Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadtkultur Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

„Nu jrade nich!“ - Zille und Liebermann

Stadtkultur Schweinfurt

„Nu jrade nich!“ - Zille und Liebermann

    • |
    • |

    Verhülle, o Muse, dein Haupt!“ Dieser Ausruf der Empörung begleitete die Aufnahme des „Rinnsteinkünstlers“ Heinrich Zille in die Berliner Akademie im Jahre 1924, und auch der Künstler selbst war darüber nicht begeistert. Max Liebermann, einer der namhaftesten Maler seiner Zeit, seit 1920 Präsident der Akademie, hatte Zilles Mitgliedschaft gegen den Willen des Freundes und gegen alle Zweifel anderer Künstlerkollegen durchgesetzt. Zille hatte ihn zwar gebeten, diesen Plan fallenzulassen. Liebermann soll jedoch geantwortet haben: „Nu jrade nich!“ An den Freund Franz Jüttner schrieb Zille daher resignierend: „Es mag jeder über die ,Akademie‘ denken, wie er will – ich habs gewußt und mich gewehrt, jahrelang, ich muß es annehmen.“

    Neben den Zeichnungen und Druckgrafiken Heinrich Zilles, die noch bis 6. Februar im Museum Georg Schäfer zu sehen sind, findet man dort auch Werke von Kollegen wie Liebermann sowie einige Dokumente, die auf den ersten Blick vielleicht nicht sofort ins Auge fallen, jedoch so einiges über den Künstler, sein Leben und seine Kontakte erzählen. Schon damals wurde an staatlichen Einrichtungen alles ordentlich erfasst. Auch Zille kam nicht darum herum, zu seiner Aufnahme an der Akademie ein amtliches Formular auszufüllen, das bis heute im Archiv der Akademie verwahrt wird und nun in Schweinfurt einsehbar ist. Auf Seite 3 heißt es da: „Punkt VII. Bemerkungen. Hierunter ist ein eigenhändig geschriebener Lebenslauf sehr erwünscht.“

    Der Zeichner kam diesem Wunsch nach und schrieb in 70 (!) dichtgedrängten Zeilen über seine Ausbildung zum Lithografen, seine Lehrer und Vorbilder, seine schwere Kindheit, seine Liebe zum „fünften Stand der Vergessenen“, über die anfängliche Kritik an seinen Bildern und endete mit seinem späten Aufstieg (vom Keller in die 4. Etage). Dazwischen erstaunen Anekdoten aus dem Hinterhof- und Destillen-Alltag, etwa über eine Skatrunde, die ihr Kartenspiel auf dem nackten Hinterteil einer Hure betrieb.

    Liebermann weigerte sich damals, diesen Text bei der offiziellen Akademie-Einführung vorzutragen, so dass Zille selbst dazu gezwungen war. Dies blieb dann auch sein größter Auftritt. Ein schriftliche Beurteilung seiner Mitgliedschaft, ebenfalls als Dokument in der Ausstellung zu sehen, bestätigt, dass er nur an wenigen Sitzungen teilgenommen und nie das Wort ergriffen hatte, weil er sich in diesem Kreise nicht wohlfühlte und sich mit der vielen Rederei – er sprach von „Quatschbude“ – nicht abfinden konnte.

    Zille und Liebermann kannten sich seit etwa 1893, als die Photographische Gesellschaft, bei der Zille damals noch angestellt war, eine Mappe mit 18 Liebermann-Radierungen veröffentlichte. Liebermann und Zille blieben zeitlebens befreundet, selbst wenn sie in zwei sehr unterschiedlichen Welten lebten. Zille blieb reiner Zeichner und treu den untersten Schichten verbunden. Liebermann lebte großbürgerlich, als einflussreicher Künstler und Träger hoher Kunstämter.

    Er förderte dennoch von Anfang an maßgeblich Zilles Etablierung als freier Künstler, trat mehrfach als Verteidiger und Gutachter auf, wenn Zilles Arbeiten als unsittlich verunglimpft oder sogar beschlagnahmt wurden, und er hatte ihn zur ersten Ausstellung im Kreise

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden