas. Vorwissen braucht man nicht. Man kann Fragen stellen, um herauszufinden, ob es für einen passt."
Daten & Fakten
Buddhistische Gruppe Schweinfurt
Die buddhistische Gruppe Schwein-
furt trifft sich zur Meditation
jeden Mittwoch um 1930 Uhr in
der Rosengasse 9, oberstes Stock-
werk. Nähere Informationen
Tel. (0 97 27) 55 63 oder unter
www.buddhismus-schweinfurt.de