"Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht", staunt ein Besucher im Birkig beim "Christbaum-Abholevent" der Marktgemeinde Werneck. O Tannenbaum, O Tannenbaum: An die 8000 Nordmanntannen gedeihen eingezäunt im Forst, an der Straße zwischen Stettbach und Rundelshausen. Der vorweihnachtliche "Holzverstrich" ist auch ein Familien-Event, mit Kind und Hund. Am Bratwurststand brennen ein Lager- und ein Schwedenfeuer, Glühwein köchelt über offener Flamme. Bauhofmitarbeiter lassen sich den persönlich ausgewählten Weihnachtsschmuck zeigen, fällen die Stämmchen kurz und schmerzlos mit der Elektrokettensäge und ziehen sie den Kunden draußen durchs "Einnetzgerät".

Die Riesen-Auswahl ist fast schon wieder ein Problem, für die zahlreichen Besucher, die in der Woche vor Weihnachten zur Baumschule drängen: Im Wald herrscht die Qual der Wahl. Die nach Größe gestaffelten Bäume sind fast alle wohlgeformt und kerzengerade. Nur die Zweige schimmern vielleicht in einem etwas helleren Grün als gewohnt. Dampfen dafür aber auch keine Giftstoffe ins Wohnzimmer. Spezielle Nährlösungen sorgen anderswo für ein kräftig leuchtendes, aber zart giftelndes Adventskranzgrün unterm Lametta. Dazu gesellen sich meist noch Pestizide und andere Chemikalien.
Klaus Rettner ist als Hüter des Wernecker Gemeindewalds stolz auf den biologischen Anbau vor Ort: "Ohne Chemie, ohne Dünger, alles Handarbeit." Ausreichend bewässern müsse man seine handverlesene Tanne zuhause schon. Auch der Heizungsregler sollte nicht auf Anschlag stehen. Vor 20 Jahren wurden auf der langgestreckten Waldschneise die ersten Weihnachtsbäume gepflanzt. Entstanden ist so ein nachhaltiger Wachstumsmarkt. Der Verkauf hat nur ein einziges Mal pausiert, wegen übergroßen Andrangs im Vorjahr.

Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl zeigt auf die Stromleitung der ÜZ Mainfranken, die über das das Areal hinweg führt, in einigen Metern Höhe: der eigentliche Grund für die kommunale Christbaumkultur. Wegen der Freileitung könnten hier ohnehin keine größeren Bäume wachsen. Bis zu acht Jahre lang dürfen die Koniferen gedeihen: "Die Größten kommen in die Kirchen." In drei Größen und Preiskategorien gibt es die Weihnachtsware: von den Minis mit blauem Fähnchen über die orange gekennzeichnete Mittelklasse bis hin zur gelb markierten "Übergröße".
Kniffligste Herausforderung, so Forstbetriebschef Rettner: "die Freiflächen von Gras und Verbuschung freizuhalten". Natürlich rein mechanisch. Die kleinen Bäumchen täten sich am Anfang schwer mit wildwuchernder Konkurrenz. An sich sei der Standort aber gut, mit Schatten vom Wald her und dennoch ausreichend Sonne. Mit dem Klimawandel kämen die Nordmanntannen ebenfalls zurecht. Benannt ist die robuste, sturmfeste Art nicht etwa nach dem Weihnachtsmann. Entdeckt wurde der klassische "Joulukuusi" (wie der Finne den Weihnachtsbaum nennt) 1835 von einem finnischen Botaniker, Alexander Davidowitsch von Nordmann, im tiefsten Kaukasus. Georgien ist bis heute Saatgutlieferant, Dänemark wichtigster Produzent der fertigen Tannen: Ein Millionengeschäft mit einigem Transportaufwand.

Thomas Fuchs von der Wernecker Ortsgruppe des Bund Naturschutz ist ebenfalls Stammkunde im Birkig - und voll des Lobes über "Christbäume aus der Region für die Region". Es würden nur Exemplare gefällt, die dann auch wirklich genutzt werden, ohne Pestizideinsatz und tonnenweise CO2-Ausstoss. Dafür schaut die ganze Marktgemeinde vorbei: "Ich bin dabei, seit ich fünf bin", sagt Tim Horner stolz. Der Ettlebener ist jetzt zwölf. Eingepackt werden gleich zwei Fundstücke, der Opa hat sich mit auf Baumsuche begeben. Konrad Bonengel schwört als Geschäftsleiter der Gemeinde ebenfalls auf grüne Ware frisch vom Erzeuger. Man trifft sich und kennt sich, zwischendurch ist Zeit für ein "Hallo" oder einen Plausch beim Punsch. Am Ende gehen 125 Bratwürstchen über die Theke - und einige hundert Weihnachtsbäume ins Netz.
